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KriminalitätDeutschland

"Mocro-Mafia" aus den Niederlanden beunruhigt Deutschland

Ben Knight
Veröffentlicht 4. August 2024Zuletzt aktualisiert 20. September 2024

Die Polizei in Deutschland warnt vor einem Vordringen des niederländischen kriminellen Netzwerks. Die sogenannte "Mocro-Mafia" ist berüchtigt für Rauschgifthandel, Entführungen und Auftragsmorde.

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Zwei maskierte Polizisten stehen mit Maschinenpistolen und Schutzwesten vor einem Gebäude.
Hohe Sicherheit bei einem Prozess gegen Mitglieder der niederländischen Mafia in AmsterdamBild: Patrick van Katwijk/Dutch Photo Press/picture alliance

Die Ängste vor möglichen Mafia-Kriegen zwischen niederländischen und konkurrierenden deutschen Verbrechernetzwerken wachsen. Eine Explosionsserie in Köln könnte mit Bandenkriegen im Zusammenhang stehen. Zuletzt war am Mittwochmorgen (25.9.2024) ein Brandsatz in einem Café im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses explodiert, die Ursache ist noch unklar. Genau eine Woche zuvor hatte es eine Explosion in einem Modegeschäft in einer beliebten Einkaufsstraße gegeben. "Es gibt offensichtlich im Milieu offene Rechnungen, die noch beglichen werden", sagte danach der Chef der Kölner Kriminalpolizei, Michael Esser, bei einer Pressekonferenz.

Polizeiaktion in Köln: Befreiung und Festnahmen

Schon seit längerem vermuten die Ermittler, dass Kartelle aus den Niederlanden in kriminelle Machenschaften im Bundesland Nordrhein-Westfalen verstrickt sind. Besonders, seitdem die Entführung und Folterung eines Mannes und einer Frau in Köln im Sommer für Aufsehen sorgte. Die Geiselnahme war wahrscheinlich ein Racheakt für eine nicht gezahlte Drogenlieferung.

Die beiden Personen, offenbar Mitglieder einer deutschen organisierten Verbrechergruppe, wurden Anfang August durch eine Polizeiaktion von einem Spezialeinsatzkommando befreit. Die Operation führte zu vier Festnahmen und der Durchsuchung von sechs Gebäuden und Wohnungen in der Stadt, bei denen zwei weitere Männer festgenommen wurden. 

Zerstörter Eingangsbereich eines Ladens, der von zwei Polizisten und einem Polizeihund in Augenschein genommen wird
Zerstört: der Eingangsbereich des Modeladens in KölnBild: Stephane NitschkeREUTERS

In Nordrhein-Westfalen im Westen Deutschlands, nahe den Niederlanden, gab es zudem zahlreiche Bombenexplosionen, bei denen mutmaßlich versucht wurde, unter anderem Geldautomaten zu knacken.

Alle diese Verbrechen sollen von der sogenannten "Mocro-Mafia" begangen worden sein. Der Begriff wird von vielen Medien in den Niederlanden und Deutschland so genutzt. Er ist zum Sammelbegriff für organisierte Verbrechergruppen geworden, die ursprünglich mehrheitlich aus der niederländisch-marokkanischen Bevölkerung hervorgegangen sind. Der Begriff ist allerdings sehr umstritten, da er von einigen Betroffenen als rassistisch empfunden wird.

Die niederländische Mafia ist nur eine von vielen Verbrecherorganisationen: Europol hat 821 organisierte Verbrechernetzwerke in ganz Europa gezählt, mit mehr als 25.000 Mitgliedern.

Entwicklung und Gewaltbereitschaft der "Mocro-Mafia"

Der Begriff ist für diese niederländischen Banden gebräuchlich. Nicht zuletzt durch den Titel einer erfolgreichen niederländischen Fernsehserie, die auch in Deutschland ausgestrahlt wird. Doch die meisten Kriminologen und Polizisten stimmen überein, dass die Gruppe inzwischen keine einheitliche ethnische Identität hat.

Man sieht ein großes Loch in einer Wand, Trümmer und Stahlreste liegen auf der Straße.
Ein gesprengter Geldautomat in OsnabrückBild: Fotostand/IMAGO

"Die sogenannte Mocro-Mafia begann in den 1990er Jahren mit dem Import von Cannabis in die Niederlande und erweiterte später ihr Geschäft auf den Import von Kokain", sagt Dirk Peglow, Leiter des Deutschen Verbandes der Kriminalbeamten, zur DW. "Wir haben es daher mit einer Gruppe zu tun, deren Strukturen seit Jahrzehnten etabliert sind. Wobei schon längst nicht mehr nur marokkanische Staatsangehörige dieser kriminellen Organisation angehören." 

