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Mode und Umwelt: Zara, H&M und die Abholzung in Brasilien

Nádia Pontes
13. April 2024

Bekannte Marken wie H&M und Zara verkaufen Textilien mit Ökosiegel. Das kann täuschen: Baumwolle aus Brasilien steht für Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen, wie eine Studie belegt.

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Brasilien Baumwollfeld
Der weltweit viertgrößte Baumwollproduzent: Baumwollernte in BrasilienBild: EVARISTO SA/AFP

Bevor sie in den Schaufenstern von Modegiganten wie Zara und H&M landen, hinterlassen Hosen und Hemden, Shorts und Shirts aus Baumwolle eine Spur aus Abholzung, Land Grabbing und Menschenrechtsverletzungen in Brasilien.

Obwohl viele dieser Kleidungsstücke laut Kennzeichnung aus nachhaltiger Produktion stammen sollen, belegt eine ausführliche Studie der britischen NGO Earthsight: Es gibt eine enge Verbindung zwischen europäischen Textilmarken und dem Anbau in Brasilien, dem viertgrößten Baumwollproduzenten weltweit. Earthsight hat Satellitenbilder und Versandlisten analysiert, in Archiven recherchiert und die Anbaugebiete besucht - und die Reise von 816.000 Tonnen Baumwollen im Detail nachvollzogen.

Dem Bericht nach wurde der Rohstoff eigens für acht asiatische Unternehmen hergestellt, die zwischen 2014 und 2023 rund 250 Millionen Artikel für den Einzelhandel herstellten. Viele dieser Firmen, so die Untersuchung, belieferten unter anderem Marken wie H&M und Zara.

"Es ist schockierend, diese Verbindung zu bekannten Markennamen zu sehen, die sich offenbar nicht besonders anstrengen, die Lieferketten zu kontrollieren. Also zu wissen, woher die Baumwolle kommt und welche Auswirkungen das hat", sagt Rubens Carvalho, Chef der Recherchegruppe Abholzung bei Earthsight, gegenüber der DW.

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Alles Bio? Schon vor Jahren wurde H&M vorgeworfen, seine Linie Organic Cotton enthalte gentechnisch veränderte BaumwolleBild: Oliver Berg/dpa/picture alliance

Das Problem liegt in der Herkunft: Baumwolle für den Export wird vor allem im Westen des brasilianischen Bundesstaates Bahia angebaut, einer Region, die zu den tropischen und besonders biodiversen Feuchtsavannen gehört, den Cerrados. Die Vegetation wird hier oft illegal gerodet, um Platz zu schaffen für den Anbau von Nutzpflanzen. Die abgeholzte Fläche habe sich hier in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt, so das brasilianische Nationale Institut für Weltraumforschung INPE.

Abholzung und Land Grabbing

Die Baumwolle, so der Report, wird vor allem von zwei großen Agrarkonzernen angebaut: SLC Agrícola und Horita. SLC Agrícola ist nach eigenen Angaben für elf Prozent von Brasiliens Baumwollexporten verantwortlich und einer der größten brasilianischen Sojaproduzenten. Die Earthsight-Studie schätzt, dass die SLC-Landwirtschaftsbetriebe in den vergangenen zwölf Jahren ein Cerrado-Gebiet zerstört haben, das 40.000 Fußballfeldern entspricht. Im Jahr 2020 sei SLC Agrícola zum größten Abholzer der Ökoregion erklärt worden, so der US-amerikanische Thinktank Chain Reaction Research.

2021 verpflichtete SLC sich und seine Zulieferer zu einer Null-Abholzung-Politik. Ein Jahr später fand das gemeinnützige Beratungsunternehmen Aidenvironment heraus, dass auf Grundstücken mit Baumwollanbau 1365 Hektar der Cerrados zerstört wurden. Und fast die Hälfte davon befand sich in einem Schutzgebiet.

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Als wir SLC Agrícola mit diesen Vorwürfen konfrontierten, antwortet der Konzern der DW, bei SLC geschähen "alle Umwandlungen natürlicher Vegetation im Rahmen der Gesetze". Zu Aidenvironments Anschuldigungen sagte das Unternehmen, die Zerstörung von Cerrado-Gebiet sei geschehen durch "ein natürliches Feuer, nicht um neue Flächen für die Produktion zu schaffen".

