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Politik

Sicherheitskonferenz: Der Tag der Europäer

16. Februar 2018

Europa will sich in Sicherheitsfragen vorsichtig von den USA abnabeln. Diese Versuche beherrschten den Auftakt der Sicherheitskonferenz, berichtet Matthias von Hein aus München.

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54. Münchner Sicherheitskonferenz - Bayerischer Hof
Bild: picture alliance/dpa/S. Hoppe

Teile der Münchner Innenstadt sind weiträumig abgesperrt. Kolonnen schwerer schwarzer Limousinen steuern begleitet von Polizeiwagen das stark gesicherte Luxushotel Bayerischer Hof an: Wieder einmal bringt die Münchner Sicherheitskonferenz Spitzenpolitiker, Militärs und Sicherheitsexperten aus aller Welt zusammen - und das Leben der Münchner durcheinander. Pflichtschuldig entschuldigt sich Konferenzchef Wolfgang Ischinger schon bei der Eröffnung für die Unannehmlichkeiten, die mit dieser Konferenz für die Einheimischen verbunden sind.

Sicherheitskonferenz in unsicherer Welt

Ein schlechtes Gewissen hat Ischinger deswegen freilich nicht. Die Sicherheitskonferenz als Forum der Begegnung unterschiedlichster Positionen und Akteure sei wichtiger denn je. Denn "die Lage der globalen Sicherheit ist heute instabiler, als sie es jemals seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion gewesen ist", betont der Spitzendiplomat im Gespräch mit der DW. Ischinger zählt einige Problemfelder auf: "Die Instabilität des Mittleren Ostens, das Risiko größeren Konflikts. Das Atomproblem mit Nordkorea wird nicht verschwinden, nur weil wir schöne Bilder von den Olympischen Spielen sehen. Und da ist die ungelöste Frage, wie wir im Westen mit Russland umgehen - denken Sie an die Ukraine, denken Sie an die Krim."

All diese Themen werden am Eröffnungstag noch eingehend behandelt. So ruft UN-Generalsekretär Antonio Guterres die USA und Nordkorea zu direkten Gesprächen auf. Der Emir von Katar, Scheich Tamin Bin Hamad Al-Thani, bringt das Kunststück fertig, schwere Vorwürfe gegen Saudi-Arabien und dessen Herrscher zu erheben, ohne das Land auch nur namentlich zu erwähnen - und mahnt ein regionales Sicherheitsabkommen an, "bevor alles auseinanderfällt".

"Transatlantisch bleiben, europäischer werden"

Aber: Insgesamt ist dieser erste von drei Konferenztagen der Tag der Europäer. Die Eröffnungsreden in dem überwiegend mit Männern besetzten Tagungssaal - viele von ihnen in Uniform - halten zwei Frauen: die Verteidigungsministerinnen Deutschlands und Frankreichs, Ursula von der Leyen und Florence Parly. Beide werben leidenschaftlich für verstärkte militärische Zusammenarbeit innerhalb der EU und größere Unabhängigkeit von den USA - wobei Deutschland und Frankreich mit gemeinsamen Rüstungsprojekten vorangehen wollen. So wollen beide gemeinsam einen neuen Kampfpanzer und ein Kampfflugzeug entwickeln. Von der Leyen rief der Konferenz zu: "Wir wollen transatlantisch bleiben, aber europäischer werden."

Die deutsche Verteidigungsministerin betont die Bedeutung von Entwicklungspolitik für Sicherheit und Frieden. In diesem Zusammenhang übte von der Leyen heftige Kritik an US-Präsident Donald Trump: Der würde seine Politik einseitig auf militärische Stärke ausrichten. Es dürfe keine Arbeitsteilung geben, wonach die USA nur für das Militärische zuständig seien und die EU für die humanitären Folgefragen, warnte von der Leyen. Der DW sagte die CDU-Politikerin: "Alle sind für beide Seiten der Medaille verantwortlich. Dies müssen wir uns beiderseits des Atlantiks zur Richtschnur machen." Zugleich betonte von der Leyen, die neuen militärischen Strukturen innerhalb der EU seien keine Konkurrenz zur NATO.

Europäer abhängig von USA 

Das wird NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erfreut haben. Stoltenberg war erkennbar beunruhigt, innerhalb der EU könnten Strukturen parallel zur NATO entstehen. "In Wirklichkeit könnte die Europäische Union Europa nicht allein schützen", erklärt Stoltenberg. Im DW-Interview rechnet er kühl vor, nach dem Brexit würden 80 Prozent der NATO-Militärausgaben von Nicht EU-Ländern aufgebracht - vor allem von den USA und der Türkei.

Und während auf dem Podium weiter diskutiert wird über Europas Verteidigung, die Steigerung von Rüstungsausgaben, die Bedeutung der NATO und die Bedrohung durch Russland, wird am Rande der Konferenz die Freilassung des Journalisten Deniz Yücel zum Top-Thema. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff sagte der DW: "Es ist großartig für Herrn Yücel, endlich frei zu sein, und das sind gute Nachrichten. Auf einer anderen Ebene aber, politisch gesprochen, ist er nur einer von vielen Journalisten, die hinter Gittern saßen und immer noch sitzen." Der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir bezeichnete die behauptete Unabhängigkeit der türkischen Justiz als größten Witz des Jahres. Der DW sagte Özdemir: "Erdogan entscheidet, wer im Gefängnis sitzt. Erdogan entscheidet, wer freigelassen wird. Deniz Yücel wurde freigelassen, weil die Türkei ihn nicht mehr im Gefängnis braucht. Aus keinem anderen Grund." 

Geheimdienstchefs und Pressekonferenzen

Am Rande der Sicherheitskonferenz kam es zu einer europäischen Premiere: Die Geheimdienstchefs Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens veranstalteten eine gemeinsame Pressekonferenz. Die Kernaussage: Auch nach dem Brexit würden BND, DGSE und MI6 ihre enge Zusammenarbeit fortsetzen und weiter vertiefen. So ganz konnten sich die Dienstchefs Bruno Kahl, Bernard Emie und Alex Younger von ihren geheimdienstlichen Gewohnheiten aber nicht freimachen: Aus der Pressekonferenz darf nicht zitiert werden.

Matthias von Hein
Matthias von Hein Autor mit Fokus auf Hintergrundrecherchen zu Krisen, Konflikten und Geostrategie.@matvhein