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"Myanmar will ein Gleichgewicht"

Rodion Ebbighausen19. August 2016

Aung San Suu Kyi ist auf Staatsbesuch in China. Es geht um die Neuordnung der Beziehungen nach dem politischen Wandel in Myanmar. Der Myanmar-Experte Robert Taylor erläutert die Hintergründe.

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China Li Keqiang und Aung San Suu Kyi
Bild: Reuters/J.Lee

Myanmar und China sind in vielerlei Hinsicht politisch verbunden. Sie haben eine mehr als 2000 Kilometer lange gemeinsame Grenze. China ist nach wie vor der mit Abstand größte Investor in dem südostasiatischen Land am Golf von Bengalen. Während der Jahre der politischen Isolation (1988-2011) zählte China zu den wenigen Verbündeten der Militärregierung in Yangon.

Die Öffnung Myanmars seit 2011 hat die Rahmenbedingungen für die myanmarische Außenpolitik stark verändert. Der Westen hob seine Sanktionen auf, Jahre der politischen Isolation endeten und Japan, die USA und auch Deutschland engagieren sich verstärkt. 2014 besuchte Bundespräsident Gauck Yangon. Trotz oder gerade wegen der veränderten Bedingungen unterzeichneten China und Myanmar im Juni 2013 einen "Aktionsplan für eine umfassende strategische Partnerschaft".

Die Wahlen vom November 2014 brachten dann die Nationale Liga für Demokratie (NLD) unter der Führung von Aung San Suu Kyi an die Macht und löste damit die Solidaritäts- und Entwicklungspartei der Union (USDP) um Präsident Thein Sein ab.

Kurz vor der historischen Wahl hatte die Friedensnobelpreisträgerin China zum ersten Mal besucht. Dabei war sie mit Li Keqiang und Xi Jinping zusammengetroffen. Allen Beteiligten war klar, dass beide Länder, trotz der bevorstehenden Änderungen, politisch und wirtschaftlich weiter zusammenarbeiten müssen.

Der Myanmarexperte Robert Taylor erläutert im DW-Interview die Hintergründe.

Deutsche Welle: Inwiefern haben sich die Beziehungen zwischen Myanmar und China seit Beginn des Öffnungsprozesses verändert?

Bis 2011, also vor dem politischen Wandel, war China in gewisser Weise die Schutzmacht der birmanischen Militärregierung, etwa bei den Vereinten Nationen. China war außerdem der größte Investor. Seit 1988/89 hatten China und Myanmar sehr enge Beziehungen. Damals wendete sich der Westen von Myanmar ab. Als der Westen, insbesondere die USA, Großbritannien und die Europäische Union aber im Zuge der Öffnung Bereitschaft zeigten, sich Myanmar wieder zuzuwenden, sah die Regierung in Myanmar darin eine Chance. Sie kehrte China zumindest ein wenig den Rücken. Denn die birmanische Armee war niemals sehr begeistert vom nördlichen Nachbarn. Schließlich kämpfte sie gegen bewaffnete Gruppen in der Grenzregion, die von den chinesischen Kommunisten jahrelang unterstützt wurden.

Welche Bedeutung haben die bilateralen Beziehungen für China und für Myanmar?

Sie sind sehr wichtig, sowohl für Myanmar als auch für China. Für Myanmar ist das offensichtlich. Strategisch ist China ein riesiges Land, das große Möglichkeiten bietet, aber zugleich auch eine große Bedrohung sein kann. Myanmar möchte deswegen immer so gute Beziehungen wie möglich zu China haben.

Der Politologe Robert Taylor
Der Politologe Robert TaylorBild: R. Taylor

China geht es vor allem darum, seine westlichen Provinzen wie zum Beispiel Yunnan, zu entwickeln. Und ein prosperierendes Myanmar kann dabei helfen. Nicht zuletzt waren Chinas Beziehungen zu Myanmar immer ein Gradmesser dafür, wie sich China gegenüber den Staaten der sogenannten Dritten Welt verhält. Wenn die Beziehungen zu Myanmar gut waren, lautete die Botschaft: mit China kannst du zusammenarbeiten, das Land ist keine Bedrohung.

China hat in Myanmar vor allem in große Infrastrukturprojekte wie in eine Öl- und Gaspipeline und den Myitsone-Staudamm investiert. Der Bau des in Myanmar umstrittenen Staudamms wurde von der Vorgängerregierung gestoppt. Was sagt das über die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder?

Grundsätzlich zeigen diese Projekte, wie groß das strategische Interesse Chinas an Myanmar ist. Im konkreten Fall des Myitsone-Staudamms hat Aung San Suu Kyi eine Kommission ins Leben gerufen und die Sache damit auf die lange Bank geschoben. Ohne Zweifel sind die Chinesen an einer Fortsetzung des Projekts interessiert. Allerdings wird es für Aung San Suu Kyi sehr schwierig, die Entscheidung der Regierung von Thein Sein, das Staudammprojekt zu stoppen, rückgängig zu machen. Der Staudamm ist in Myanmar ein heißes Eisen. Er gilt als Symbol dafür, dass die Chinesen ihre Interessen auf Kosten der Menschen in Myanmar durchsetzen.

Allerdings sollte man nicht unterschätzen, wie groß Aung San Suu Kyis politischer Einfluss ist. In einem anderen Fall, der Letpadaung-Kupfermine, die ebenfalls von Chinesen betrieben wurde und gegen die sich ebenfalls eine Opposition formiert hatte, sprach sie sich für eine Fortsetzung des Projekts aus. Sie betonte, dass Verträge eingehalten werden müssen, insbesondere da man weiterhin an Investitionen aus China interessiert sei. Wenn Sie diesen Standpunkt auch beim Staudamm einnimmt, könnte sie den wahrscheinlich durchsetzen. Allerdings würde sie an Glaubwürdigkeit verlieren.

Sie haben gerade die Furcht mancher Birmanen vor einem Ausverkauf des Landes an China erwähnt. Wie werden die Chinesen in Myanmar wahrgenommen?

Da gibt es natürlich verschiedene Auffassungen. Chinese ist nicht gleich Chinese. Große Investitionen bringen Chancen, Infrastruktur und neue Jobs. Allerdings setzt China oft auf eigene Arbeiter, was dann keine neuen Jobs schafft. Das führt durchaus zu Spannungen zwischen den Menschen in Myanmar und den Chinesen. Es ist auch offensichtlich, dass die Chinesen sich heute, anders als früher, nicht mehr in die birmanische Gesellschaft integrieren. Sie bevorzugen es, außerhalb zu bleiben, was die Beziehungen zusätzlich belastet.

Neben wirtschaftlichen Interessen gibt es auch noch die Frage nach bewaffneten Gruppen, die im Norden Myanmars und Südwesten Chinas operieren. Was können beide Länder tun, um dieses Problem anzugehen?

Das liegt in erster Linie an den Chinesen. Die Frage ist, ob sie aufhören, die Aufständischen zu unterstützen und anfangen, die Grenze zu kontrollieren. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass China ein riesiges Land ist. Nur weil Peking sich wünscht, dass etwas passiert, heißt das noch lange nicht, dass es in Yunnan auch passiert. Es gibt starke lokale Interessen, die die Aufständischen unterstützen. Peking fördert das nicht, unternimmt aber auch nichts Handfestes dagegen. Beide Länder würden die kriegsartigen Zustände gerne beenden, aber ob das möglich ist, ist eine ganz andere Frage.

In Yangon ist mit der NLD eine neue Partei an der Macht. Zeichnet sich schon eine neue Außenpolitik ab?

Bisher habe ich dafür noch keine Anzeichen gesehen. Seit jeher gibt es in Myanmar eine lebhafte Diskussion darüber, wie der Westen und China ausbalanciert werden können. Dabei ist natürlich klar, dass Myanmar allein schon aus geographischen Gründen immer im direkten EInflussbereich Chinas bleiben wird. Im Außenministerium sitzen mehr oder weniger die gleichen Leute wie zuvor. Ich glaube nicht, dass es im Hinblick auf die Außenpolitik etwas ganz Neues geben wird.

Lässt sich diese Außenpolitik in einem Satz beschreiben?

Myanmar bemüht sich, ein Gleichgewicht zwischen China und dem Westen zu finden und nutzt dabei die existierenden Rivalitäten zwischen China und dem Westen. Beide haben Myanmar etwas zu bieten, aber beide können auch zu einer Bedrohung werden.

Robert Taylor ist einer der führenden Experten, wenn es um die Politik in Myanmar geht. Er hat mehrere Bücher und Dutzende Artikel über das Land veröffentlicht. Zuletzt erschien seine Biographie über General Ne Win, der das Land über Jahre regiert hat.

Das Interview führte Rodion Ebbighausen.