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Die "Wiege der Renaissance" blühte bereits im Mittelalter auf.

Sabine Oelze16. Dezember 2013

Florenz gilt als Zentrum der Renaissance – dabei beginnt die Geschichte des Aufstiegs zum Kultur- und Handelsimperium schon im Mittelalter. In Bonn kann man nun durch mehr als 600 Jahre der Stadtgeschichte schlendern.

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Domenico di Michelino Die Allegorie der Göttlichen Komödie 1465 Opera di Santa Maria del Fiore, Florenz © Opera di Santa Maria del Fiore - Archivio storico e fototeca, Firenze
Domenico di Michelinos Gemälde "Die Allegorie der Göttlichen Komödie" aus dem Jahr 1465Bild: Opera di Santa Maria del Fiore

Johann Wolfgang von Goethe war bei seinem Besuch im Jahr 1796 nur mäßig beeindruckt. Florenz habe er "eiligst" durchlaufen, schrieb er. Für den deutschen Dichter war die Stadt am Arno während seiner legendären Italienreise nur eine Station auf dem Weg nach Süden: nach Rom, Neapel und schließlich Sizilien. Das sehen heute Millionen von Touristen anders. Florenz ist die Perle der Toskana und für jeden Kulturbegeisterten ein Muss. Nun kann man sich die Reise sparen und den Mythos der Stadt in wenigen Stunden ergründen. Dazu wurden historische Landkarten, handschriftliche Korrespondenzen, seltene Schriftstücke, erlesene Kunstwerke und orientalische Textilien in die Bundeskunsthalle in Bonn gebracht. Die Ausstellung gleicht einem Spaziergang durch mehr als 600 Jahre Stadtgeschichte. Zu sehen ist auch ein Meisterwerk von Domenico di Michelino. Es zeigt Dante Alighieri - Autor der Göttlichen Komödie und Vorzeigegelehrter des Humanismus. Zu seiner Rechten tut sich die Hölle auf. Zu seiner Linken erheben sich majestätisch die Kuppeln und Türme der Stadt Florenz. In der Bildmitte steht der Dichter wie ein Schiedsrichter. Normalerweise hängt das berühmte Gemälde "Die Allegorie der Göttlichen Komödie" aus dem Jahr 1465 versteckt in einem Seitenschiff des florentinischen Doms. In Bonn können es die Besucher aus nächster Nähe betrachten.

Mittelalterliche Stadt mit Wachstumspotenzial

Florenz fasziniert durch sein reiches kulturelles Erbe. Erstmals rollt die Ausstellung die Geschichte der Stadt auf und erklärt, worin sich ihr Mythos begründet.

Gemälde zeigt Florenz zum Ende des 18. Jahrhunderts (c) Biblioteca Nazionale Centrale
Antonio Donati und Aniello Lamberti Ansicht des Florentiner Naturkundemuseums vom Boboli-Garten aus Ende 18. Jahrhundert Biblioteca Nazionale Centrale, FlorenzBild: Biblioteca Nazionale Centrale

Bereits um 1300 galt Florenz als Wirtschaftsmetropole mit Wachstumspotenzial. Kunst und Geld gehörten schon damals eng zusammen: Feine Seide durchzogen von Goldfäden wird neben Handelspapieren und der eigenen Währung, dem Florin, ausgestellt. Die Florentiner überwanden ihre Stadtgrenzen und dehnten sich ins Umland. Die Stadt ist zunächst nicht riesig, aber mit 100.000 Einwohnern zählt sie zu einer der größten im Mittelalter. Man trieb schon früh Handel mit fernen Ländern, sogar bis Persien reichten die Kontakte. Orientalische Einflüsse machten auch vor den Künstlern nicht halt, die sich schon damals in großer Zahl in der Stadt aufhielten. Die Maler Giotto und Fra Angelico schufen Kunstwerke, die bis heute die Forscher beschäftigen. Zeugnisse sakraler Kunst sind Gemälde und Büsten von Johannes dem Täufer, dem Schutzpatron der Stadt, sowie zahlreiche Marienbildnisse.

Ein wichtiges religiöses Zentrum ist der Dom von Florenz. Die Kuppel, ein Meisterwerk des italienischen Architekten Filippo Brunelleschi, wird in einem Holzmodell und einem Film vorgestellt, um die Komplexität des Baus zu verdeutlichen. Aber auch die Literatur ist ein wichtiger Bestandteil von Florenz: Dichter wie Dante, Petrarca und Boccaccio lebten in der Stadt und schufen dort eine volkssprachliche Literatur. Eine Pergamenthandschrift von Dante Alighieris Göttlicher Komödie aus dem Jahr 1396 ist eine von vielen erlesenen Exponaten der Ausstellung.

