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Was tun ohne russisches Öl?

11. Mai 2022

Wer muss verzichten? Das ist auch beim Öl die Frage, wenn der Nachschub aus Russland wegfällt. Es gibt einfache Mittel, den Verbrauch zu senken, die eigentlich auch gar nicht so weh tun.

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Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace malen den Schriftzug "Oil fuels war" auf den Rumpf eines Schiffes, das russisches Öl auf der Ostsee transportiert.
Mit Öleinnahmen finanziert Putin den Krieg gegen die UkraineBild: Frank Molter/dpa/picture alliance

Die EU-Staaten verhandeln noch über ein Ölembargo gegen Russland. Manche sehen sich eher in der Lage, auf Öl aus Russland zu verzichten als andere. Treffen wird es trotzdem jedes EU-Land und so stellt sich die Frage: Wer bekommt weniger, wenn es insgesamt weniger gibt?

Zwar bemühen sich viele Länder, allen voran Deutschland, nach alternativen Quellen zu suchen. Sinnvoll ist das jedoch nicht unbedingt. Denn bleibt die verbrauchte Menge gleich, weil andere Lieferanten gefunden wurden, dann bleiben auch die Preise für Öl hoch, was wiederum Putin freuen dürfte. Daher ist es vor allem wichtig, den Ölverbrauch zu verringern. Das ist auch in Bezug auf die Klimaziele notwendig.

"Fast die Hälfte des europäischen Bedarfs an russischem Öl kann bis 2023 eingespart werden, und fast der gesamte Bedarf bis 2025", glaubt William Todts, Geschäftsführender Direktor von Transport & Environment (T&E), einer Organisation, die sich für nachhaltigen Verkehr einsetzt. Verwendet wird Öl hauptsächlich für Heizen, für den Verkehr und für die Energiegewinnung. In der EU werden fast 70 Prozent des Erdöls im Verkehr verbraucht, vor allem von Pkw.

Schluss mit "freier Fahrt für freie Bürger"

Ein einfache Maßnahme, in Deutschland den Ölverbrauch zu senken, wäre ein Tempolimit. Bisher gibt es auf 70 Prozent der Autobahnstrecken keine Geschwindigkeitsbegrenzungen. Rund 2,1 Milliarden Liter fossile Kraftstoffe könnten im Jahr in Deutschland eingespart werden, wenn auf Autobahnen Tempo 100 und außerorts Tempo 80 gelten würde. Das wären 3,8 Prozent des Kraftstoffverbrauchs im Verkehrssektor, so die Berechnungen des Umweltbundesamtes.

Würde zusätzlich noch in Orten das Tempo auf 30 Stundenkilometer reduziert, könnte nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe insgesamt 3,7 Milliarden Liter Benzin und Diesel im Straßenverkehr eingespart werden. Weitere Maßnahmen wären: autofreie Sonntage, Anreize für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und mehr Homeoffice.

Allerdings wäre der Effekt des zu Hause Arbeitens wohl nur kurzfristig, sagt Waldemar Marz vom Ifo-Institut. Langfristig würden die Menschen aus Innenstädten wegziehen, in größere Wohnungen, hätten dadurch längere Wege, wenn sie mal zur Arbeit fahren und hätten weniger Anreiz, sich sparsamere Autos anzuschaffen.

Deutschland: Kein Tempolimit auf vielen deutschen Autobahnen. Bild: Autobahn A40
In fast allen Industrieländern ist die Geschwindigkeit auf Autobahnen und Landstraßen begrenzt. Nur Deutschland, Nordkorea, Somalia, Afghanistan, Haiti und der Inselstaat Dominica haben kein generelles Tempolimit.Bild: Jochen Tack/picture alliance

Geringerer Ölverbrauch, wenn mehr E-Autos fahren

Mittelfristig könne eine schnelle Umstellung auf E-Mobilität viel bewirken, heißt es von Transport&Environment (T&E). Damit ließe sich die Ölnachfrage bis 2023 um 38,8 Millionen Tonnen Öleinheiten gesenkt werden, was 48 Prozent des im europäischen Verkehr verbrauchten russischen Öls entspricht.

