Mongolische Nomaden ohne Zukunft
Die Dukha leben traditionell als Rentierhirten im Norden der Mongolei. Aufgrund einer Naturschutzverordnung der Regierung gegen illegales Jagen fürchten die Dukha nun um ihre Identität als Nomaden.
Raues Gebirge
Das Nomadenvolk der Dukha lebt in den Wäldern des an Russland grenzenden Sajangebirges. In der Tradition ihrer Vorväter betätigen sich die Dukha seit Jahrhunderten als Rentierhirten, Jäger und Sammler. Erdenebat Chuluu ist einer von ihnen: "Es ist unser Wille, die Tradition der Rentierhaltung, so wie unsere Vorfahren sie betrieben, aufrecht zu erhalten", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.
Kapital Rentier
In dem zwischen Russland und China liegenden Binnenstaat leben nomadische Familien traditionell von der Viehzucht, die ihren gesamten Besitz ausmacht. Rentiere sind gut an die Bedingungen in der felsigen und verschneiten Umgebung angepasst. Das ermöglicht es den Dukha, den politischen Unruhen zu entgehen, von denen die Menschen im Tiefland im Laufe der Geschichte immer wieder heimgesucht wurden.
Abgeschiedenheit
Tsagaannuur ist das nächstgelegene Dorf für die Rentierhirten, die in den Wäldern leben. Es wurde in der 1924 beginnenden Phase der sowjetischen Besetzung der Äußeren Mongolei gegründet, um ein Fischerei-Kollektiv zu unterstützen. Auch viele Dukha waren bis zum wirtschaftlichen Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1990 dort beschäftigt. 1992 führte die Mongolei die Marktwirtschaft ein.
Vom Weideland zum Nationalpark
Eine aus der Sowjet-Zeit stammende Jagd-Quote zur Erhaltung des Wildbestandes geriet in den 90er Jahren in Vergessenheit. Nomaden erbeuteten Unmengen an Rotwild für den chinesischen Markt; die Arten wurden bedrohlich dezimiert. Zum Schutz des Ökosystem machte die Mongolei 2012 einen Großteil des traditionellen Weidelandes der Dukha zum Nationalpark und gab ihnen vor, wohin sie wandern dürfen.
Kulturelle Identität
Die Regierung zahlt den Hirten eine monatliche Entschädigung für die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit. Die Dukha fürchten aber nicht nur finanzielle Verluste, sondern auch um ihre Identität. “Es fühlt sich an, als hätten wir etwas verloren, weil wir nicht überall in diesem Land umherziehen können, das uns von unseren Ahnen übergeben wurde," sagt der 26-jährige Naran-Erdene Bayar.
Zusammenhalt
Das Zusammenleben in der Familie und die Bewahrung von Traditionen spielen eine große Rolle in der Gemeinschaft der Dukha. Sie bringen ihren Kindern alles bei, was sie im Leben für wichtig erachten. Während die Nomaden früher komplett isoliert lebten, geht es in den Zeltlagern heute schon moderner zu: Telefone und Fernseher verbinden die Dukha mit der Außenwelt.
Schamanische Tradition
Die ursprüngliche Religion der mongolischen Nomaden ist der Schamanismus. Schamanische Elemente spielen dort auch heute eine große Rolle. Darüber wie es ist, ein Schamane zu werden, sagt Kyzyl-ool: "Am Anfang dachte ich oft, warum ich? Ich mochte es nicht, diese Geister in mir zu tragen, aber ich kann nichts daran ändern, weil ich auserwählt wurde."
Pasta Mongolaise
Die Frauen kochen in den tipi-ähnlichen Zelten Essen für die Familie. Nomadenvölker wie die Dukha ernähren sich von Wildtierfleisch und Mehlprodukten wie Teig, aus dem sie Knödel herstellen oder eine regionale Art von Pasta. Als Selbstversorger leben sie zum großen Teil direkt von den Erzeugnissen ihrer Rentiere. Sie verarbeiten ihre Milch zu Käse, Joghurt oder Milch-Tee.
Schmuck aus Wolfsknochen
Mittlerweile gibt es nur noch etwa 40 Dukha-Familien. Wörtlich übersetzt bedeutet Dukha "die Menschen, die Rentiere haben". Rotwild zu jagen steht für sie nun unter Strafe. Um mit Touristen Geld zu verdienen, töten die Dukha Wölfe. Aus ihren Knöcheln stellen sie Schmuck her, der in der Siedlung von Ulaan-Uul verkauft wird. Das sei lukrativer als die Rentiere zu hüten, sagt Purevjav Roslov.
Die Sprache bleibt weg
Die Sprache der Dukha, die zu den Turksprachen gehört, ist vom Aussterben bedroht. Die Rentierhirten leben mitunter halbnomadisch und schicken ihre Kinder in die Schule. Die jüngeren Generationen haben tuwinisch schon nicht mehr gelernt. "Ich bedaure es, dass ich die traditionelle Sprache meiner Eltern nicht sprechen kann", sagt ein Schüler zu seiner Lehrerin.
Bewahrung des Erbes
Die Generation der 35 bis 40-jährigen ist die letzte, die die ursprüngliche Muttersprache der Dukha noch beherrscht, erklärt die Linguistin Elisabetta Ragagnin von der Dorfschule in Tsagaannuur. Gemeinsam mit der Schulleiterin schreibt sie an einer Grammatik und Textbüchern, damit die traditionelle nomadische Sprache in den neuen Generationen nicht weiter in Vergessenheit gerät.