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Musharraf will "brüderliche Verbindung" mit Afghanistan

Tobias Grote-Beverborg (kas)7. September 2006

Die Spannungen zwischen Afghanistan und Pakistan haben sich in jüngster Zeit verschärft, weil Pakistan zu zögerlich gegen Taliban-Kämpfer vorgeht. Das Thema wird nun auf höchster Ebene besprochen.

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Präsident Musharraf (rechts) und sein afghanischer Amtskollege Karzai in KabulBild: AP

Während im Süden Afghanistans im Rahmen der NATO-Operation "Medusa" heftige Artillerie- und Luftangriffe gegen Taliban-Kämpfer unternommen werden, ist der pakistanische Präsident Pervez Musharraf zu einem zweitägigen Staatsbesuch nach Kabul gereist. Hauptthema seiner Gespräche mit Afghanistans Präsident Hamid Karsai war die Lage im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan.

Diese Region gilt als traditionelles Rückzugsgebiet der Taliban-Milizen, die nach Einschätzung von Tom Koenigs, dem UN-Sonderbeauftragten für Afghanistan, für die gegenwärtige Unruhe im Süden des Landes verantwortlich sind. Der Aufstand in einem Viertel des Landes werde sehr stark vom Nachbarland unterstützt, sagt Koenigs. "Ich würde nicht sagen, dass sie von der pakistanischen Regierung unterstützt werden, sondern von Gebieten im Norden von Pakistan, die nicht von der Regierung kontrolliert werden."

Musharraf räumte am Donnerstag (7.9.06) bei seinem Treffen ein, dass Kämpfer der Taliban und El Kaida die Grenze von seinem Land nach Afghanistan überschritten, um dort Anschläge zu begehen. Vorwürfe, dass sie vom pakistanischen Geheimdienst unterstützt werden, wies er indes zurück.

Problemfall Waziristan

Das umstrittene Gebiet ist die pakistanische Provinz Waziristan. Die unwegsame Region, unmittelbar an der Grenze zu Afghanistan gelegen, ist Teil der so genannten Stammesgebiete unter Bundesverwaltung. Die Bergregion zählt zum Siedlungsgebiet der Paschtunen, der Ethnie, die auch in Afghanistan die Mehrheit und auch den Großteil der Pro-Taliban-Kräfte stellt.

Bereits zu Zeiten der sowjetischen Besatzung Afghanistans galt Waziristan als geduldeter Rückzugsraum für Widerstandskämpfer. Als die Taliban 2001 Kabul verlassen mussten, flüchteten die meisten nach Waziristan, da sie dort zunächst relativ unbehelligt von der pakistanischen Regierung leben konnten. Auch hochrangige El-Kaida-Mitglieder, darunter Osama Bin Laden, sollen sich dorthin zurückgezogen haben.

Macht der Stämme ist ungebrochen

Doch unter zunehmendem internationalen Druck - vor allem von Seiten der USA - sah sich Pakistan schon bald gezwungen, gegen die radikalen Islamisten vorzugehen. In den vergangenen Jahren stationierte Pakistan 80.000 Soldaten und paramilitärische Kräfte in der Grenzregion und startete mehrere große Militäroffensiven gegen vermutliche El-Kaida-Lager und Taliban-Verstecke.

Der Erfolg war eher gering. Zwar konnten mehrere mutmaßliche El-Kaida-Kämpfer festgenommen beziehungsweise getötet werden. Doch die zahlreichen Opfer unter der Zivilbevölkerung erzürnten die Paschtunenstämme. Bis heute ist es der pakistanischen Regierung nicht gelungen, die Macht der Stämme zu brechen und die militärische Kontrolle über Waziristan zu gewinnen.

Appell an beide Seiten

Pakistan und Afghanistan sind nun bemüht, eine gemeinsame Strategie gegen das Wiedererstarken der Taliban zu entwickeln. Beide Länder müssten ihre Kräfte bündeln, um den gemeinsamen Feind zu schlagen, erklärte Musharraf in Kabul. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Karsai äußerte er den Wunsch auf eine "brüderliche Verbindung" der beiden Staaten. Musharraf nannte als Ziele des gemeinsamen Vorgehens den Kampf gegen das Terrornetzwerk El Kaida, die Taliban und die "Talibanisierung" der Gesellschaft. Beim letzten Punkt handele es sich um bedrohliche Einstellungen und Überzeugungen, zu deren Bekämpfung eine andere Strategie nötig sei.

Wirtschaftliche Hilfe notwendig

Kurz vor dem Staatsbesuch war am 5. September 2006 ein Friedensabkommen zwischen Pakistans Regierung und den aufständischen Stämmen geschlossen worden. In Afghanistan bestehen große Zweifel, ob das jetzige Friedensabkommen zu einer Befriedung der Region führen kann.

Zwar erklären sich die paschtunischen Milizen bereit, vorerst auf militärische Aktionen in Pakistan und Afghanistan zu verzichten und ausländische El-Kaida-Kämpfer auszuliefern. Dafür aber muss sich das pakistanische Militär aus den Stammesgebieten zurückziehen. Doch dass allein militärische Schritte nicht ausreichen, geben selbst ranghohe Politiker zu.

Auch müsse, so Afghanistans Wirtschaftsminister Amin Farhang, der wirtschaftliche Wiederaufbau-Prozess sehr massiv und stark vorangetrieben werden. Besonders in den Grenzgebieten, wo die Menschen aus Not nach Pakistan gehen und dort in Koranschulen ausgebildet werden - und dann nach einem oder zwei Jahren wieder nach Afghanistan als Terroristen zurückgeschickt werden. "Da muss man an der Grenze für diese Menschen Hilfe anbieten, wirtschaftlich und auf dem Gebiet der Bildung und Ausbildung", betont Farhang.

Eine Forderung, die gerade hinsichtlich des bevorstehenden fünften Jahrestages der Anschläge vom 11. September in dieser Region besonderes Gewicht erhält.