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Konflikt zwischen Moskau und dem Europarat

Jegor Winogradow / Markian Ostaptschuk10. April 2014

Russische Menschenrechtler warnen vor den Folgen der Spannungen zwischen Russland und dem Europarat wegen der Ukraine-Krise. Für russische Bürger könnte es schwieriger werden, ihre Rechte in Straßburg zu verteidigen.

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Blick in den Plenarsaal des Europarates (Foto: REUTERS/Vincent Kessler)
Bild: Reuters

Die Verschlechterung in den Beziehungen zwischen Moskau und dem Europarat könnte sich auf die Zusammenarbeit Russlands auch mit anderen Strukturen der Organisation negativ auswirken, warnen russische Menschenrechtler. Vor allem wäre der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg betroffen. Seine Zuständigkeit erstreckt sich auf alle Mitgliedsstaaten des Europarates, die die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ratifiziert haben.

Wegen der Ukraine-Krise hat die Parlamentarische Versammlung des Europarates den russischen Abgeordneten vorläufig das Stimmrecht entzogen. Das entschied die Versammlung am Donnerstag (10.04.2014) in Straßburg. In der Debatte wurde die Annexion der Krim als Verstoß gegen internationales Recht scharf verurteilt. Die Sanktion gilt bis Ende des Jahres. Eine weitergehende Forderung, die 18 russischen Abgeordneten komplett auszuschließen, wurde jedoch zurückgewiesen.

Viele Russen suchen Hilfe in Straßburg

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (Foto: JOHANNA LEGUERRE/AFP/Getty Images)
Tausende Russen wenden sich jährlich an den Europäischen Gerichtshof für MenschenrechteBild: Getty Images

Gerade aus Russland kommen die meisten Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. "Russische Bürger reichen jährlich rund 40.000 Beschwerden ein. Das ist eine traurige Statistik", sagt Walentin Mojsejew vom "Zentrum für internationalen Rechtsbeistand" im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Anwälte der Bürgerrechts-Organisation verteidigen Opfer von Menschenrechtsverletzungen vor internationalen Institutionen, darunter auch vor dem Europäischen Gerichtshof.

Nach Angaben von Mojsejew müssen sich die Anwälte am häufigsten mit Fällen befassen, die Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention beträfen. Darin gehe es auch um den Schutz der Bürger vor Folter und Polizeiwillkür. Eine erhebliche Anzahl von Russen beklage sich in Straßburg auch wegen "unfairer Gerichtsverfahren".

Erfolgreiche Klagen russischer Rentner

Die Anwältin der Moskauer Helsinki-Gruppe, Irina Sergejewa, weist ferner auf zahlreiche Beschwerden hin, in denen es um Fälle geht, wo die russischen Behörden ihren Verpflichtungen nicht nachkommen - beispielsweise bei der Bereitstellung von Wohnraum für Militärangehörige sowie bei Rentenzahlungen.

Sergejewa kann hier von erfolgreichen Klagen berichten. Rentner aus Russland hatten geklagt, weil ihnen die Renten nicht vollständig ausgezahlt wurden, sodass sie nicht einmal die Nebenkosten ihrer eigenen Wohnung bezahlen konnten. In den Fällen, so Sergejewa, seien die russischen Gerichte auf der Seite der Regierung gewesen. Erst nach dem Anruf des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hätten die russischen Kläger ihr Recht durchsetzen können.

Urteile werden unzureichend umgesetzt

Allerdings gebe es große Probleme bei der Umsetzung der Straßburger Urteile in Russland, bedauern die Menschenrechtler. Walentin Mojsejew vom "Zentrum für internationalen Rechtsbeistand" sagte, die russischen Behörden würden zwar Entschädigungen zahlen, aber sie würden die Verstöße gegen die Bürgerrechte nicht beseitigen, die zu den Klagen geführt hätten. "Es entsteht der Eindruck, dass die russischen Behörden sich mit den Entschädigungen von ihren Bürgern einfach loskaufen wollen", sagte die Anwältin der Moskauer Helsinki-Gruppe, Irina Sergejewa.

Trotz dieser Schwierigkeiten habe der Straßburger Gerichtshof für die Menschen in Russland große Bedeutung, meinen die Experten. Mojsejew betont, er helfe, in Russland einen Rechtsstaat aufzubauen. Denn es sei auch dessen Aufgabe, auf Unzulänglichkeiten hinzuweisen, die in einem Staat und in dessen Rechtsordnung bestünden.

Den Russen nicht die Hoffnung nehmen

Portrait von Ljudmila Alexejewa (Foto: DW)
Ljudmila Alexejewa: Russland muss Mitglied des Europarates bleibenBild: DW

Die Menschenrechtler rechnen damit, dass vor allem die russischen Bürger unter einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen Moskau und dem Europarat leiden würden. Für diejenigen, die sich an den Gerichtshof in Straßburg gewandt hätten, sei dieser Schritt die letzte Hoffnung auf Gerechtigkeit gewesen, sagte Irina Sergejewa. Diese Hoffnung dürfe man den Menschen nicht nehmen.

Die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe, Ljudmila Alexejewa, ist überzeugt: Sollte die Zusammenarbeit zwischen Russland und den europäischen Institutionen wie dem Europarat beendet werden, würden die Russen die Hoffnung verlieren, dass ihr Land ein vollwertiger Teil Europas wird. "Russland kann sich Europa nur annähern, wenn es Mitglied im Europarat bleibt", so die Menschenrechtlerin.