Vor allem, wenn Maßnahmen auf die Fahrzeuge ausgerichtet sind, die besonders viel fahren wie Firmenwagen, Taxis, Busse, Lieferwagen oder Lastwagen. Sie machen acht Prozent der gesamten Fahrzeugflotte aus, verbrauchen aber 19 Prozent des Öls im Verkehrsbereich. Würden Firmenwagen elektrisch fahren, würde das kurzfristig zu 2,25-mal höheren Öleinsparungen führen als die Elektrifizierung von Privatfahrzeugen, heißt es von T&E. Und würden die Fahrer und Fahrerinnen dann noch geschult, umweltbewusst zu fahren, würden sie ihren Reifendruck optimieren, würden Lkw mit aerodynamischen Vorrichtungen an den Seiten und am Heck ausgerüstet sein, ließe sich weitere Energie sparen.

Bahn statt Flugzeug

Auch im Flugverkehr wird Kerosin, dass aus Öl raffiniert wird, verbrannt. Würden in der EU alle Länder sich Frankreich zum Vorbild nehmen und Kurzstreckenflüge verbieten, wenn auch mit der Bahn gefahren werden kann, könnten jährliche Ölimporte aus Russland um zwei Milliarden Euro verringert werden. So eine Greenpeace-Analyse.

Russland: Arbeiter auf einem Ölfeld in Almetyevsk
Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine haben EU-Länder Öl im Wert von etwa 24 Milliarden Euro aus Russland importiertBild: Yegor Aleyev/TASS/dpa/picture alliance

Greenpeace fordert auch ein Ende der Geisterflüge. Das sind Flüge mit leeren oder halbleeren Maschinen, die von den Airlines durchgeführt werden, um beispielsweise Start- und Landerechte zu behalten. Greenpeace schätzt, dass im letzten Winter rund 100.000 Geisterflüge stattgefunden haben, die rund 360.000 Tonnen Kerosin verbraucht haben.

Weniger Geschäftsreisen per Flugzeug - das wurde ja während der Lockdowns schon geübt - würden weitere Einsparungen im Kerosinverbrauch bringen.

Unterstützung der Bürger ohne Fahranreize

Ein Tankrabatt, um den Bürgerinnen und Bürger angesichts der steigenden Energiepreise zu helfen, hilft dagegen nicht beim Ölsparen. Trotzdem wird er voraussichtlich am Freitag im deutschen Bundestag diskutiert. Der Plan: Für die drei Sommermonate soll die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden.

Wird Benzin und Diesel billiger, gibt es aber keinen Anreiz zu sparen, im Gegenteil. So haben die von 18 europäischen Ländern seit März angekündigten Kraftstoffsteuersenkungen in Höhe von 14 Milliarden Euro zu einem zusätzlichen Ölverbrauch von 3,3 Millionen Tonnen Öleinheiten geführt, heißt es von T&E.

Infografik zeigt Maßnahmen, um weniger Öl zu verbrauchen
10 Punkte Plan der Internationalen Energie Agentur zum Ölsparen

Maßnahmen, den Ölverbrauch zu senken, gibt es also einige. In der EU wird weiter diskutiert, ob und wann ein Ölembargo gegen russisches Öl möglich ist. In der vergangenen Woche hatte die Europäische Kommission ein Verbot sämtlicher Einfuhren von russischem Öl vorgeschlagen, wobei die Einfuhr von russischem Rohöl innerhalb von sechs Monaten und von Raffinerieprodukten bis Ende 2022 gestoppt werden soll. Deutschland wäre davon weniger stark getroffen. Kamen im letzten Jahr noch rund ein Drittel des Öls aus Russland, sind es inzwischen nur noch zwölf Prozent. Anders sieht es aus in Ungarn, der Slowakei, Tschechien und Bulgarien. Insgesamt kommt ein Viertel des in der EU verbrauchten Öls aus Russland.

Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion