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"Myanmars Flüchtlinge brauchen Hilfe"

Rodion Ebbighausen1. September 2013

Seit über 30 Jahren engagiert sich Lahpai Seng Raw für die von ethnischen Konflikten betroffenen Menschen in Myanmar.

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Lahpai Seng Raw, die Preisträgerin des diesjahrigen Ramon Magsaysay Preises neben der Ramon Magsaysay Büste. (copyright: Lahpai Seng Raw)
Bild: Lahpai Seng Raw

Deutsche Welle: Sie gehören zur Volksgruppe der Kachin und setzen sich seit Jahrzehnten für eine friedliche Lösung der ethnischen Konflikte in Myanmar bzw. Birma ein. Was war Ihre Reaktion, als Sie gehört haben, dass Sie am 31. August den "Ramon Magsaysay-Preis" erhalten?

Daw Lahpai Seng Raw: Ich war überwältigt und sehr überrascht. Aber dann dachte ich, dass der Preis die Anerkennung unserer gemeinsamen Anstrengungen ist. Seit Bekanntgabe der Preisträger habe ich aus ganz Myanmar - vom Militär, aus mehreren Gemeinden und von bewaffneten Widerstandsgruppen - Reaktionen erhalten, die mich in unserer Arbeit bestärkt und mir die Hoffnung auf eine langfristige Lösung unserer Probleme gegeben haben. Sie alle haben mich beglückwünscht und mit mir gemeinsam gefeiert. Das ist ein sehr gutes Gefühl.

Seit Beginn Ihres Engagements in Myanmar und vor allem in den vergangenen Jahren hat sich im Land viel verändert. Wie beurteilen Sie diesen Wandel, den Sie selbst mitgestaltet haben?

Seit 1987 engagiere ich mich sozial. 1997 haben Freunde und ich dann die NGO "Metta Development Foundation" ins Leben gerufen. Zwei sehr gute deutsche Freunde haben dabei geholfen: Dr. Michael Baumann, der mich angeleitet hat, und Wolfgang Trost.

Zu dieser Zeit hatte gerade eine neue Ära der Waffenstillstandsabkommen begonnen. Viele bewaffnete Widerstandsgruppen hatten mit der Zentralregierung Waffenstillstände vereinbart. Wir begannen zu dieser Zeit, mit Binnenflüchtlingen zu arbeiten. Es ging um den Wiederaufbau und Hilfe bei der Entwicklung der Gemeinden.

Wenn Sie mich fragen, was der Unterschied zu heute ist, dann muss ich sagen, dass es keinen schnellen Wandel in Myanmar gibt. In manchen Gebieten hat sich noch nichts geändert. Es gibt zum Beispiel immer noch eine halbe Million Binnenflüchtlinge. Wir sind immer noch auf der Suche nach dauerhaften Lösungen.

Was sind dabei die nächsten notwendigen Schritte und welche Herausforderungen müssen dabei gemeistert werden?

Ich denke wir brauchen mehr Engagement. Die Wurzeln des Problems sind politisch. Es muss also auf einer politischen Ebene gelöst werden. Die Führer auf Seiten der Regierung ebenso wie auf Seiten der bewaffneten Widerstandsgruppen müssen mehr Willen zeigen, die Probleme zu diskutieren. Nur dann können umfassende Friedensgespräche ihren Anfang nehmen.

Aus Sicht eines Sozialarbeiters werden die Friedensgespräche einige Zeit brauchen. Aber es ist der einzige Weg, die alten Feindseligkeiten zu beenden und nur dann können die Binnenflüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren.

Welche Rolle können Europa und Deutschland dabei spielen? Welche Art der Unterstützung ist aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Es gibt viele Wege, auf denen die internationale Gemeinschaft helfen kann. Die Regierung braucht ebenso Unterstützung wie die lokalen Gemeinden und die bewaffneten Widerstandsgruppen. Waffenstillstände sind nichts Neues für Myanmar. Es gab immer wieder Waffenstillstandsabkommen. Der nächste Schritt muss zu einer echten Lösung führen. Die kann es nur mit einem politischen Dialog geben. In diesem Punkt können Deutschland, Europa und die internationale Gemeinschaft eine große Hilfe sein. Auch die Not der Binnenflüchtlinge ist immer noch groß. Jede Hilfe ist also willkommen.

Wie kann der Preis dabei helfen, Ihre Arbeit zu unterstützen?

Ich bin bereits vor zwei Jahren von meiner leitenden Position bei Metta zurückgetreten, aber ich versuche auf allen Wegen zu helfen und den Stimmen der einfachen Menschen Gehör zu verschaffen. Ich hoffe sehr, dass dieser Preis dazu beiträgt, eine nachhaltige Lösung zu finden. Das ist eine große Anerkennung, die auch zeigt, dass Entwicklungsarbeit auf lokaler Ebene in Myanmar erfolgreich sein kann, dass nationale NGOs sehr viel erreichen können.

Das muss betont werden, insbesondere weil die gegenwärtige Unterstützung durch die Europäische Union zweifelhaft ist. In der Vergangenheit hat die EU die lokale Zivilgesellschaft unterstützt, aber seit der Öffnung des Landes untergräbt sie diese. Sie sprechen davon, dass die lokalen NGOs "mitwirken" sollen. Das hört sich für mich so an, dass die lokalen Organisationen die EU dabei unterstützen sollen, die Politik der EU oder der internationalen Organisationen umzusetzen. Es muss aber genau anders herum sein. Wenn wir im Land eine Zivilgesellschaft aufbauen wollen, dann muss die Zivilgesellschaft des Landes die Führung übernehmen. Die Rolle der internationalen Organisationen sollte sich auf die Stärkung der lokalen Zivilgesellschaft beschränken.

Das Interview führte Rodion Ebbighausen.