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Mr. McCain, ich bin bereit!

18. September 2008

Die Gouverneurin von Alaska zur Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner zu machen, entspricht dem amerikanischen Traum: Jeder kann alles werden. Christina Bergmann hat schon mal ein Bewerbungsschreiben verfasst.

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Bild: DW

Lieber John,

eine Hockey-Mum aus Alaska könnte die mächtigste Frau der Welt werden! Ich bin begeistert davon, wie einfach und unkompliziert Sie bei der Wahl ihrer Stellvertreterin vorgegangen sind. Ich habe daher alle parteipolitischen Überlegungen über Bord geworfen und beschlossen, mich unverzüglich mit einem Angebot an Sie zu wenden, das Sie nicht ablehnen können.

Fernschreiber Christina Bergmann

Ich weiß, Sie sind im Moment sehr glücklich mit Ihrer besseren Hälfte. Aber wie wir ja alle wissen, liegt die Chance bei nahezu 50 Prozent, dass eine frisch geschlossene Ehe wieder geschieden wird. Deswegen möchte ich Ihnen, sollten Sie sich von Sarah Palin noch vor dem 4. November trennen müssen, eine Alternative vorschlagen: Mich.

Was mich für das Amt der Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika qualifiziert, erkläre ich Ihnen gerne: Zunächst einmal, und das ist bei Ihrer Wahl ja zweifelsohne das wichtigste Kriterium gewesen: Auch ich bin eine Frau. Ich trage zwar keine Brille und für diesen pseudo-sexy-Sekretärinnen-Look, bei dem die alten Herren in Ihrer Partei in Ekstase geraten, fehlt mir noch die nötige Haarlänge. Aber ich bin sicher, mein Friseur Zack kann mit ein paar Extensions schnell Abhilfe schaffen. Und eine Brille aus Fenstergläsern ist gar kein Problem.

Umfangreiche außenpolitische Erfahrung

Eine konkrete Aufgabenbeschreibung für die Vizepräsidentin gibt es ja offensichtlich nicht. Sarah Palin jedenfalls konnte noch vor zwei Monaten keine Auskunft darüber geben. Dennoch möchte ich betonen, dass ich in vielen Bereichen wesentlich besser qualifiziert bin, als sie. Da wäre zunächst die Außenpolitik: Ihre derzeitige bessere Hälfte hat ihren Pass erst seit einem Jahr – ich dagegen den meinen schon mehrere Jahrzehnte – und dabei sind wir nahezu gleich alt. Ich habe, anders als sie, seit meiner Kindheit die verschiedensten europäischen Länder bereist. Das verspricht beste Beziehungen zur EU. Geboren bin ich in Berlin, das heißt, um die deutsch-amerikanischen Beziehungen brauchen Sie sich keine Sorgen mehr zu machen. Sollten Sie, lieber John, den einen oder anderen Krieg planen, werde ich dafür sorgen, dass die Preußen nicht noch einmal quer schießen.

Kanada habe ich auch bereist (und bin absolut dafür, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA nicht anzurühren) und habe eine Woche in einer mexikanischen Ferienanlage verbracht (die Beziehungen zu Ihren südlichen Nachbarn würden unter meiner Vizepräsidentschaft also wieder neuen Schwung bekommen). Die russische Seele kenne ich in und auswendig, denn ich habe Russland nicht nur gesehen, wie die Gouverneurin von Alaska von einer ihrer Inseln. Ich habe regelmäßig den russischen Sektor von Deutschland bereist! Sie sehen also, lieber John, dass meine außenpolitische Erfahrung kaum zu überbieten ist.

Innovative Wirtschaftspolitik

Da Sie, lieber John, ja bereits zugegeben haben, dass Sie von Wirtschaft nicht allzu viel verstehen, würde ich Ihnen dort gerne aushelfen: Ich besitze drei Kreditkarten und mehrere Bankkonten auf zwei Kontinenten, ein Bankschließfach und habe auch schon in die New Yorker Börse geschaut. Die derzeitige Bankenkrise löse ich also mit frischem Mut so ganz nebenbei.

Ich bin auch nicht vom Washingtoner Klüngel infiziert, da ich zwar in der Hauptstadt arbeite, aber jeden Abend nach Hause zu meiner Familie in Maryland fahre. Und zwar mit der U-Bahn. Die USA vom ausländischen Öl unabhängig zu machen würde mir also eine Herzensangelegenheit sein.

Es gibt nur ein kleines Problem: Die Staatsangehörigkeit. Sie wollen ja sicher nicht, dass, sollte Ihnen etwas passieren – was wir natürlich nicht hoffen wollen – der Sprecher des Repräsentantenhauses die Führung des Landes übernimmt, weil ich nicht in den USA geboren bin. Im Moment wäre das Nancy Pelosi, wie Sie wissen. Aber da mache ich mir keine Sorgen. Denn noch ist mein Vorgänger ja im Amt, und ich vertraue ganz fest darauf, dass Dick Cheney keine Mühe damit haben wird, mir nicht nur eine amerikanische Geburtsurkunde zu besorgen, sondern auch eine wasserdichte amerikanische Ahnenreihe, die mindestens bis zum Jahr 1776 zurückreicht.

Denken Sie an mich, wenn es Ernst wird!

Ihre Christina Bergmann