Ähnlichkeiten und Unterschiede zu anderen Verbrechergruppen

Allerdings ist die Mafia offensichtlich wesentlich gewaltbereiter als die organisierten Verbrecherbanden in Deutschland. In den Medien kursieren reißerische Geschichten über Folterkammern, abgetrennte Köpfe und sogar angebliche Pläne zur Entführung der 18-jährigen niederländischen Kronprinzessin Amalia. Der bekannte niederländische Kriminologe Cyrille Fijnaut schätzt, dass jedes Jahr zwischen zehn und 20 Menschen von der Mafia ermordet werden.

"In allen Gruppen ist die Gewaltbereitschaft sehr hoch", sagt Mahmoud Jaraba, Politologe und Kriminalitätsforscher an der FAU-Forschungsstelle Islam und Recht in Europa. "Aber in dieser Gruppe ist die Bereitschaft, Gewalt zu begehen, höher." Aber in Bezug auf die Strukturen und Geschäftspraktiken seien die Gruppen ähnlich. "Die arabischen 'Clans' in Deutschland unterscheiden sich nicht so sehr: Die Hauptakteure kommen aus einer bestimmten Familie, aber es sind keine geschlossenen Gruppen", sagte Jaraba der DW. "Ohne ihre Netzwerke innerhalb und außerhalb Deutschlands und der Niederlande würden sie nicht überleben."

Mordanschläge auf Zeugen und Gegner in den Niederlanden

Die Brutalität und Skrupellosigkeit der Mafia zeigte sich in den Niederlanden vor allem 2021 mit der Ermordung von Peter de Vries. Dem prominenten Journalisten, der ausführlich über das organisierte Verbrechen im Land berichtet hatte, wurde in Amsterdam nach einem Fernsehauftritt auf der Straße in den Kopf geschossen.

Einer von drei Morden, die in mehrjährigen Gerichtsprozessen verhandelt wurden. Neben de Vries waren auch der Bruder eines Kronzeugen und ein Staatsanwalt ermordet worden. 

Die Macht der Drogenmafia

17 Angeklagte, darunter Bandenführer Ridouan Taghi, verurteilte das Gericht im Februar wegen mehrfacher Morde und Mordversuche zu langen Freiheitsstrafen. Darunter waren lebenslange Haft für Taghi sowie für drei weitere Mafiosi. Im Juni wurden sechs weitere Männer wegen des Mordes an de Vries verurteilt.

Trotz dieser juristischen Erfolge scheinen die kriminellen Netzwerke zu gedeihen und breiten sich nach Deutschland aus. "Wir haben in Nordrhein-Westfalen gesehen, dass die Gruppierung bereits in Deutschland aktiv ist und in ihrem kriminellen Treiben eine Brutalität an den Tag legt, bei der auch die Verletzung oder gar Tötung Unbeteiligter in Kauf genommen wird", sagt der Kriminalbeamte Dirk Peglow.

Obwohl die Entführung in Köln zeigte, dass zwischen den kriminellen Organisationen Streitigkeiten ausbrechen könnten, scheinen diese in der Regel eng zusammenzuarbeiten. Wobei deutsche Banden offenbar dafür zuständig sind, Kokain und Heroin von ihren niederländischen Kollegen zu importieren. "Bis heute bleiben diese Beziehungen und auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen kriminellen Gruppierungen zwischen Deutschland und die Niederlande bestehen", erklärt Kriminalitätsexperte Jaraba.

Herausforderungen bei der Bekämpfung Organisierter Kriminalität

Forscher wissen derzeit weder genau, wann diese so bezeichnete "Mocro-Mafia" begann, sich nach Deutschland auszudehnen, noch welche Verbrechen, möglicherweise auf Anweisung der niederländischen Gruppe in Deutschland, ausgeführt wurden. Immerhin gelang es der Polizei in Deutschland und den Niederlanden nach eigenen Angaben in den letzten Jahren, dass sie dank der Analyse von Chat-Messaging-Apps viel mehr Informationen über internationale Verbrechernetzwerke sammeln konnten. 

Container in einem Hafen.
Über Seehäfen werden viele Drogen nach Europa geschmuggeltBild: WDR

Dennoch warnt der Leiter des Deutschen Verbandes der Kriminalbeamten Dirk Peglow, die Politik in Deutschland müsse mehr tun, um die Polizei bei ihren Bemühungen zu unterstützen: "In Deutschland können wir nicht warten, bis ähnliche Strukturen wie in Holland etabliert sind”, sagt er. “Wir müssen hier sehr eng mit der niederländischen Polizei zusammenarbeiten und verhindern, dass Vorfälle wie in Nordrhein-Westfalen zur Normalität werden.”

Wenn es nicht mehr Ressourcen zur Verbrechensbekämpfung gebe, sagt auch Jaraba, hätte die Polizei wenig Chancen gegen solche kriminellen Strukturen. "Wir haben extrem wenige Möglichkeiten, dieses Phänomen zu bekämpfen, denn in den meisten Fällen kommen die Kriminellen aus den Niederlanden und haben Fluchtwege und Leute, die mit ihnen zusammenarbeiten."

Der Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert. Er wurde am 4.8.2024 erstmals veröffentlicht und am 20.09.2024 und am 25.09.2024 nach weiteren Explosionen aktualisiert.