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Morales will Koka-Anbau ausweiten

22. Dezember 2005

Jetzt ist es ganz sicher: Evo Morales hat die Präsidentschaftswahlen in Bolivien gewonnen. Damit wird zum ersten Mal ein Indio Präsident des Landes. Morales selbst hatte sich mal als "Albtraum" der Amerikaner bezeichnet.

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Der neue bolivianische PräsidentBild: AP

Er entschied die Wahl zum Staatschef am vergangenen Sonntag mit 54,1 Prozent der Stimmen für sich. Das gab die Wahlkommission am Mittwoch (21.12.2005) nach Auszählung von 93 Prozent der Stimmen bekannt. Sein konservativer Gegenkandidat, der frühere Präsident Jorge Quiroga, kam demnach auf 28,6 Prozent. Der Unternehmer Samuel Doria Medina erlangte den Angaben zufolge 7,8 Prozent der Stimmen. Hochrechnungen hatten den linksgerichteten Morales schon am Tag der Wahl bei über 50 Prozent gesehen.

Wahlkampfthema Koka-Anbau

Der Kampf der USA gegen die Drogen hatte einen unerwarteten Nebeneffekt erzielt: Der Koka-Anbau spielte eine große Rolle im bolivianischen Wahlkampf und trug zum deutlichen Sieg des Sozialisten Evo Morales bei. Der erste Indio, der an die Spitze des südamerikanischen Landes rückt, ist selbst Kokabauer und kündigte nun an, er werde eine Vergrößerung der Anbaufläche prüfen lassen, um dem traditionellen und legalen Konsum zu gewährleisten. Zugleich versicherte Morales, es werde keinen unbegrenzten Anbau geben. Bolivien ist nach Kolumbien und Peru der weltweit drittgrößte Produzent der Pflanze, aus der Kokain hergestellt wird. In dem Andenstaat werden Koka-Blätter aber auch von den bitterarmen Menschen gekaut, um den Hunger zu bekämpfen. Außerdem finden sie Verwendung in religiösen Zeremonien und für die Zubereitung von Medizin und Tee.

Beziehungen zu den USA

Der von Morales geführte Kampf gegen ein Verbot des Koka-Anbaus mobilisierte die indianische Mehrheitsbevölkerung. Zusammen mit wachsendem Unmut über die allgemeine Verarmung und die politische Vorherrschaft einer reichen weißen Elite führte dies schließlich zu einer politischen Bewegung, die jetzt Erfolg hatte: Noch nie in der 180-jährigen Geschichte Boliviens war ein Indio Präsident.

Die USA haben sich bislang nur zurückhaltend über den künftigen Präsidenten geäußert. US-Außenministerin Condoleezza Rice sagte dem Sender CNN, das Verhalten der neuen Regierung in La Paz werde über die Beziehungen mit Washington entscheiden. Die Vereinigten Staaten unterhielten in Lateinamerika gute Beziehungen mit Politikern "quer durch das politische Spektrum" - wobei zwei Verbündete von Morales, Fidel Castro in Kuba und der Venezolaner Hugo Chavez, offenbar aus dem Spektrum herausfallen.

Verstaatlichung der Gasvorkommen

Morales versprach wirtschaftliche Stabilität. Die sofortige Verstaatlichung der Gasvorkommen lehnte er ab. Er kritisierte Gruppen, die von ihm die Verstaatlichung der Gasfelder innerhalb von 90 Tagen nach seinem Einzug ins Präsidentenamt verlangen. Zu kurze Fristen würden nur den reichen Eliten in die Hände spielen, erklärte der Politiker. Sein Wahlsieg gebe ihm mehr Zeit. "Wir haben für 50 Jahre gewonnen", sagte Morales. Morales kündigte kurz nach seinem Sieg erste Schritte zur Verstaatlichung der Gasvorkommen an, die die zweitgrößten in Südamerika sind. Vor allem die indianisch-stämmige Bevölkerungsmehrheit kritisiert, dass sie bisher kaum von den Gewinnen aus der Gasförderung profitiert.

"Friedliche Revolution"

Die Pariser Tageszeitung "Le Monde" nannte die Wahl Evo Morales' "eine Art friedliche Revolution". Morales werde sich aber sehr anstrengen müssen, um ein Minimum an Stabilität herstellen zu können. "Auch wenn er – zumindest am Anfang – auf die Unterstützung der Gewerkschaften zählen kann, deren Anführer er war." Auch die französische Tageszeitung "Libération" sieht den Wahlsieg optimistisch. Der Wahlsieg sei, allein von Deutlichkeit her, schon ein Grund zur Hoffnung in einem Land, das bislang Rekordhalter bei Staatstreichen gewesen sei. "Er [Morales] muss nun beweisen, dass Bolivien und ganz Lateinamerika eine neue Ära der Entwicklung und des sozialen Fortschritts aufschlagen können, ohne dabei in Populismus und reine Eingeborenen-Politik abzudriften." (chr)