Szenenfoto aus „Die Baugeschichte des Domes zu Florenz” © 2013 Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland und TU Darmstadt
Szenenfoto aus "Die Baugeschichte des Domes zu Florenz"Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der BRD

Zentrum der Renaissance

In der Renaissance erlebt Florenz seinen kulturellen Höhepunkt. Weltberühmte Kunstwerke wie Leonardo da Vincis "Mona Lisa" entstanden in Florenz. Auch der Handel erreicht eine Blütezeit - durch die Eroberung Pisas wird der direkte Zugang zum Meer möglich. Für die italienische Kunsthistorikerin und Co-Kuratorin Annamaria Giusti macht diese mäzenatische Haltung der Bevölkerung den Geist von Florenz aus. "Florenz war schon im 12. Jahrhundert eine reiche Stadt. Spätestens ab dem 13. Jahrhundert florierte der Handel", erklärt sie. Ihren Reichtum hätten die Kaufleute eingesetzt, um die Stadt zu verschönern, um Künstler zu unterstützen. "Die Künste gingen den Bewohnern über alles. Egal, was es kostete, die Schönheit hatte Priorität", erzählt die Kunsthistorikerin und Direktorin der Abteilung für moderne Kunst des Palazzo Pitti.

Wiederentdeckung der Antike

Der Florentiner Humanismus formuliert einen neuen Blick auf die Antike und erklärt den Menschen zum Maß aller Dinge. In der Kunst bringen Räumlichkeit und Zentralperspektive die neue Sichtweise zum Ausdruck. Was wäre Florenz ohne die Bankiersfamilie der Medici, die ab 1434 maßgeblich das kulturelle und politische Leben in Florenz prägt? Die Macht der Medicis ist in der ganzen Stadt spürbar. Sie finanzieren Klöster und Kirchen, fördern Wissenschaften und Künstler wie Botticelli. In der Ausstellung ist das Gemälde "Minerva mit dem Kentauren" eines der Höhepunkte. Es zeigt eine Frauengestalt mit luftigen Kleidern und wehenden Haaren, die einen Kentauren zähmt. Wildheit und Tugendhaftigkeit treffen aufeinander. Die moralische Absicht verstärkt sich, wenn man weiß, dass das Gemälde einst im Schlafgemach eines Mitglieds der Medicis hing. Zugleich bezeugt sie das kunsthistorische Expertentum der Familie.

Sandro Botticelli Minerva und Kentaur Galleria degli Uffizi, Florenz © 2013. Foto Scala, Florenz – mit freundlicher Genehmigung des Ministero Beni e Attività Culturali
Sandro Botticelli: "Minerva mit dem Kentauren"Bild: Foto Scala

Die Macht der Medicis

Im Jahr 1563 gründete Cosimo de Medici die erste Akademie für Maler und Bildhauer. Ihr Gründungsdirektor ist kein Geringerer als Giorgio Vasari. Das disegno, also die Zeichnung, wird in Florenz als eigenständige Gattung gepflegt. Die Gattungen Malerei, Skulptur und Architektur formen die neu entstandenen Bereiche der bildenden und schönen Künste. Mit dem Ende der Medici im 17. Jahrhundert kam der Übergang zur Moderne unter der Herrschaft der Habsburg-Lothringer. Großherzog Peter Leopold sorgte für eine Modernisierung. Er entwickelte im 18. und 19. Jahrhundert die Stadt zu einem bedeutenden Museumsstandort. Internationale Sammler und Kunsthändler lassen sich dort nieder und treiben weltweiten Handel mit italienischer Kunst. Die Uffizien werden für das breite Publikum geöffnet. Es entstehen Wissenschaftsmuseen. Ganz im Sinne der Aufklärung haben alle Menschen Zugang zur Kunst. So entwickelt sich Florenz über die Jahrhunderte selber zu einem Gesamtkunstwerk.

Großherzogliche Werkstätten Melchisedek und der Kandelaber vor dem Tempel 1./2. Jahrzehnt 17. Jahrhundert Pietra-dura-Mosaik © Florenz, Museo dell’Opificio delle Pietre Dure
Großherzogliche Werkstätten Melchisedek und der Kandelaber vor dem Tempel 1./2. Jahrzehnt 17. JahrhundertBild: Museo dell’Opificio delle Pietre Dure

Für die italienische Kunstexpertin Giusti ist die Ausstellung eine Gelegenheit, Florenz in Deutschland von der besten Seite zu präsentieren. Dafür haben einige Werke Italien zum ersten Mal verlassen. Auch wenn Touristen vor den florentinischen Monumenten Schlange stehen, die Speerspitze der Kunst lässt Florenz heute links liegen. Neue Ideen werden in New York oder Berlin geboren. Florenz müsse sich vor allem um sein kulturelles Erbe kümmern, so Giusti. Nicht zuletzt daraus schlage die Stadt ihr Kapital.