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MSC: transatlantischer Neustart?

19. Februar 2021

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wollen die Regierungschefs Biden, Merkel, Macron und Johnson einen Neuanfang in Sachen transatlantische Beziehungen machen - virtuell.

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Münchner Sicherheitskonferenz Logo
Bild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Die Corona-Pandemie hat aus der mehrtägigen persönlichen Begegnung zahlreicher Entscheidunsgträger aus aller Welt eine nur rund dreistündige virtuelle Veranstaltung gemacht. US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Boris Johnson werden sprechen, aber wegen der Form kaum Gelegenheit zum Austausch haben.

 

 

 

 

 

 

 

(Die Konferenz ist in englischer Sprache. Sie können sie hier um 16 Uhr MEZ als YouTube-Video sehen.)

"Wenn das eine normale Sicherheitskonferenz wäre, würde der US-Präsident mit Dutzenden Mitarbeitern kommen", sagt MSC-Chef Wolfgang Ischinger der Deutschen Welle.
"Wir könnten uns mit ihnen unterhalten und uns über unsere Sorgen und Interessen austauschen", wie das online eben nicht möglich sei.

Auch die Bandbreite der Themen und Teilnehmer ist viel schmaler als bei der üblichen Form der Sicherheitskonferenz. So fehlen Vertreter Chinas, Russlands oder des Nahen und Mittleren Ostens. "Das ist eine amerikanisch-europäische Veranstaltung", so Ischinger, "um uns bei globalen Themen wie Klimawandel, Corona und Terrorismus zusammenzufinden."

Who-is-who der Außenpolitik

Zum ersten Mal überhaupt wird ein amtierender US-Präsident bei einer Veranstaltung der MSC sprechen. Biden hatte seit 1980 mehrfach an der Konferenz in München teilgenommen, darunter zwischen 2009 und 2015 als Vizepräsident unter Barack Obama, zuletzt 2019.

Münchner Sicherheitskonferenz | Merkel und Biden 2009
Biden nahm bereits 2009 als Vizepräsident an der Münchener Sicherheitskonferenz teilBild: Peter Kneffel/Epa/dpa/picture-alliance

Ganz zu Beginn der Veranstaltung wird es um COVID-19 gehen. Dann wird auch Microsoft-Gründer Bill Gates sprechen. "Praktisch niemand hörte ihm zu", sagt Ischinger und meint Gates' Rede 2017 in München, als er bereits vor den Gefahren einer Pandemie warnte. "Wenn wir ihm damals zugehört hätten, wären wir heute nicht in dieser schrecklichen Lage", so Ischinger.

Auch die Klimakrise wird ein wichtiges Thema sein. Dazu wird unter anderem Bidens Klimabeauftragter John Kerry sprechen.  

Von den Staats- und Regierungschefs wollten anfangs nur Biden und Merkel teilnehmen. Macron sagte erst am Dienstag zu, Johnson erst spät am Mittwoch. Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden sprechen. Jeder von ihnen wird nach Auskunft der Organisatoren rund 15 Minuten Redezeit bekommen.

Gefahr "endloser Reibereien"

Als eines der wichtigsten Themen sieht Ischinger, der früher deutscher Botschafter in Washington war, den Umgang des Westens mit China. Das Land nennt er eine der größten Herausforderungen für die transatlantische Zusammenarbeit. "Wenn wir bei China nicht zu einer gemeinsamen Position finden, werden wir im transatlantischen Verhältnis endlose Probleme, endlose Reibereien haben. Unsere Interessen bezüglich China sind nicht identisch."

