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MSC 2024: Migration und Russland als größte Herausforderung

12. Februar 2024

In einer internationalen Umfrage zur Münchner Sicherheitskonferenz sehen die Befragten Migration als größere Bedrohung als Russland. Die Menschen fürchten aber auch Cyber-Attacken und die Folgen Künstlicher Intelligenz.

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Das Bildt zeigt Migranten an der US-Grenze des Grande Eagle Pass zu Mexiko, die vom Wasser aus kommend versuchen Stacheldraht zu überwinden
Migranten am Fluss Rio Grande an der Südgrenze der USA zu Mexiko: Nach der MSC-Umfrage wird das Thema als wichtiger bewertet als Russlands Angriffskrieg gegen die UkraineBild: Maria Alejandra Cardona/REUTERS

Die Welt im Jahr 2024 sei geprägt von einem "Abwärtstrend in der Weltpolitik, der durch eine Zunahme geopolitischer Spannungen und wirtschaftlicher Unsicherheit" bestimmt sei. Das schreibt der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), Christoph Heusgen, im neuen Sicherheitsbericht zur Konferenz. Im süddeutschen München treffen sich jedes Jahr im Februar Militärs, Sicherheitsexperten und hochrangige Politikerinnen und Politiker aus aller Welt. Auf der diesjährigen MSC vom 16. bis 18. Februar wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet.

Während Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine  in der letztjährigen Umfrage zum Sicherheitsbericht (Munich Security Index) - vor allem in den G7-Staaten - noch Russlands aggressive Außenpolitik als größte Gefahr für die Sicherheit bewertet worden, wird nun die Migration als größere Bedrohung eingeschätzt. Der Bericht wird jeweils im Vorfeld der Konferenz veröffentlicht.

Migration durch Krieg und Klimawandel als größte Gefahr bewertet

In der aktuellen Erhebung zur Weltlage hat die MSC 12.000 Menschen befragt – in den G7-Staaten sowie in Brasilien, Indien, China, Südafrika und der Ukraine. Die Gefahr durch Russland wird weiterhin höher bewertet als noch vor Beginn von Moskaus Großinvasion vor zwei Jahren.

Blick von einem Auto auf ein feuerndes Artilleriegeschütz in der Dämmerung
Eine Artilleriegeschütz feuert an der Ostfront in der Ukraine: Die ukrainische Armee ist in der Defensive - und gleichzeitig schwindet das Interesse bei den Menschen in den G7-StaatenBild: Roman Pilipey/AFP

Doch als noch wichtiger als der Blick auf ein aggressives Russland werden jetzt die Folgen von "Migration durch Krieg und Klimawandel" angesehen. Offenbar hat bei den im Oktober und November 2023 Befragten eine gewisse Gewöhnung an den Krieg Russlands in der Ukraine eingesetzt.

In der Ukraine hat die MSC zusätzlich nach "akzeptablen Bedingungen für einen Waffenstillstand" gefragt, wobei 92 Prozent dafür einen vollständigen Abzug russischer Truppen aus der Ukraine inklusive der Krim fordern. Lediglich zwölf Prozent fänden es akzeptabel, wenn nur die Krim von Russland annektiert bliebe. Mehr als zwei Drittel wünschen sich eine schnelle Aufnahme der Ukraine in EU und NATO.

Westen verliert in der Konkurrenz mit China an Einfluss

Unter dem englischen Titel "Lose-Lose" beschreibt der nunmehr zehnte Sicherheitsbericht, dass in der derzeit so angespannten Weltlage alle verlören. Stark gestiegen ist der Umfrage nach die Risikowahrnehmung für einen militärischen Konflikt im Indo-Pazifik zwischen China und Taiwan. Einen großen Sprung hat die Furcht vor einem immer selbstbewussteren China gemacht: Vor allem in Japan, gefolgt von Indien, den USA, Deutschland und Frankreich.

In den G7-Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und USA) "glauben große Teile der Bevölkerung, dass ihre Länder in zehn Jahren weniger sicher und wohlhabend sein werden", schreibt MSC-Chef Heusgen. Und in einer Analyse der Umfrageergebnisse heißt es, die Menschen in den G7-Staaten erwarteten einen Zuwachs an Macht und Einfluss für China und Länder des globalen Südens zu Lasten ihrer eigenen Länder.

