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MSC 2024: Keine Sicherheit ohne den Globalen Süden

17. Februar 2024

Noch nie war die Münchner Sicherheitskonferenz so divers. Mehr Teilnehmende als je zuvor kommen aus Staaten des Globalen Südens - sie sollen die Kluft zwischen Norden und Süden schließen helfen. Ist das realistisch?

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Indien | Reisanbau in Suchate Garh
Reisanbau in Suchate Garh an der Grenze zu PakistanBild: Jaipal Singh/epa/dpa/picture alliance

Neue Visionen für eine globale Weltordnung: Das ist eine Leitlinie der 60. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Es sollen nicht Gewinnerstaaten auf der einen und Verliererstaaten auf der anderen Seite stehen, sondern alle profitieren von internationaler Kooperation.

Darum hat die Sicherheitskonferenz sich das Ziel gesetzt, besonders viele Vertreterinnen und Vertreter aus Ländern des sogenannten Globalen Südens einzuladen, also aus Staaten der südlichen Hemisphäre, die nicht zu den westlichen Industrienationen gehören. Ob aus Asien, Afrika oder Südamerika - bei fast allen Panels diskutieren Gäste mit, die ihrer Perspektive Gehör verschaffen. Kann das ein Schritt zu einer gerechteren Welt sein?

Für die ehemalige pakistanische Außenministerin Hina Rabbani Khar bedeutet mehr Teilhabe gleichzeitig mehr Chancen. "Früher waren es 60 bis 80 Jahre alte weiße Männer, die über Hardcore-Sicherheit geredet haben", sagt Rabbani Khar gegenüber der DW. "Wir reden immer noch über Hardcore-Sicherheit, aber wir tun es auf eine Art und Weise, die etwas vielfältiger ist", schmunzelt sie. Die Perspektive aus der eigenen Region sei entscheidend, um über alternative Strategien nachzudenken.

Deutschland | Münchner Sicherheitskonferenz | Hotel Bayerischer Hof, Ansicht des Haupteingangs mit davor geparkten schwarzen PKW
Hotel Bayerischer Hof - Ort der Münchner Sicherheitskonferenz: Früher überwiegend für alte weiße MännerBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

So sieht das auch die ehemalige Außenministerin Kenias, Raychelle Omamo. "Ich mag die Vielfalt und die Einsichten, die uns helfen, anders und aus einer globaleren Perspektive über Sicherheit nachzudenken", betont sie gegenüber der DW. Sie ist auch Mitglied des Advisory Council, des Beratungsgremiums der Sicherheitskonferenz - das heißt, sie bestimmt ihre Ausrichtung mit. "Je mehr Stimmen aus der ganzen Welt zu Wort kommen, desto spannender sind die Diskussionen und desto reichhaltiger sind die Lösungen."

Sicherheit betrifft auch Klimawandel und Wasserprobleme

Lösungen werden dringend gesucht: Im Mittelpunkt der Konferenz stehen natürlich die Kriege in Nahost und in der Ukraine - aber auch die Abkehr etlicher Länder des sogenannten Globalen Südens vom Westen. Eine weltweite Gefahr sind auch der Klimawandel und Migration als Folge von Umweltzerstörung. Sie gehören zu den dringendsten Themen der Weltbevölkerung und treffen Länder des Globalen Süden am härtesten.

Ein indonesisches Dorf versinkt im Meer

Sicherheit bedeute nicht mehr das, was wir bisher darunter verstanden haben, sagt Ambika Vishwanath. Sie ist Mitbegründerin und Vorsitzende der Kubernein Initiative, einer geopolitischen Beratungsfirma mit Sitz in Mumbai, Indien. "Es geht nicht mehr nur um Verteidigung und Militär. Es geht auch um Wasser, Nahrung, menschliche Gesundheit. Und all das ist miteinander verbunden", erklärt Vishwanath im Gespräch mit der DW. Es reiche nicht, dass mehr Menschen aus dem Globalen Süden auf internationalen Tagungen wie der Münchner Sicherheitskonferenz vertreten seien. Sie fordert, dass Themen diskutiert werden, die näher an der Lebensrealität seien - wie eben Klimawandel und Wasserprobleme. Darum lehnt sie den Begriff "Globaler Süden" ab, weil er suggeriere, dass diese Themen nicht alle Menschen betreffen: "Es geht nicht nur darum, wer hier redet, sondern darum, worüber geredet wird." Vishwanath kommt seit über zehn Jahren zur Konferenz und sie begrüßt, dass der Kreis der Teilnehmenden immer diverser wird. Aber der Wandel geht ihr nicht schnell genug.

Menschenrechte versus Sicherheitspolitik

Um den Kulturwandel zu beschleunigen, müsse man sich den Raum dafür selbst nehmen, meint Düzen Tekkal. Sie ist Publizistin und Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation Háwar.help, die unter anderem Projekte im Irak und Afghanistan betreibt. Und sie moderiert ein Panel zu sexualisierter Gewalt als Kriegswaffe - einem Thema, das auf der Sicherheitskonferenz in der Vergangenheit wenig Beachtung gefunden hat. "Es ist nichts Defizitäres, die Interessen des Globalen Südens vertreten zu sehen", sagt Tekkal der DW. "Wir im liberalen Westen profitieren von diesen Erfahrungswerten."

Aber nicht alle sind willkommen. Aus Prinzip laden die Organisatoren der Sicherheitskonferenz keine Vertreter und Vertreterinnen repressiver Regime ein. Das bedeutet aber keineswegs, dass alle Teilnehmenden eine weiße Weste tragen. Neben indischen und chinesischen Regierungsmitgliedern ist auch die umstrittene Premierministerin Bangladeschs angereist, Sheikh Hasina, der Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.

Deutschland | Münchener Sicherheitskonferenz | Bangladeschs Premierministerin Sheikh Hasina
Kürzlich zum fünften Mal wiedergewählt und jetzt bei der Münchner Sicherheitskonferenz: Bangladeschs Premierministerin Sheikh HasinaBild: Wolfgang Rattay/REUTERS

Saskia Bruysten kann das nicht nachvollziehen. Sie hat gemeinsam mit dem Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus das Sozialunternehmen Yunus Social Business in Bangladesch gegründet. Yunus wurde in Bangladesch zu einer Haftstrafe verurteilt, die Menschenrechtsaktivisten als politisch motiviert bezeichnen. "Ich finde es wichtig, dass Regierungen aus dem Globalen Süden hier vertreten sind, aber es ist auch schockierend, dass jemand wie Sheikh Hasina hier auf der Bühne steht und ihr applaudiert wird, während sie ihren einzigen Friedensnobelpreisträger Mohammad Yunus ins Gefängnis steckt." Nun müsse sie Yunus vertreten, klagt sie: "Der Dialog ist wichtig hier vor Ort, aber wir müssen auch die Menschenrechtsthemen ansprechen und öffentlich diskutieren - und nicht nur applaudieren."

Auch Düzen Tekkal glaubt, dass es nicht um Repräsentation allein gehen darf. Menschenrechtsthemen seien nicht ausreichend in die Debatten eingebunden und die Konferenz werde nach wie vor dominiert vom militärisch-industriellem Komplex. Hier gälte es anzusetzen: "Die Erfahrung hat gezeigt, dass diejenigen, die die Waffen liefern, aus dem Globalen Norden kommen, aber dass diejenigen, die sie kaufen, aus dem Globalen Süden sind. Und da ist immer die Frage: Wer ist verantwortlich für die Toten? Diejenigen, die schießen, oder diejenigen, die liefern?"