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Nach Biden-Verzicht: Harris sammelt Stimmen der Demokraten

22. Juli 2024

US-Präsident Joe Biden hat seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl zurückgezogen und seine Stellvertreterin als Kandidatin der Demokraten vorgeschlagen. Viele prominente Parteikollegen sagen ihre Unterstützung zu.

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USA Wahlkampf Demokraten Vizepräsidentin Kamala Harris und Joe Biden
Vizepräsidentin Kamala Harris und US-Präsident Joe Biden bei einem Wahlkampfauftritt in Philadelphia im Mai Bild: Ricky Fitchett/ZUMA Press Wire/picture alliance

Nach dem dramatischen Rückzug von US-Präsident Joe Biden als Spitzenkandidat hoffen die US-Demokraten auf eine Wende im Wahlkampf gegen den Republikaner Donald Trump. Als aussichtsreichste Ersatzbewerberin vor der Präsidentschaftswahl im November gilt nun Vizepräsidentin Kamala Harris, die Biden selbst empfohlen hat.

"Ich fühle mich geehrt, die Unterstützung des Präsidenten zu haben, und ich habe die Absicht, diese Nominierung zu verdienen und zu gewinnen", teilte die ehemalige kalifornische Generalstaatsanwältin und Ex-Senatorin mit. Die 59-jährige Harris ist die erste Schwarze und erste Frau, die den Eid als US-Vizepräsidentin abgelegt hat und gilt als schlagfertig und kämpferisch. Sie ist 19 Jahre jünger als Trump, machte an der Seite Bidens in der öffentlichen Wahrnehmung aber nicht immer eine gute Figur.

Demonstrative Einheit für Harris

Der Austausch des designierten Spitzenkandidaten nur wenige Monate vor der US-Wahl und nur Wochen vor wichtigen Fristen in einigen Bundesstaaten ist für die Demokraten ein heikles Manöver. Nachdem Biden seiner Stellvertreterin die volle Unterstützung zugesagt hatte, sprachen sich auch eine Reihe weiterer Parteigrößen zügig für sie aus - darunter vor allem die Gouverneure Gavin Newsom (Kalifornien), Josh Shapiro (Pennsylvania) und Roy Cooper (North Carolina), die als alternative Kandidaten gehandelt wurden.  Vom linken Flügel der Partei bekam Harris Unterstützung von der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez. Konkurrenz von der einflussreichen Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, muss die Vizepräsidentin nach deren Verzicht nicht fürchten.

Vizepräsidentin Kamala Harris bei einer Ansprache in New York City im April
Anscheindend gute Aussichten für Vizepräsidentin Kamala HarrisBild: picture alliance/NDZ/STAR MAX/IPx

Die Vorsitzenden der demokratischen Parteien der US-Bundesstaaten stellten sich bereits hinter Harris. "Nach der Ankündigung von Präsident Biden haben sich unsere Mitglieder sofort versammelt, um sich hinter der Kandidatin zu vereinen, die bereits in schwierigen Wahlkämpfen erfolgreich war und sich als Führungspersönlichkeit in den Bereichen bewährt hat, die den Amerikanern wichtig sind: das Recht auf Abtreibung, Verhinderung von Waffengewalt, Klimaschutz, Justizreform und Wiederaufbau der Wirtschaft", teilte der Präsident der Vereinigung der Demokratischen Parteikomitees der US-Bundesstaaten, Ken Martin, mit.

Allerdings haben sich einige führende Demokraten, darunter die Ex-Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, noch nicht zu Harris' Kandidatur geäußert. Der frühere Präsident Barack Obama sprach nur von der Zuversicht, dass "ein herausragender Kandidat" gefunden werde. 

Wenige Stunden nach Bidens Rückzug erschien die Chance zunächst gering, dass Harris einen ernsthaften innerparteilichen Konkurrenten bekommt. Nach Berichten einiger US-Medien erwägt der als Quertreiber bekannte Senator Joe Manchin anzutreten. Chancen dürfte er nicht haben. Der Nominierungsparteitag der Demokraten findet Mitte August in Chicago statt.

