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PolitikAsien

Myanmar: Fragiler Waffenstillstand

Tommy Walker
29. Januar 2024

Trotz laufender Friedensverhandlungen unter chinesischer Vermittlung zwischen der Militärregierung und der Opposition bleibt die Lage in Myanmar instabil. Seit dem Putsch im Jahr 2021 herrscht im Land Chaos.

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Myanmar Laukkaing 2023 | MNDAA-Truppen erobern Militärbasis
Bild: Handout/Kokang Information Network/AFP

Anfang Januar hat die Militärregierung in Myanmar unter Vermittlung des Nachbarlandes China mit den bewaffneten Oppositionsgruppen im Nordosten des Landes ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen. Diese Feuerpause bedeutet auf keinen Fall das Ende des Konflikts, sagen Analysten. Seit General Min Aung Hlaing und seine Streitkräfte im Februar 2021 die demokratisch gewählte Regierung gestürzt haben, herrscht in Myanmar Chaos.

Der Putsch löste einen bewaffneten Konflikt zwischen der von Zivilisten geführten Regierung der Nationalen Einheit, Volksverteidigungskräften und bewaffneten ethnischen Gruppen aus. Die größte Bedrohung für die Militärjunta war ein Bündnis, das im Juni 2019 gegründet wurde: die Drei-Brüder-Allianz. Sie ist ein Bündnis zwischen drei ethnischen Armeen im Norden des Shan-Staates an der Grenze zu China: der Arakan-Armee, der Armee der Nationalen Demokratischen Allianz Myanmars und der Nationalen Befreiungsarmee von Ta'ang. 

Im Oktober 2023 initiierte die paramilitärische Allianz "Operation 1027", eine umfassende Offensive gegen die Militärjunta. Sie möchte die Kontrolle der Zentralregierung in ihren Einflussgebieten zurückdrängen. Innerhalb von knapp drei Monaten wurden zahlreiche Gemeinden erobert und Hunderte von Militärstützpunkten der Junta eingenommen. Die Offensive weitete sich zudem auf andere Regionen und Bundesstaaten in Myanmar aus.

Myanmar - Die Chin gegen die Junta

Kyaw Hsan Hlaing, ein politischer Analyst aus Myanmar, sagt, dass die jüngste Offensive nun oppositionelle Gruppen im ganzen Land motiviert habe, sich gegen die Regierung in Naypyidaw zur Wehr zu setzen. "Der Erfolg der Operation 1027 ist ein historischer Meilenstein für den Widerstand und den Bürgerkrieg in Myanmar, da mehrere Städte erfolgreich eingenommen wurden. Diese Leistung hat die Motivation anderer großer Widerstandsgruppen im ganzen Land gestärkt", sagte er.

Einer der bislang größten Erfolge der Rebellenoffensive ist die Einnahme von Laukkai, der Hauptstadt der Selbstverwaltungszone Kokang an der Grenze zwischen Myanmar und China. Seit Anfang des neuen Jahres hat die Myanmar National Democratic Alliance Army (MNDAA) die Stadt unter ihrer Kontrolle.

Der Konflikt in der Region hat aufgrund von Handelsstörungen und Flüchtlingswelle die Aufmerksamkeit Chinas auf sich gezogen. Peking hat es zweimal nicht geschafft, einen Waffenstillstand auszuhandeln, um weitere Risiken zu verringern.

Aber Anfang Januar bestätigte das chinesische Außenministerium, dass in der südwestchinesischen Stadt Kunming Friedensgespräche zwischen Vertretern des Bündnisses und der Militärjunta stattgefunden hätten und dass "ein sofortiger Waffenstillstand" vereinbart worden sei, wobei sich alle Parteien darauf geeinigt hätten, die Kämpfe in ihrem Land einzustellen.

Waffenstillstand wird nicht eingehalten

Hlaing sagt, dass die Kämpfe trotz des Waffenstillstands nicht vollständig eingestellt worden seien. "Der derzeitige Waffenstillstand wird nicht das Ende des Krieges zwischen der Allianz und den Junta-Streitkräften bedeuten", sagte er der DW.  Das bestätigte auch die Drei-Brüder-Allianz. Nur wenige Tage nach dem vereinbarten Waffenstillstand habe die myanmarische Armee Granaten auf Allianzkräfte in Kachin abgefeuert, hieß es in einer Mitteilung der Allianz. Die Oppositionskräfte hätten als Vergeltung zurückgeschossen.

Myanmars Militärjunta plant Massenamnestie

Für einen dauerhaften Waffenstillstand müssten alle Beteiligten dann etwas Positives haben, sagte Kyaw Hsan Hlaing. "Der derzeitige Waffenstillstand kommt nur der  Myanmar National Democratic Alliance Army (MNDAA) zugute. Diese Feuerpause würde der MNDAA ermöglichen, ihre Truppen in allen eroberten Gebieten zu verwalten und dort den Verwaltungsapparat zu etablieren. China wäre dann auch glücklich, denn eines der Hauptziele der Operation 1027 darin besteht, gegen Online-Betrug und Glücksspiel in Laukkai vorzugehen, das nun unter der Kontrolle der MNDAA steht." Zahlreiche Menschen in China sind Opfer des ausufernden Online- und Handybetrugs. Die chinesischsprachigen Täter werden in Laukkai vermutet. 

Laukkai ist für seine Glücksspiel-, Prostitutions- und Online-Betrügereien in Myanmar berüchtigt. Die chinesischen Behörden waren entschlossen, die Cyberbanden und den Menschenhandel mit ihren Bürgern auszurotten, doch ihre Forderungen an die Militärregierung von Myanmar führten zu keinen Änderungen. Seit die MNDAA die Kontrolle über Kokang übernommen hat, haben ihre Truppen ihrer Aussage nach über 300 Räumlichkeiten durchsucht und 40.000 chinesische Staatsangehörige zurückgeführt, die von Menschenhändler nach Myanmar entführt worden seien.

Schlechter Zeitpunkt für Waffenstillstand

Aber in anderen Landesteilen werden die Kampfhandlungen fortgesetzt. Die Anti-Junta-Anhänger hoffen, die Kontrolle des Militärs landesweit ins Wanken zu bringen. Dann hätten sie eine reelle Chance, die Kontrolle über Großstädte in Myanmar zu übernehmen.  Angesichts des Waffenstillstands im Nordosten bleibt die Frage offen, ob die Dynamik der Protestwelle anhalten wird.

Doch David Scott Mathieson, ein Myanmar-Analyst, sagt, ein Waffenstillstand werde die weitere Strategie des Oppositionsbündnisses nicht bestimmen.

"Ich denke, es ist unmöglich vorherzusagen, wohin sich der Konflikt entwickelt", sagt David Scott Mathieson, Myanmar-Analyst. Er betont, dass die Erfolge der Offensive bereits erheblich waren. "In gewisser Weise hinterlässt die Operation 1027 bleibende Schäden. Viele Gebiete wurden überrannt, Stützpunkte und Ausrüstung erobert. Die myanmarische Armee war nicht in der Lage, irgendetwas davon zurückzuerobern". 

Das Essen wird knapp in Cox's Bazar

Laut den Vereinten Nationen beläuft sich die Zahl der Vertriebenen in Myanmar seit dem Putsch im Februar 2021 auf mehr als zwei Millionen Menschen. Menschenrechtsgruppen berichten, dass fast 4.400 Menschen durch das Militär getötet und über 25.000 Menschen verhaftet wurden.

Aus dem Englischen adpatiert von Shabnam von Hein