Bautzen: Zwischen Engagement und Rechtsextremismus
16. September 2016DW: Überraschen Sie die neuesten Vorkommnisse?
Ahrens: Ja, tatsächlich war ich überrascht von der Dimension. Es gab zwar zuvor wiederholt auf dem Markt in der Stadt niederschwellige Vorgeschichten, bei denen es zwischen Flüchtlingen und Deutschen Pöbeleien und Rangeleien gab. Aber das waren alles Sachen, die unterhalb einer Schwelle waren, so das die Justiz nicht eingreifen musste. Allerdings merkte man schon, dass sich die Vorfälle häuften.
Es sollen bis zu 80 Personen aus dem rechten Spektrum an den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen sein. Sind das alles Leute aus Bautzen?
Ich war schockiert vom Organisationsgrad der Personen und deren hoher Gewaltbereitschaft, die schließlich darin mündete, dass ein Krankenwagen mit Steinen beworfen wurde. Die Polizei teilte mir hinterher mit, dass zahlreiche, der an den Auseinandersetzungen beteiligten Rechten, in Autos stiegen, die kein Bautzener Nummernschild hatten.
Jetzt haben rechtsextreme Gruppierungen angekündigt, dass sie am kommenden Wochenende weitere Aktionen planen. Wie geht die Stadt damit um?
Es wird auf jeden Fall eine höhere Polizeipräsenz geben und auch die Flüchtlinge werden von Streetworkern betreut. Ich möchte auch, dass dieser Zustand der Ausgangsperre aufgehoben wird und dass die jungen Flüchtlinge wieder in die Stadt kommen. Ich bin damals mit der Aussage zur Bürgermeisterwahl angetreten keine Politik gegen Flüchtlinge zu machen und dazu stehe ich auch heute noch.
Sie sind nach den Vorfällen zu den Bürgern auf den Markt gegangen und haben dort mit ihnen diskutiert. Was für ein Gefühl ist das und wie sind die Leute mit ihnen umgegangen? Hat man vielleicht auch Angst in solchen Situationen?
Bei sowas habe ich grundsätzlich keine Angst. Ich habe mit den Leuten, die nach ihrem Auftreten und durch ihre Kleidung offenbar zum rechten Spektrum gehören, sachlich diskutiert. Immer wieder sagten mir viele, dass sie sich gar nicht als rechts sehen, sie wollen nur keine Flüchtlinge. Nur dass lässt sich natürlich nicht umsetzen. Ich habe den Leuten klar gesagt, dass wir es nicht dulden werden, wenn sie die Geschicke selbst in die Hand nehmen. Ich bin aber immer zu Gesprächen bereit. Allein fünf Stunden pro Woche stehe ich den Bürgern in der Sprechstunde zur Verfügung. Viele von ihnen haben mir Respekt gezollt und offen ins Gesicht gesagt, dass ich einen Arsch in der Hose habe, zu ihnen zu kommen und mich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Ihre Frau ist Polizistin. Von daher haben sie Einblicke in die Vorgehensweise der Polizei. Oft wird ja deren Rolle im Zusammenhang mit dem Umgang mit Rechtsextremismus in den ostdeutschen Ländern kritisch betrachtet und oft erklingt der Vorwurf, sie sei auf dem rechten Auge blind. Wie stehen sie zu solchen Vorwürfen?
Ich kann nur sagen, dieser Vorwurf gilt nicht für die gesamte Polizei. Es gibt sicherlich Fälle, wo das so ist. Hier in Bautzen gilt das aber definitiv nicht für den Revierleiter und seine Kollegen.
Was bedeuten solche Gewaltausbrüche für eine Stadt wie Bautzen auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung der Kommune? Investoren könnten doch abgeschreckt werden?
In Deutschland weiß man zu wenig über Bautzen. Man denkt an den Stasi-Knast oder an Rechtsextremismus. Bautzen ist eine Stadt mit hohem bürgerschaftlichem Engagement. Die Stadt ist schuldenfrei, hat sogar Überschüsse erwirtschaftet und hat in der ostsächsischen Region eine Art Leuchturmcharakter. Die Stadt gilt als eine der schönsten und am besten erhaltenen mittelalterlichen Städte in Deutschland. Aber mit solchen Aktionen hat man Bautzen keinen Gefallen getan. Wie sich das auf das Image und auf Investoren auswirken wird, kann ich noch nicht sagen, aber ich habe in den nächsten Tagen Gespräche mit potenziellen Investoren, das wird sich dann zeigen, wie das nachwirkt.
Alexander Ahrens ist gebürtiger Berliner und lebt seit 2008 in Bautzen. Er ist der Bürgermeister der Stadt.
Das Interview führte Carsten Grün