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Russische Spuren bei Pegida

Roman Goncharenko20. November 2015

Russische Fahnen, Antiamerikanismus und Appelle an Putin: Die islamfeindliche Pegida-Bewegung in Dresden ist nicht nur ausländerfeindlich, sondern anscheinend auch russlandfreundlich. Die DW ging auf Spurensuche.

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Deutschland Russische Fahne bei Pegida-Demonstration in Dresden (Foto: DW/R. Goncharenko)
Russische Fahne bei Pegida-Demonstration in DresdenBild: DW/R. Goncharenko

Der Theaterplatz vor der Semperoper in Dresden ist voll. Nach den Terroranschlägen in Paris sind mehr als 10.000 Menschen zu der traditionellen Montagskundgebung von Pegida ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands") gekommen, um gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zu demonstrieren.

Das sind ein paar tausend Teilnehmer mehr als vor einer Woche, aber nur halb so viele wie zu den Spitzenzeiten der Bewegung. Die Anhänger von Pegida fühlen sich durch die Terroranschläge in ihrer politischen Auffassung bestätigt. Sie fordern, dass Deutschland keine Flüchtlinge mehr aufnimmt.

Schatten der DDR-Vergangenheit

Und sie fordern einen Regierungswechsel. "Merkel muss weg", grollen meist männliche Demonstranten vor der prächtigen Barockkulisse der sächsischen Hauptstadt. Während sie ihren Hass in den Abendhimmel schreien, wehen viele deutsche, aber auch ein halbes Dutzend russischer Fahnen über dem Platz.

Ein grauhaariger Mann hält eine besonders große Russlandflagge hoch. Er trete für eine Entspannungspolitik gegenüber Moskau ein und habe Angst vor einem Krieg zwischen Russland und den USA, sagt der Senior. Der russische Präsident Wladimir Putin sei ihm sympathisch, weil er "ein Macher" sei und "sich durchsetzt, während unsere Politiker nur reden".

Lutz Bachmann bei der Pegida-Demonstration (Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke)
Lutz Bachmann: Der Anführer von Pegida gehört zu den Anhängern von Putins PolitikBild: Reuters/H. Hanschke

Er selber habe Putin nie getroffen, doch sein Chef zu DDR-Zeiten hätte Kontakt zu dem heutigen Präsidenten Russlands gehabt, erzählt der Mann in einem Gespräch ohne Mikro. Putin diente in den 80er Jahren in Dresden als KGB-Offizier.

Experten wie der Dresdner Politikwissenschaftler Christian Demuth schließen nicht aus, dass es bei Pegida-Demonstrationen "ganz viele auf der Straße sind, die im DDR-Regime bestimmte Rollen hatten – Stasi, SED". Dies sei zwar eine Hypothese, fest stehe aber, dass Russlandfahnen bei Pegida meist von älteren Männer getragen würden.

"Putin, hilf uns"

Die islam- und fremdenfeindliche Bewegung Pegida gilt seit ihrer Entstehung im Oktober 2014 als prorussisch. In einem Punkt ihrer "Dresdner Thesen" wird eine "sofortige Normalisierung des Verhältnisses zur russischen Föderation und Beendigung jeglicher Kriegstreiberei" gefordert.

Bei einer Kundgebung im Februar 2015 trat eine Frau auf, die als "Anastassia aus Russland" vorgestellt wurde. Sie warb für Anerkennung der russischen Krim-Annexion und ein Ende westlicher Sanktionen. Pegida-Anführer Lutz Bachmann traf sich im Mai 2015 sogar mit den Mitgliedern des kremlnahen Motorradclubs "Nachtwölfe" und begleitete sie bei einer Kranzniederlegung am Soldatenfriedhof im sächsischen Torgau.

Deutschland Justus Ulbricht (Foto: DW/R. Goncharenko)
Justus Ulbricht: "Prorussisch zu sein, heißt antiamerikanisch zu sein"Bild: DW/R. Goncharenko

Vor allem Putin genießt bei den Pegida-Anhängern hohes Ansehen. So trug Anführer Bachmann bei Kundgebungen ein T-Shirt mit dem Portrait des Kremlchefs. Immer wieder hört man bei Pegida Rufe wie "Merkel nach Sibirien, Putin nach Berlin" oder "Putin, hilf uns".

