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Politik

Mr. Speaker bringt Mays Pläne zu Fall

Barbara Wesel z. Zt. London
19. März 2019

Ohne Vorwarnung wirbelte Speaker John Bercow den Brexit-Deal von Theresa May durcheinander: Eine dritte Abstimmung über die gleiche Vorlage sei nicht erlaubt. Damit ist ihre Strategie vorerst hinfällig.

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Großbritannien Parlament Brexit Abstimmung John Bercow
Bild: picture-alliance/empics

Auch für Kenner der endlosen Windungen und Tücken des Brexit kam die Stellungnahme von Speaker John Bercow am Montagnachmittag total unerwartet. Der Mann, der mit seinen sonoren "Order"-Rufen weltweite Berühmtheit erlangte, steckte den Stock in die Speichen von Theresa Mays Brexit-Strategie: Eine dritte Abstimmung über die gleiche Vorlage im Parlament sei nicht erlaubt. Die Präzedenzfälle dafür gingen bis ins Jahr 1604 zurück. Eine Wiedervorlage sei nur möglich, wenn der Brexit-Deal substantiell verändert wäre. 

Zorn bei der Regierung und Suche nach Auswegen

Theresa May sei fuchsteufelswütend über diese Intervention, wurde berichtet. Sie sagte eine geplante Stellungnahme im Parlament umgehend ab. Die Premierministerin brauchte Zeit, ihren nächsten Schritt zu planen. Erzürnte Brexeteers sprachen von einer Anmaßung Bercows, der sich in Politik einmische und seine Befugnisse überschreite.

Regierungsnahe Stimmen beschuldigten Bercow, er sei gegen eine kurze Verlängerung des Brexit-Datum: "Man glaubt, was er wirklich will, ist eine längere Frist, in der das Parlament das Verfahren übernimmt und einen weicheren Brexit erzwingt".

Theresa May hatte nämlich zuvor deutlich gemacht, dass sie ohne die Zustimmung des Parlaments zum Austrittsvertrag um eine längere Frist bitten würde, mit dem Votum dagegen nur um eine kurze technische Verlängerung. Aber sie hat schon früher vom einen Tag auf den nächsten ihre Meinung geändert - sie könnte das natürlich erneut tun.

Großbritannien London Parlament Brexit
Mit oder ohne Zustimmung des Parlaments: Theresa May will Antrag auf Verlängerung stellenBild: picture-alliance/dpa/House Of Commons

Ein Staatssekretär im Brexit-Ministerium bestätigte umgehend, May werde jetzt an den Präsidenten des europäischen Rates einen Brief schreiben und um eine Nachfrist bitten. Den Zeitraum ließ er offen.

Generalanwalt Robert Buckland, der Rechtsgutachter der Regierung, sprach von einer konstitutionellen Krise und bot einen Ausweg an. Das Verbot der mehrmaligen Abstimmung gelte nur innerhalb einer Sitzungsperiode. Man könne also einfach das Parlament vorzeitig auflösen und nach einer Frist neu zusammenrufen. Aber dieses Ereignis ist traditionell ein feierliches Ereignis, begleitet von  einer Rede der Queen. Technisch mag das also möglich sein, politisch ist es eher schwer vorstellbar.

May fehlt weiter die Mehrheit

Auch ohne Bercows Schuss aus dem Hinterhalt hätte May vermutlich weder wie geplant am Dienstag  noch am Mittwoch den Brexit-Deal zur erneuten Abstimmung gebracht. Die nordirische DPU, ihr Mehrheitsbeschaffer im Unterhaus, hatte signalisiert, man sei noch nicht bereit, zuzustimmen.

Außerdem hatten am Montag 23 harte Brexiteers unter den Konservativen angekündigt, sie würden unter keinen Umständen ihre Meinung zu dem Deal ändern. Zuletzt hatte das Parlament ihn vor knapp einer Woche mit 149 Stimmen abgelehnt. Der Premierministerin fehlt also weiter die Mehrheit für den Austrittsvertrag, der von den Hardlinern längst regelrecht dämonisiert wird.

Theresa May hatte wohl darauf gesetzt, den Widerstand durch Ermüdung langsam klein zu mahlen. Auf die dritte Abstimmung hätte ein vierter Versuch in der nächsten Woche folgen sollen, so ging das Gerücht, zwei oder drei Tage vor dem drohenden Brexit. Es wäre die ultimative Erpressung. Der hat Bercow jetzt wohl den den Boden entzogen.

Brexit später, weicher oder gar nicht mehr?

Wenn die Premierministerin jetzt um eine Verlängerung bitten muss, ohne dass der Deal verabschiedet ist, hängt sie ganz vom guten Willen der EU ab. Ihre Möglichkeiten zum Handeln sind inzwischen ziemlich eingeschränkt. Dennoch muss sie Brüssel eine Art Plan vorlegen, was sie mit der gewonnenen Zeit machen will.

UK Unterhaus für Brexit-Verschiebung und drittes Votum über Abkommen | Jeremy Corbyn
Will immer noch Neuwahlen: Labour-Chef Jeremy CorbynBild: Reuters TV

Die konservative Fraktionsführerin Andrea Leadsom regte bereits an, man solle jetzt fraktionsübergreifende Gespräche zur Bewältigung der Krise führen. Die Labour Party allerdings sieht eher eine gute Gelegenheit, weiter auf Neuwahlen zu drängen. Und als zweitbeste Karte hat Jeremy Corbyn immer noch die Forderung nach einem zweiten Referendum in der Tasche - etwa in Form einer neuen Vorlage der Opposition: Labour wäre bereit, den Austrittsvertrag zu unterstützen um den Preis, dass er in einem zweiten Referendum den Bürgern vorgelegt wird. Die Alternative hieße dann: Mays Deal - oder in der EU bleiben.

Die Intervention von Speaker John Bercow hat das ganze Spiel zurück auf Null gesetzt. Alles ist wieder möglich, ein viel weicherer Kompromiss-Brexit oder kein Brexit, wenn er am Ende noch ganz abgesagt wird. 

Und wenn alles schief geht, könnte sogar Ende nächster Woche noch der Sturz über die Klippe eines harten Brexit, quasi als Unfall passieren. Das Unterhaus muss zuvor nämlich noch das EU-Ausstiegsgesetz ändern, mit dem der Brexit auf den 29. März 2019 festgeschrieben wurde. Dem hatten die Abgeordneten im vergangenen Jahr mit großer Mehrheit zugestimmt, als sie noch nicht ahnten, wie chaotisch und krisenhaft der Ausstieg aus der EU verlaufen würde.