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Mörderischer Wahlkampf

Martin Schrader 14. Mai 2007

Die Philippinen gelten auf dem Papier als älteste Demokratie Asiens. In der Praxis offenbart das Land jedoch demokratische Defizite. Das zeigte vor allem der mörderische Wahlkampf um die Neubesetzung des Parlaments.

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Präsidentin Gloria Arroyo
Präsidentin Gloria Arroyo werden Korruption und Machtmissbrauch vorgeworfenBild: AP

Wenn Wahlkampf wörtlich verstanden wird, tut dies keiner Demokratie gut. Das haben die vergangenen Monate auf den Philippinen verdeutlicht. Dort werden am heutigen Montag (14.05.2007) wichtige Wahlen durchgeführt: Das Abgeordnetenhaus wird neu besetzt, zudem werden die Hälfte der Senatssitze sowie tausende Ämter auf lokaler Ebene vergeben. Als zu Jahresbeginn der Wahlkampf um diese Posten begann, brach eine Welle blutiger Gewalt aus. Knapp 100 Menschen sind seitdem getötet worden. Die Hälfte von ihnen waren Kandidaten auf die zu vergebenden Ämter.

UN-Sonderberichterstatter Philip Alston (AP Photo/Bullit Marquez)
UN-Sonderberichterstatter Philip AlstonBild: AP

Nach Meinung vieler Beobachter hat vor allem die Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo diese Welle der Gewalt zu verantworten. Zwar kann ihr eine direkte Beteiligung daran nicht nachgewiesen werden. Nach Erkenntnissen des UNO-Sonderberichterstatters Philip Alston ermutigt die Regierung jedoch zu Tötungen von "Feinden" des Landes und behindert die Aufklärung dieser Morde.

Gewaltbereite Potentaten

Der Philippinen-Experte Howard Loewen vom Hamburger GIGA-Institut für globale und regionale Studien kritisiert ebenfalls das Verhalten der philippinischen Regierung. "Die Regierung hat sich nicht dadurch ausgezeichnet, dass sie diese Morde verfolgt hat", meint er. "Auch die Gewalt gegen politische Journalisten hat zugenommen, ohne dass die Regierung entsprechende Schritte eingeleitet hat."

In den Provinzen gibt es laut Loewen zudem lokale Potentaten wie Großgrundbesitzer und einflussreiche Familien, die auf eigene Faust handeln, wenn es darum geht, eine politische Linie zu verfolgen. Werde diese kritisiert, könne es sein, dass diese Familien private Killer zu ihren Kritikern schickten. Das sei schon häufig passiert, ohne dass mit entsprechenden Konsequenzen darauf reagiert worden sei.

Nicht frei, nicht fair

Im philippinischen Zweikammer-Parlament, dem nach US-Vorbild geformten Kongress, gibt die Partei der Präsidentin den Ton an. Die "Lakas" kam bei den vergangenen Wahlen im Jahr 2004 zwar nur auf 30 Prozent der Stimmen, verfügt damit aber aufgrund der zersplitterten Parteienlandschaft über die meisten Sitze in beiden Kammern.

Die Wahlen am Montag werden an den Machtverhältnissen im Parlament aller Voraussicht nach nichts ändern. Dafür sorgen die langen Arme der Regierung, nämlich Militär, Polizei und Geheimdienste, wie der Philippinen-Experte Theodor Rathgeber erläutert. Er ist unter anderem für die Vereinte Evangelische Mission sowie das Forum Menschenrechte in Genf tätig und begleitete eine Delegation philippinischer Bischöfe vor den UN-Menschenrechtsrat. Dort habe eine junge Frau aus einer Oppositionspartei erzählt, wie ihre politische Arbeit behindert werde. "Sicherheitskräfte, von denen man weiß, dass sie Angehörige militärischer oder geheimdienstlicher Organisationen des Staates sind, beobachteten das Versammlungslokal der Gruppe und die Versammlungsteilnehmer. Gegenüber führenden Leuten, die sich für lokale Ämter bewerben, drohten sie Schwierigkeiten an, falls sie gewählt würden." Es gebe so starke Behinderungen einiger Parteien im Wahlkampf, meint Rathgeber, dass man nicht von "freien, fairen und demokratischen Wahlen" sprechen könne.

Untätiger Senat

Eine Verschiebung der Macht im Parlament wäre nötig, um die politischen Morde und die Drangsalierung der Opposition durch den Kongress untersuchen zu lassen. Denn das Senatskomitee für Justiz und Menschenrechte lehnt in seiner derzeitigen Besetzung Anhörungen zu der Gewaltwelle ab. Begründung: Es seien keine neuen Gesetze erforderlich, deshalb sei das Ganze eine Sache der Exekutive. Zudem gebe es keine Zeugen für Menschenrechtsverletzungen.

Menschen mit verbundenen Augen
1999 kam es in Manila zu eine Protest gegen die Unterdrückung der Pressefreiheit (Archivfotos)Bild: dpa

UNO-Sonderberichterstatter Alston zeigte sich nach einem Besuch des Landes im März befremdet über den Unwillen zur Aufklärung der politischen Verbrechen. Geradezu entsetzt war Alston von der Untätigkeit philippinischer Staatsanwälte. Diese spielten bei der Verbrechensbekämpfung eine zentrale Rolle, seien jedoch durch das Justizministerium zur Passivität verdonnert. Staatsanwälte, die von der Polizei Unterlagen über ein Verbrechen erhielten und sie als unzureichend einschätzten, könnten diese lediglich zurück senden und hoffen, dass die Polizei beim nächsten Mal bessere Arbeit mache. In die Ermittlungen einschalten dürften sie sich nicht.

Das Verhalten von Regierung und Parlamentariern verdeutlicht, dass die Philippinen nur auf dem Papier als älteste Demokratie Asiens gelten, meint Rathgeber. "Alles, was wir in Westeuropa mit dem Begriff Demokratie verbinden, ist in den Philippinen nur nominell existent. Jeder, der dort auf demokratische Art und Weise öffentlich seine Meinung artikulieren will, führt ein riskantes Leben."