Globalisierung im Rückwärtsgang

Insgesamt wächst die Unzufriedenheit mit den wirtschaftlichen Verhältnissen in der Welt, heißt es weiter: "Trotz der enormen Errungenschaften in der Zeit nach dem Kalten Krieg" seien die "Hauptakteure des Westens", aber auch "mächtige Autokratien und Länder des so genannten globalen Südens" alle unzufrieden mit dem "Status quo - und ihrem eigenen Anteil am sprichwörtlichen Kuchen".

Die Globalisierung insgesamt hat den Rückwärtsgang eingelegt. Konkurrenz und ein stark gestiegenes Sicherheitsbedürfnis überwiegen offenbar in der Welt von heute. Vor allem nach China fließt weltweit gesehen weniger Kapital. "Die Verschärfung der geopolitischen Rivalität hat den Glauben daran begraben, dass die marktgesteuerte Globalisierung zu einer gerechten Verteilung der Gewinne führt", heißt es in dem Bericht. Die Staaten geben demnach der "Widerstandsfähigkeit und Sicherheit den Vorrang vor der Effizienz". 

Die Smart Factory eines chinesischen Kosmetikherstellers: Chinesische Arbeiterin kontrolliert den Verpackungsprozess an einem Fließband
Kosmetikfabrik in China: Die globale Entflechtung hat begonnen, Kapitalströme werden von China in andere Weltregionen umgelegt. Große Ausnahme: Deutsche Firmen investieren weiterBild: Costfoto/NurPhoto/picture alliance

"Die dramatischen politischen Verschiebungen" in der Welt schlagen sich in der "makroökonomische Realität" nieder. Westliche Kapitalströme würden von China zu anderen Partnern umgelenkt. "Auch die Handelsströme zeigen zaghafte Anzeichen einer Umstrukturierung entlang geopolitischer Linien", heißt es im Münchner Sicherheitsbericht, der insgesamt ein sehr pessimistisches Bild der Vernetzung in der Welt zeichnet.

Weltweite Kapitalströme: Weg von China – Vernetzung mit Europa bleibt hoch

Früher noch verwobene Lieferketten zwischen Asien und den anderen Weltregionen werden also entflochten. Europa allerdings und hier vor allem Deutschland sticht dabei als Ausnahme hervor: "Deutsche Unternehmen investieren weiterhin stark in China und trotzen damit den Bestrebungen Berlins, ihr Engagement zu reduzieren", heißt es im Münchner Sicherheitsbericht 2024: "Die deutschen ausländischen Direktinvestitionen in China blieben in der ersten Hälfte des Jahres 2023 auf einem Rekordhoch."

Die deutsche Regierung verfolgt eine Politik des "De-Risking" mit China – also die Verringerung der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Dies hatte mit der Corona-Pandemie begonnen, als in den Lockdowns Lieferketten zwischen Deutschland und China zusammenbrachen. Durch den Bruch mit der langjährigen Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland hat diese Politik Fahrt aufgenommen. Doch das scheint sich bislang nicht in greifbaren Zahlen niederzuschlagen.

Sahelzone: Mehr Gewalt nach jedem Putsch

Eine Rolle spielt in der Analyse auch der zunehmende militärische Einfluss Russlands in der Sahelzone, während der Einfluss der früheren Kolonialmacht Frankreich dort inmitten von politischen Unruhen zurückgeht. Russland hingegen versuche, "die Sahel-Länder von Europa und den USA" zu entkoppeln.

Mehrere Duzend Demonstranten in Niger protestieren gegen Frankreichs Einfluss im Land. "Nieder mit Frankreich" steht auf einem Schild in der Mitte
Demonstration in Niger gegen Frankreich Anfang September 2023Bild: AFP

Auch hier sehen die Autorinnen und Autoren des diesjährigen Münchner Sicherheitsberichts vor allem Verlierer: "Die Menschen in der Region verlieren die Chance auf Frieden und demokratischen Fortschritt, da jeder Putsch seit 2020 mehr Gewalt hervorgebracht hat."

Das gestiegene Misstrauen weltweit schlage sich, so der Bericht, zudem in der Wahrnehmung der Gefahr durch Cyber-Angriffe und durch negative Folgen der Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) nieder. "Der technologische Fortschritt, lange Zeit eine Triebkraft des globalen Wohlstands, wird zunehmend von Rivalen instrumentalisiert", heißt es in der Analyse. Die wird gestützt von den Umfrageergebnissen des Munich Security Index: Demnach schätzen die Befragten in den USA diese Gefahr besonders hoch ein, gefolgt denen in Indien. Insgesamt fürchten sich die Menschen vor Desinformationskampagnen in der digitalen Welt.