Alter Antiamerikanismus

Während über islamfeindliche und teilweise antidemokratische Einstellungen bei Pegida erste Forschungsergebnisse vorliegen, bleibt ihre prorussische Seite bisher im Dunkeln. Die von der DW befragten Experten nennen dafür drei Faktoren: DDR, Antiamerikanismus und die Anziehungskraft Putins.

"Die Ostdeutschen definieren paradoxerweise ihr eigenes Selbstbild auch über den Rückblick auf die gemeinsame deutsch-russische Vergangenheit, obwohl sie die Russen immer aus dem Land haben wolltent", sagt Silke Satjukow, Professorin an der Universität Magdeburg.

Das Russlandbild sei in den neuen Bundesländern viel positiver als im Westen. Auch die Ukrainekrise habe daran nichts geändert. In einem Studentenprojekt habe sie herausgefunden, dass Ostdeutsche in der Krim-Frage eher auf der Seite Russlands stehen, sagt Satjukow.

Dresden, Pegida Aufmarsch ( Foto: Arno Burgi/dpa +++(c) dpa - Bildfunk)
Montagsdemonstration: Pegida Aufmarsch in DresdenBild: picture-alliance/dpa/Arno Burgi

Der Dresdner Historiker Justus Ulbricht verweist auf den in Ostdeutschland stark verbreiteten Antiamerikanismus. "Prorussisch zu sein, heißt antiamerikanisch zu sein", sagt Ulbricht, der früher Bürgergespräche mit Pegida moderierte.

Sehnsucht nach starken Männern

Das bestätigt auch Kerstin Köditz von der Partei Die Linke, die im sächsischen Landtag die zweitgrößte Fraktion hat. Sie selbst spricht von einer pro-Putin-Stimmung. "Über die Situation in Russland selber wissen die wenigsten Pegida-Anhänger Bescheid", so Köditz. "Was sie wahrnehmen, ist ein starker Mann, man sieht Bilder von Putin, wie er mit freiem Oberkörper auf dem Pferd reitet. Das sind Bilder, die die Pegida-Leute lieben", meint die Politikerin.

"Putin ist eine Leitfigur für viele Rechte in Europa", sagt der Politikwissenschaftler Christian Demuth. Er verweist auf die NPD, deren Anhänger auch bei Pegida unterstützten. Demuth schätzt ihre Zahl auf rund einen Fünftel.

Die NPD hat in Sachsen ihre Hochburg. Mit 4,9 Prozent bei der Wahl 2014 verpassten die Rechtsradikalen nur knapp den Einzug in den Landtag. Der ehemalige NPD-Vorsitzende Udo Voigt war erst im Frühjahr 2105 nach Sankt-Peterburg gereist und hatte auf einem Kongress europäischer Rechtsradikaler Putins Politik gelobt.

Dresdens Dilemma

Nicht nur die NPD und Pegida, auch Putin hat zu Dresden eine besondere Beziehung. 2009 wurde Russlands Präsident dort mit dem "Dankorden des Semperopernball e.V." für Verdienste um den Kulturaustausch ausgezeichnet. Dresden und Putins Heimatstadt Sankt-Petersburg pflegen zudem eine Städtepartnerschaft.

Auch die erste deutsche Vertretung der staatlich finanzierten Stiftung "Russki Mir" (Russische Welt) auf der Basis des Deutsch-Russischen Kulturinstituts wurde in Dresden eröffnet. Die Führung des Instituts distanzierte sich von Pegida. Der Anführer der Bewegung sei "ein Krimineller", sagte der Vorstandvorsitzende Wolfgang Schälicke.

Christian Demuth (Foto: DW/R. Goncharenko)
Auch viele DDR-Nostalgiker sind unter den Pegida-Demonstranten, meint Politikwissenschaftler Christian DemuthBild: DW/R. Goncharenko

In der Tat ist der 42-jährige Lutz Bachmann mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Diebstahls. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn wegen Volksverhetzung. Pegida versuche Russland und Putin zu instrumentalisieren, sagt Schälicke. Sein Stellvertreter Vitaliy Kolesnyk spricht von einer "Provokation".

In Gesprächen ohne Mikrophon scheinen auch manche Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion in Dresden mit Pegida zu sympathisieren. Medienberichten zufolge leben in der sächsischen Hauptstadt mehr als 15.000 russische Muttersprachler. Einige geben zu, zu Pegida-Demonstrationen zu gehen.