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"München": Auge um Auge, Zahn um Zahn?

26. Januar 2006

Keine Guten, keine Bösen, keine Unschuldigen: Alle sind an demselben Unrecht beteiligt - der Vergeltung. Steven Spielbergs Film "München" beschreibt die mörderischen Folgen des Olympia-Attentats von 1972.

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Ein Staat lässt Rache nehmenBild: dpa - Bildfunk

Erzählt wird nicht die Chronologie des palästinensischen Terroranschlags, der elf israelische Sportler das Leben kostete. Szenen dieser Tragödie werden zwar immer wieder eingeblendet, aber die Haupthandlung zeigt die Folgen des Anschlags: Der israelische Geheimdienst Mossad schickt ein Killer-Kommando los, um all jene elf Palästinenser der Organisation "Schwarzer September" zu töten, die für die Toten von München verantwortlich gemacht werden. Eine Telefonbombe in Paris, ein Anschlag in Beirut, Schüsse in Spanien, außerdem Zypern, London und Amsterdam.

Die jüdischen Vollstrecker arbeiten effizient und erfolgreich. Doch vor allem ihr junger Anführer Avner (Eric Bana) wird zunehmend von Zweifeln geplagt. Er tötet, aber er verliert dabei nicht nur in seiner Gruppe einen Mann nach dem anderen, sondern auch ein Stück seiner eigenen Seele. Mit jedem Mord, das spürt Avner, wird er seinen Feinden ähnlicher. Avner bekommt panische Angst, weil in der zynischen Rache-Logik beider Seiten die Jäger am Ende zu Gejagten werden.

Regie

Regisseur Spielberg zieht alle Register seines Könnens: "München" hat alles, was man von einem Thriller erwartet - großartige Besetzung, fotogene Schauplätze, mysteriöse Informanten -, dennoch verweigert sich Spielberg bewusst der gedankenlos-gewalttätigen Action. Neben Eric Bana, der allerdings als einziger im Team Facetten zeigen darf, ist das Todeskommando unter anderem mit Daniel Craig, Hanns Zischler und Mathieu Kassovitz besetzt. Sie bilden bei ihrem Trip von einer Racheaktion zur nächsten eine Art "Familie", kommen sich bei selbst gekochten Festessen näher und lassen jeweils ganz eigene Geschichten und Motive erkennen. Der Australier Geoffrey Rush brilliert als verschlagen-schlauer Kontaktmann beim Geheimdienst.

Kein kritisches Wort fällt über München und die Münchner: Spielberg wirft keinen Blick auf die eklatanten Sicherheitspannen und das Informationschaos während und nach dem Anschlag. Das Drehbuch basiert auf dem Buch "Vengeance" von George Jonas - und auf den realen Ereignissen. Die allerdings haben sich Spielberg und Jonas recht eigenwillig zurechtgebogen haben. Der Film enthält viele Halbwahrheiten, lässt Fragen offen und ist zu suggestiv, um sich den Problemen, die er berührt, bis ins Letzte zu stellen.

Wirkung

Selten hat es jedoch eine so erhitzte Debatte um einen Film gegeben, bevor er überhaupt in den Kinos zu sehen war. Massiv kam die Kritik besonders von jüdischer Seite in den USA: Mit seinem Film soll Spielberg "Verrat an Israel" begangen haben. Der Kritiker der einflussreichen "New York Times" warf ihm "Versagen auf der ganzen Linie" vor.

Der Film tut aber das Gegenteil - nämlich die Fronten aufweichen. Fast wortgleich sagen Avners jüdische Mutter und ein Araber, der kurz darauf ermordet wird, in verschiedenen Szenen, dass es bei all dem Blutvergießen im Prinzip immer nur "um einen Ort zum Leben" gehe. Raffiniert inszeniert sind die Action-Szenen: Gegen Ende werden sich die Einsätze der israelischen Rächer und die Rückblenden auf die Terror-Taten von München stilistisch immer ähnlicher.

Der Jude Spielberg und sein ebenfalls jüdischer Drehbuchautor Tony Kushner haben keineswegs den palästinensischen Terror auf eine Stufe mit dem israelischen Gegenterror gestellt. Sie zeigen nur, dass auch die Reaktion Israels einen hohen menschlichen und moralischen Preis gekostet hat. "München" ist deswegen aber weder anti-israelisch noch anti-jüdisch. Plumpe Parteilichkeit für Israels durchaus fragwürdige Entscheidung, die als Drahtzieher des Attentats vermuteten Araber einen nach dem anderen umbringen zu lassen, hätten dem Film ungleich mehr geschadet als die Mäkelei an der angeblich fehlenden Treue zur jüdischen Sache und zum jüdischen Staat.

Schwächen

Dass es den Rachefeldzug Israels gegen die Drahtzieher gegeben hat, ist unbestritten. "Der größte Feind sind nicht die Palästinenser oder die Israelis", sagte Spielberg dem amerikanischen Magazin "Time". "Der größte Feind ist die Unnachgiebigkeit." Doch vielleicht hat sich Spielberg zuviel dabei gedacht: "München" funktioniert als Psychostudie über politische Überzeugungstäter. Aber der Wunsch, allen Opfern auf beiden Seiten gerecht zu werden, wirkt übertrieben. (arn)