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Moldawien nach der Wende, die nicht stattfand

Thomas Franke13. Oktober 2005

Die oppositionelle Jugendbewegung in Moldawien setzt auf den Marsch durch die Institutionen. Vor einer Revolution wie in der Ukraine oder in Georgien schreckt sie zurück.

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Geschickter Taktiker: Präsident Vladimir VoroninBild: dpa

Erst Serbien, dann Georgien und die Ukraine. Der Reihe nach kippten in den vergangenen Jahren autoritäre Regime unter dem Druck friedlicher Revolutionen. Als dann auch noch - völlig unerwartet, allerdings nicht ohne Gewalt - kurz nach den Ereignissen in der Ukraine die Machthaber im zentralasiatischen Kirgisien davongejagt wurden, glaubten viele, die Welle der Befreiung in Osteuropa sei unaufhaltsam und würde auch das kleine Nachbarland der Ukraine - Moldawien - erfassen. In dem ärmsten Land Europas standen Parlamentswahlen bevor. Doch es ist anders gekommen, eine Wende in Moldawien blieb aus.

Studentenproteste verliefen im Sand

Entspannt sitzen die Menschen auf Bänken im Park. Große Platanen spenden Schatten, an Buden gibt es Brause und Bier. Lotterieverkäufer preisen Lose an. Auf der Bühne vor dem Präsidentenpalast in Chisinau springen Tänzer im Kreis, schlagen Räder, fassen sich an den Händen, drehen sich, immer schneller. Dort, wo die Bühne steht, protestierten im vergangenen Frühjahr Studenten gegen Benachteiligungen bei der anstehenden Parlamentswahl: Sie sollten nicht am Studienort wählen, sondern in ihren Heimatort fahren, um dort ihre Stimme abzugeben. Für viele war das eine kostspielige und aufwändige Hürde. Am ersten Tag kamen mehr als Tausend Studenten zu den Protesten, bald danach nur noch einige Hundert, zum Schluss stand nur noch ein kleines Grüppchen vor dem ausladenden grauen Regierungsgebäude. Den Studenten war von den Dozenten gesagt worden, sie dürften keinesfalls die Vorlesungen versäumen. Die Studenten gehorchten, die Proteste verliefen im Sand.

Angel Agache, 29 Jahre alt, ist promovierter Ökonom und war einer von ihnen. Ein goldenes Kreuz guckt aus dem Kragen seines Polohemdes hervor. Man müsse nicht unbedingt eine orangefarbene oder eine Rosenrevolution machen, um einen Machtwechsel herbeizuführen. Das hätte nur zu Unruhen in Chisinau und in ganz Moldowa geführt. Am Wahltag hätten sie die Erlaubnis gehabt, Kundgebungen und Proteste gegen die Regierung durchzuführen. Die Mehrheit der Leute wäre wohl auf den zentralen Platz in Chisinau gekommen und hätte an den Protesten teilgenommen. "Aber die Kommunisten hatten vorsichtshalber in jedem Bezirk einige Hundert Leute rekrutiert. Die wären an diesem Tag nach Chisinau zu der Kundgebung gekommen und die hätten uns unterwandert. Die Kommunisten haben Geld und die Verwaltung hinter sich, sogar die Meinungsforschungsinstitute. Mit denen wollten wir es nicht aufnehmen."

Anpassungsfähiger Präsident

Zudem war Präsident Wladimir Voronin klüger als seine Amtskollegen in der Ukraine und in Georgien. Das Schicksal der dortigen Machthaber vor Augen, sorgte er für weitgehend ordnungsgemäße Wahlen. Der Anlass für Massenproteste fiel damit weg. Voronin ist zugleich Vorsitzender der regierenden Kommunistischen Partei. Rechtzeitig vor der Wahl hatte er auf einmal Reformen befürwortet, Russland den Rücken gekehrt und für eine Annäherung Moldawiens an Westeuropa plädiert. Die Kommunisten wurden mit 46,1 Prozent wieder gewählt - ganz ohne Wahlfälschungen.

Die Oppositionsbewegungen brauchen Geld. Kleine und mittlere Unternehmer, deren Geschäfte unter dem korrupten System leiden, sind ihre natürlichen Verbündeten. Michail Skakun ist ein solcher Kleinunternehmer. Der 46-Jährige handelt mit Saatgut. "Wenn ich reich wäre, würde ich den jungen Leuten noch mehr Geld geben", sagt er. "Leider laufen meine Geschäfte nicht besonders. Wir Unternehmer müssen diese Jugendorganisation unterstützen, denn wir wollen, dass uns neue Leute regieren." Präsident Voronin sei kein Reformer, beteuert Skakun. Doch selbst die Oppositionellen, die vor der Wahl gegen die regierenden Kommunisten waren, haben den Präsidenten nach der Wahl im Amt bestätigt.

Angel Agache und Michail Skakun haben nach der Parlamentswahl im Frühjahr das Jugendforum "Neues Moldawien" gegründet. Aus dem Forum soll nun auch eine Partei werden. Junge, unverbrauchte Eliten sollen Schwung in die Parteienlandschaft bringen und so den Wechsel herbeiführen. Angel Agache wurde zum Parteivorsitzenden gewählt, der 46-jährige Skakun zum stellvertretenden Vorsitzenden der Jugendorganisation.

"Revolution nicht der geeignete Weg"

In Moldawien setzt man auf Funktionen und hergebrachte Strukturen. Oleg Tulea ist 25 Jahre alt und leitet die Jugendorganisation der oppositionellen Demokratischen Partei Moldawiens. Seit den Wahlen im Frühjahr sitzt er im Parlament. Er trägt ein schwarzes T-Shirt und Jeans. Über einem Garderobenständer hängen Hemd, Sakko und Krawatte. Vor der Wahl hätten sie kurz darüber diskutiert, so etwas wie die ukrainische Bewegung "Pora" (s. Artikel: "In der Ukraine verschont die Revolution ihre Kinder") zu gründen, erzählt der Nachwuchspolitiker. Dann hätten sie aber davon abgesehen. Auch Juschtschenko könne die Ukraine nicht im Alleingang verändern. "Wenn du systematische Veränderungen in einem Land willst, dann musst du systematisch vorgehen. Ich glaube, eine Revolution ist dafür nicht der geeignete Weg."