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Modis Bargeld-Reform als Sozial-Experiment

Fabian Kretschmer
14. November 2016

Premierminister Modis Schocktherapie zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft und Korruption trifft Indiens Unterschicht am härtesten. Die Bargeldengpässe werden bis weit in den Dezember anhalten.

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Ansturm auf Bankschalter in Indien (Foto: picture-alliance/Pacific Press/A. Deep)
Bild: picture-alliance/Pacific Press/A. Deep

Die schlagartige Bargeldreform mit dem Zwang zum Umtausch beziehungsweise zur Einzahlung eines riesigen Bargeldvermögens in Indien hat sich zu einem sozialen Experiment entwickelt, dessen Ausgang kaum absehbar ist. Unter Tränen stellte sich Premierminister Narendra Modi am Sonntag vor die Fernsehkameras und appellierte an sein Volk, den Bargeldengpässen weitere 50 Tage zu trotzen.

Einige seiner Landsleute mussten unterdessen die Maßnahme mit dem Tod bezahlen: In einem Mumbaier Vorort ist ein Neugeborenes verstorben, nachdem der Arzt die Behandlung verweigert hatte, weil die Familie nur in alten, ungültigen Rupien Noten hätte zahlen können. Eine 55-jährige Frau in Hyderabad hatte sich bereits Dienstagnacht erhängt, weil sie in der ersten Hysterie ihre langjährigen Ersparnisse fälschlicherweise für wertlos glaubte. Im Bundesstaat Kerala sind zwei Männer in der Warteschlange vor einer Bankfiliale unter der südindischen Sonne zusammengebrochen und gestorben.

Mann mit zwei der neuen 2000-Rupien-Scheine (Foto: Reuters/J. Dey)
Frisch, aber nicht fälschungssicherBild: Reuters/J. Dey

Hälfte der Inder ohne Bankkonto

Am Dienstagabend vergangener Woche hatte Narendra Modi in einer überraschenden Fernsehansprache sämtliche 500- und 1000-Rupien-Scheine für ungültig (umgerechnet 6,80 Euro und 13,60 Euro) erklärt. Er wolle damit die grassierende Korruption bekämpfen und Terrorbanden die finanzielle Grundlage entziehen, erklärte Indiens Premierminister. Insgesamt 86 Prozent aller Banknoten im Umlauf müssen nun bis zum Jahresende umgetauscht oder auf Bankkonten eingezahlt werden.

Allein in den letzten vier Tagen sind laut Angaben des Finanzministeriums umgerechnet Rupien im Wert von mehr als 41 Milliarden Euro zurückgegeben worden. In einigen Fällen gaben die Banken aus Mangel an Wechselgeld Münzen aus. Die "Times of India" berichtete von einem Bankkunden in der westindischen Stadt Ahmedabad, der mehrere Plastiksäcke, prall gefüllt mit 10 Rupien Münzen (13 Cent), bei sich trug.

Noch am Sonntag führten die meisten Bankautomaten in der indischen Hauptstadt entweder kein Bargeld oder waren geschlossen. Sie müssen zur Ausgabe der neuen Scheine technisch umgerüstet werden, was etwa zwei bis drei Wochen dauern werde, wie Finanzminister Arun Jatley mitteilte. Vor den Bankfilialen standen bereits vor deren Öffnung mehrere hundert Wartende an. Trotz des Ausnahmezustandes sind die Banken am Montag wegen eines religiösen Feiertages weiterhin geschlossen. Die Regierung rechnet damit, dass die Bargeldengpässe bis weit in den Dezember reichen werden. Laut Daten der Zentralbank von Indien kommt auf 9500 Inder lediglich eine Bankfiliale. Vor allem im Nordosten des Landes sind ganze Landstriche ohne Bankfilialen. Laut einer Schätzung der Weltbank von 2014 besitzt rund die Hälfte aller Inder kein eigenes Bankkonto.

Die Oberschicht hingegen kann sich mit ihren Kreditkarten durch den Alltag manövrieren. Außerdem hat sich in den urbanen Zentren des Landes, allen voran in der Hauptstadt Delhi, längst ein reger Schwarzmarkt entwickelt, auf dem alte Banknoten anonym mit einem Preisaufschlag von 15 Prozent eingetauscht werden können.

Bankmitarbeiter zählen alte 500-Rupien-Scheine (Foto: Reuters/M. Gupta)
Schmiermittel der indischen Wirtschaft: Alte 500-Rupien-Scheine werden gezählt Bild: Reuters/M. Gupta

Erstes Falschgeld aufgetaucht

Die Regierung hat unterdessen neue 500-Rupien-Noten und als neuen Wert eine 2000-Rupien-Note eingeführt. Die Geldscheine unterscheiden sich jedoch lediglich im Design von den mittlerweile ungültigen 500- und 1000-Rupien-Scheinen. Für neue Sicherheitsmerkmale sei schlicht keine Zeit gewesen, räumte ein hochrangiger Regierungsbeamter gegenüber der Tageszeitung "The Hindu" ein. Tatsächlich wurde bereits das erste Falschgeld konfisziert. Im südindischen Karnataka wurde einem Gemüsehändler eine Blüte untergeschoben, ein fotokopierter Geldschein, ausgeschnitten mit einer Schere.

Die derzeitige Regierungspartei BJP hatte noch vor nicht allzu langer Zeit die negativen Folgen einer radikalen Bargeldreform betont. Bereits im Jahr 2014 plante die damalige indische Regierung, alle vor 2005 gedruckten Geldscheine einzuziehen. Damals kam die größte Kritik ausgerechnet von der BJP, die noch auf den Oppositionsbänken saß. Parteisprecherin Meenakshi Lekhi bezeichnete die Bargeldreform als Versuch, ein viel grundlegenderes Problem zu verschleiern: Dass die korrupten Eliten des Landes ihr Geld außer Landes bringen. "Die Leute mit Schweizer Bankkonten werden nicht davon betroffen sein. Es trifft vor allem diejenigen, die nicht einmal in Indien ein Konto haben", sagte Lekhi.