Der andere Konzern, dessen Gebaren der Earthsight-Bericht analysiert, ist Horita. Der Vorwurf hier: Gewalttätige Landstreitigkeiten mit traditionellen indigenen Gruppen. Eine Nachfrage der DW bei Horita blieb unbeantwortet.

Brasilien Baumwolle und Europas Einzelhandel

Für seinen Bericht hat Earthsight den weiteren Weg der Baumwolle recherchiert. Er führte vor allem nach Indonesien, Bangladesch und Pakistan, nach China, Vietnam und in die Türkei. Nachvollziehbar waren die Spuren zu acht Bekleidungsherstellern in Asien.

Diese Zwischenhändler sind: PT Kahatex in Indonesien, die Noam Group und die Jamuna Group in Bangladesch, sowie Nisha, Interloop, YBG, Sapphire und Mtmt in Pakistan. Sie liefern ihre Produkte an Marken wie Zara und H&M, so der Bericht. Und dort tragen sie oft ein Ökosiegel.

 

"Die Baumwolle, die wir mit dem Missbrauch von Landrechten und Umwelt in Bahia in Verbindung bringen konnte, ist zertifiziert als Better Cotton", so die Earthsight-Studie. "Das System konnte offensichtlich nicht verhindern, dass diese Baumwolle besorgte Verbraucher erreicht."

Das Ökosiegel Better Cotton haben die Modeindustrie und Naturschutzorganisationen wie der WWF 2009 eingeführt, um den sicheren Ursprung der Rohstoffe zu garantieren. Der Initiative zufolge gibt es in Brasilien 370 zertifizierte Agrarbetriebe in Kooperation mit dem heimischen Baumwollherstellerverband, Abrapa.

Fehlende Kontrolle über Lieferketten

Die Better Cotton Initiative hat der DW auf Nachfrage mitgeteilt, dass sie gerade eine umfassende unabhängige Prüfung der beteiligten Landwirtschaftsbetriebe abgeschlossen habe. Es brauche jetzt Zeit, die Ergebnisse zu analysieren und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen.

"Die (in der Studie) angesprochenen Punkte belegen den dringenden Bedarf an staatlicher Unterstützung, um die aufgedeckten Probleme anzugehen und sicherzustellen, dass gesetzliche Regelungen fair und wirkungsvoll umgesetzt werden", so die E-Mail von Better Cotton.

Auch die Bekleidungskette H&M hat reagiert. "Die Ergebnisse des Berichts sind äußerst besorgniserregend", heißt es in einer E-Mail an die DW, und das Thema werde sehr ernst genommen. "Wir sind im Gespräch mit Better Cotton bezüglich des Resultats der Untersuchung und der nächsten Schritte, die die Standard überprüfen und stärken sollen", so das Unternehmen weiter.

Fast Fashion zerstört Umwelt

Auch Zara hat der DW mitgeteilt, dass man "die Vorwürfe gegen Better Cotton äußerst ernst" nehme. Der Zertifizierer müsse das Ergebnis seiner Ermittlungen so bald wie möglich mitteilen. Am 10. April - einen Tag vor der angekündigten Veröffentlichung des Earthsight-Reports - forderte der Zara-Mutterkonzern Inditex von Better Cotton mehr Transparenz. Inditex schickte der Initiative einen auf den 8. April datierten Brief, in dem es Aufklärung über das Zertifizierungsverfahren verlangte. Inditex kauft Baumwolle nicht direkt bei Zulieferern, doch die Unternehmen, die sie herstellen, werden durch Zertifizierer wie Better Cotton geprüft.

Es gehe nicht nur um die Hersteller in Brasilien - auch europäische Unternehmen müssten zur Verantwortung gezogen werden, sagt Rubens Carvalho von Earthsight. Das sei Teil der Lösung, um die Abholzung und die Menschenrechtsverletzungen in rohstoffproduzierenden Ländern wie Brasilien zu beenden. "Der europäische Markt für Baumwolle ist noch immer kaum reguliert. Der Konsum muss reguliert und von den negativen ökologischen und menschlichen Auswirkungen entkoppelt werden", so Rubens Carvalho. "Wir brauchen strenge Vorschriften, die Verstöße bestrafen. Das erhöht den Druck auf die Produzenten."

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.