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"Können Grenzen nicht korrigieren"

Mathias Bölinger11. April 2014

Das Auswärtige Amt veranstaltet eine Reihe von Vorlesungen zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg und blickt dabei auch nach Ostasien. Drei Fragen an Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

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Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Im Lichthof des Deutschen Historischen Museums, dem ehemaligen Waffenarsenal des preußischen Militärs, sind Stühle aufgebaut. Feierlich gekleidetes Publikum strömt herein. Gleich wird der ehemalige australische Premierminister Kevin Rudd über Parallelen zwischen dem Ersten Weltkrieg und der heutigen Sicherheitslage in Ostasien sprechen. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist Gastgeber der Veranstaltung in Berlin. Am Abend wird er nach Japan weiterfliegen, kurz vor Beginn der Veranstaltung empfängt er noch in einem Nebenraum verschiedene Delegationen - und unseren Reporter Mathias Bölinger.

Deutsche Welle: Sie haben in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung zum Auftakt dieser Veranstaltungsreihe selbst Parallelen zwischen Europa vor 100 Jahren und Asien gezogen. Was kann Europa, was können Sie auf Ihrer Reise für Ideen aus der europäischen Geschichte anbieten, um Auswege aus der derzeitigen Konfliktlage - etwa zwischen Japan und China - aufzuzeigen?

Frank-Walter Steinmeier: Solche Parallelen sind etwa von Henry Kissinger in seinem großen Buch "On China" beschrieben worden und das hat uns aufmerksam gemacht, genauer hinzuschauen - auch genauer hinzuschauen, was die gegenwärtigen Spannungen zwischen Japan und China ausmacht. Wir haben keine Ratschläge zu geben. Aber wir berichten natürlich von unseren europäischen Erfahrungen, wenn wir auf solchen Reisen unterwegs sind. Erfahrungen zum Beispiel, die wir mit unseren französischen oder polnischen Nachbarn gemacht haben: Wie wir nach vielen Schwierigkeiten Möglichkeiten gefunden haben, über unsere schwierige gemeinsame Geschichte zu sprechen, sie zu analysieren und zu einer besseren Nachbarschaft und heute Freundschaft zu kommen.

Sie haben in ihrem Artikel die Situation in Asien mit Europa kontrastiert, wo die Stärke des Rechts das Recht des Stärkeren abgelöst habe. Mit Blick auf die Krise in der Ukraine - würden Sie das heute so wiederholen?

Ich habe gerade erst in diesen Tagen im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise einen ähnlichen Satz wiederholt. Ich habe gesagt, dass wir die Stärke des Rechts - gemeint ist hier das Völkerrecht - wiederherstellen müssen. Es kann nicht sein, dass wir sieben Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkriegs daran gehen, Grenzen zu korrigieren. Das öffnet eine Büchse der Pandora, aus der neue Konflikte entstehen. Und genau das müssen wir vermeiden. Das ist Aufgabe auch von Außenpolitik und Diplomatie.

China und Japan gehören jeweils für den anderen zu den wichtigsten Handelspartnern. Auch zwischen der EU und Russland ist die wirtschaftliche Verflechtung in den vergangenen 25 Jahren immer enger geworden. Müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass gute Wirtschaftsbeziehungen Konflikten vorbeugen?

Nein, wir müssen uns nicht von der Idee verabschieden, dass durch Handel auch Annäherung erfolgt. Aber die Annäherung schützt nicht davor, dass man in überwunden geglaubte Konflikte der Vergangenheit zurückfällt. Auch das zeigt die gegenwärtige Krise rund um die Ukraine. Es kommt darauf an, dass wir solche Prozesse politisch begleiten, festigen und dafür sorgen, dass geopolitische Kriterien nicht mehr die bestimmenden Faktoren in der Außenpolitik des 21. Jahrhunderts sind.

Das Interview führte Mathias Bölinger.