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Junges Anschlagsopfer in Jerusalem gestorben

2. August 2015

Sechs Menschen hat ein ultraorthodoxer Siedler am Donnerstag bei einer Homosexuellenparade in Jerusalem niedergestochen. Nun ist eine 16-Jährige ihren Verletzungen erlegen. Der Druck auf Regierungschef Netanjahu wächst.

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Ultraorthodoxer greift Teilnehmer der Gay Pride in Jerusalem mit einem Messer an (Foto: AP)
Polizisten überwältigen den Juden, der die Gay Pride Parade in Jerusalem angegriffen hatBild: picture-alliance/AP Photo/S. Scheiner

Der blutige Anschlag auf eine Lesben- und Schwulenparade in Jerusalem hat ein erstes Todesopfer gefordert. Die 16-jährige Schira Banki sei an ihren Verletzungen gestorben, teilte das Hadassah-Krankenhaus in Jerusalem mit. In mehreren Orten versammelten sich Trauernde und zündeten Kerzen an.

Das Mädchen hatte sich in Lebensgefahr befunden, seit ihr der Angreifer am Donnerstag ein Messer in den Rücken gerammt hatte. Bei dem Messerangriff fügte der Täter fünf weiteren Teilnehmern des Schwulen-, Lesben- und Transsexuellen-Umzugs unterschiedlich schwere Verletzungen zu.

Der Angreifer, Jischai S., hatte bereits im Jahr 2005 die Jerusalemer Gay Pride angegriffen und drei Menschen verletzt. Er verbüßte deswegen eine zehnjährige Haftstrafe und war gerade erst wieder freigekommen. Unmittelbar vor seinem neuerlichen Angriff verbreitete er homophobe Äußerungen in israelischen Medien.

Ein Opfer des Anschlags auf die Homosexuellenparade in Jerusalem wird medinisch versorgt (Foto: afp)
Ein Opfer des Anschlags auf die Homosexuellenparade in Jerusalem wird medinisch versorgtBild: Getty Images/L. Mizrahi

Netanjahu kondoliert

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach der Familie des Todesopfers sein Beileid aus. "Wir werden nicht zulassen, dass dieser abscheuliche Mörder die grundlegenden Werte der israelischen Gesellschaft untergräbt", hieß es in dem Kondolenzschreiben. Netanjahu kündigte bei einer Kabinettssitzung zudem eine Politik der "Null Toleranz" gegen Hassverbrechen an. "Wir sind entschlossen, mit aller Kraft gegen das Phänomen des Hasses, des Fanatismus und des Terrorismus von jeglicher Seite anzukämpfen", sagte er.

Der Vorfall sowie der Brandanschlag mutmaßlicher jüdischer Siedler im palästinensischen Dorf Duma bei Nablus löste eine heftige Debatte darüber aus, ob jüdische Ultrarechte von der Justiz zu nachgiebig behandelt würden. Im Mai hatte die israelische Nichtregierungsorganisation Jesch Din Zahlen veröffentlicht, wonach mehr als 85 Prozent palästinensischer Klagen gegen Siedlerangriffe zu den Akten gelegt werden.

Bei dem Brandanschlag im israelisch besetzten Westjordanland war in der Nacht zum Freitag ein eineinhalbjähriger Junge bei lebendigem Leib verbrannt, seine Familiengehörigen wurden lebensgefährlich verletzt. Die Urheber sind flüchtig. Das Attentat zog gewaltsame Proteste von Palästinensern mit weiteren Todesopfern nach sich. Bei Zusammenstößen mit der israelischen Armee wurde am Freitagabend ein junger Palästinenser im Westjordanland angeschossen, er starb später im Krankenhaus.

Verwaltungshaft für jüdische Extremisten

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte den schweren Brandanschlag in aller Schärfe. Die für diesen "Terrorakt" Verantwortlichen müssten umgehend zur Rechenschaft gezogen werden. Auch die israelische Regierung verurteilte das Attentat und versprach umfassende Ermittlungen. Verteidigungsminister Mosche Jaalon ordnete an, die bisher nur gegen Palästinenser angewandte sogenannte Verwaltungshaft auch bei jüdischen Ultranationalisten anzuwenden. Diese ermöglicht es, Verdächtige ohne Anklage praktisch uneingeschränkt festzuhalten. Das Sicherheitskabinett wies nach eigenen Angaben die Behörden an, alle nötigen Schritte zu unternehmen, um die Verantwortlichen zu ergreifen und weitere militante Akte zu verhindern.

In Israel gab es am Samstag in mehreren Städten Demonstrationen gegen Hass und Gewalt. Bei einer Kundgebung in Tel Aviv äußerte sich auch der ehemalige Präsident Schimon Peres. "Diejenigen, die gegen israelische Araber hetzen, sollten nicht überrascht sein, wenn Kirchen und Moscheen brennen und wenn letztlich nachts ein Baby verbrennt", sagte er. Offenbar waren die Worte indirekt an Netanjahu gerichtet, der im Frühjahr im Wahlkampf mit kritischen Äußerungen über arabische Wähler polarisiert hatte.

kle/se (dpa, afp, ape, rtre)