Die USA haben sicherheitspolitische Verpflichtungen im asiatisch-pazifischen Raum, die die EU nicht hat. Daher kann die EU die Beziehungen zu China vor allem vor allem handelspolitisch sehen. Nach jüngsten Zahlen hat China im vergangenen Jahr die USA als wichtigsten Handelspartner der EU abgelöst. Und Anfang dieses Jahres hat die EU ein Investitionsabkommen mit China geschlossen, während die unter Trump eingeführten Zölle unter Biden bestehen bleiben

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Washington sieht das chinesische Engagement in Europa beim Mobilfunknetz 5G sehr kritischBild: picture-alliance/Xinhua/T. Ireland

 Gemeinsames Ziel, unterschiedene Positionen 

Die Europäische Union kann andererseits aber nicht wie die USA immer mit einer Stimme sprechen. So werden Merkel und Macron, die die beiden größten Mitgliedsstaaten der EU vertreten, in ihren Reden eine Gratwanderung vollführen zwischen den besonderen Interessen ihrer jeweiligen Länder im Verhältnis zu den USA und ihrem Anspruch, die europäische Integration voranzutreiben. Merkel und Macron drängen die Europäische Union, sie solle ihre Rolle in der Welt besser definieren, stimmen aber nicht immer darin überein, wie diese Rolle aussehen soll und wie man sie entwickelt.

Ernste Meinungsunterschiede bleiben bestehen, sowohl transatlantische als auch innereuropäische. Ein Teil der EU setzt zusammen mit den USA Deutschland unter Druck, den Fertigbau der Ostseepipeline Nord Stream 2 aufzugeben, mit der russisches Erdgas nach Europa gepumpt werden soll. Weniger Gehör in Europa fand Washington mit seinen Warnungen, umsichtiger mit China umzugehen, sowohl im Handel als auch beim Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes.

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Transatlantischer Zankapfel Ostseepipeline Nord Stream 2: Die Bundesregierung hält daran festBild: Dmitrij Leltschuk/Sputnik/dpa/picture alliance

Aber auch innenpolitische Gegebenheiten spielen für die einzelnen Akteure eine Rolle. Während die Mehrheiten von Bidens Demokratischer Partei im Kongress bis Ende 2022 sicher sind, tritt Merkel nach der Bundestagswahl im Herbst nach fast 16 Jahren im Amt endgültig ab. Die große Frage ist, wer ihr nachfolgt. Und in Frankreich muss sich Macron bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr wohl erneut der rechtspopulistischen Herausforderin Marine Le Pen stellen, so wie schon 2017.

Für Boris Johnson wiederum wird die Veranstaltung sein erster transatlantischer Auftritt seit dem EU-Austritt seines Landes sein, für den er sich maßgeblich eingesetzt hatte.  

Ein neuer Ton

Während die USA ihren europäischen Verbündeten beweisen müssen, dass sie weiterhin ein verlässlicher sicherheitspolitischer Partner sind, will Washington von Europa die Zusicherung haben, dass es willens und in der Lage ist, mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit und bei anderen globalen Fragen zu übernehmen.

Coronavirus - Deutsche Tornados auf dem Rückflug aus dem Irak
Ein beinahe ewiges Thema: Die USA fordern von Deutschland höhere VerteidigungsausgabenBild: picture-alliance/dpa/Luftwaffe

Für die transatlantischen Beziehungen wird es eine geschäftige Woche. Nach der MSC-Veranstaltung folgt unmittelbar ein - ebenso virtuelles - Treffen der G7, das von Gastgeber Johnson ausgerichtet wird und an dem erneut Biden, Merkel und Macron teilnehmen. Am Mittwoch und Donnerstag hatte Bidens Verteidigungsminister Lloyd Austin seinen ersten Auftritt bei einer NATO-Schaltkonferenz mit seinen Amtskollegen. Dabei ging es unter anderem um das Verteidigungsbudget, die Zukunft der NATO-Truppen in Afghanistan und den Umgang des Bündnisses mit chinesischer und russischer Aggression.

Diesen Treffen sollen im Laufe des Jahres größere folgen, auch eine "richtige" Münchner Sicherheitskonferenz mit Präsenz der Teilnehmer. Aber ob das möglich sein wird, hängt natürlich vom Verlauf der Corona-Pandemie ab.