Reißleine nach desaströser Debatte 

Der 81-jährige Biden, der von seinen Parteikollegen als selbstloser Held und großer US-Präsident gefeiert wurde, zog mit dem Rückzug die Reißleine nach einer desaströsen Debatte gegen Trump Ende Juni. In den vergangenen Tagen wurde es unter dem enormen Druck des demokratischen Partei-Establishments immer deutlicher, dass Biden sich von den Folgen des Auftritts nicht mehr erholen würde.  Biden war zuletzt wegen seines geistigen Zustands nicht nur in der eigenen Partei massiv unter Druck geraten, auch seine Zustimmungswerte sanken weiter. Spender zogen sich zurück.

"Obwohl es meine Absicht war, mich um eine Wiederwahl zu bemühen, glaube ich, dass es im besten Interesse meiner Partei und des Landes ist, wenn ich mich zurückziehe und mich für den Rest meiner Amtszeit ausschließlich auf die Erfüllung meiner Pflichten als Präsident konzentriere", erklärte Biden nun in einem Brief an seine Landsleute. Nach US-Medienberichten trafen nach Bidens Entscheidung wieder Millionenspenden ein. 

Der Kandidat in der Krise: Diskussion um US-Präsident Biden

Biden ist der erste Präsident in der Geschichte der USA, der seine Kandidatur aufgrund von Bedenken bezüglich seiner geistigen und körperlichen Fitness aufgibt. Zudem hat noch nie ein Präsident so spät seinen Rückzug aus dem Rennen verkündet. Der Rückzug nur dreieinhalb Monate vor der US-Wahl markiert eine spektakuläre Wende in einem Wahlkampf, in dem sich der frühere Präsident Donald Trump nach dem Attentat vor einer Woche gute Chancen gegen Biden ausrechnete. In so gut wie allen Umfragen lag Trump deutlich vor dem Amtsinhaber. Experten machten dafür aber eher Bidens Schwäche als Trumps Stärke verantwortlich.

Trump schäumt

Donald Trump schien nach dem Rückzug Bidens wütend zu sein. Sein Team habe Zeit und Geld in "den Kampf gegen den betrügerischen Joe Biden" investiert. "Jetzt müssen wir wieder von vorn anfangen", schimpfte Trump auf der von ihm mitbegründeten Internet-Plattform Truth Social.  Der 78-Jährige war beim Parteitag der Republikaner in Milwaukee vergangene Woche offiziell zum Kandidaten seiner Partei gekürt worden. Als Vizekandidat der Republikaner geht der Senator J.D. Vance ins Rennen.

Der Parteitag inszenierte Trump nach dem Attentat auf ihn als Politiker, den die Schüsse verändert haben und der nun das tief gespaltene Land einen wolle. In seiner eigenen Nominierungsrede fiel Trump allerdings in alte Muster zurück, warf den Demokraten Wahlbetrug vor und beleidigte seine politischen Gegner. Trump und die Republikaner hatten gehofft, bei der Wahl im November gegen Biden leichtes Spiel zu haben.

Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Michigan am 20. Juli
Ex-Präsident Donald Trump bei einem Auftritt am 20. JuliBild: Carlos Osorio/AP Photo/picture alliance

Inzwischen rief der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, Biden zum sofortigen Rücktritt als Staatsoberhaupt auf. "Wenn Joe Biden nicht geeignet ist, um für das Präsidentenamt zu kandidieren, ist er nicht geeignet, um als Präsident zu dienen. Er muss das Amt sofort niederlegen", erklärte Johnson auf X.

Respektbezeugungen für Biden

Führende Demokraten sowie Staats- und Regierungschef aus der ganzen Welt zollten Biden Respekt für seinen Schritt. Der Fraktionschef im Senat, Chuck Schumer, würdigte Biden als großartigen Präsidenten und bemerkenswerten Menschen. "Seine Entscheidung war gewiss nicht leicht, aber er hat wieder einmal sein Land, seine Partei und unsere Zukunft an die erste Stelle gesetzt", schrieb Schumer in einer Stellungnahme.

Bundeskanzler Olaf Scholz zollte Biden Respekt. "Sein Entschluss, nicht noch einmal zu kandidieren, verdient Anerkennung", erklärte Scholz auf X. Der US-Präsident habe "viel erreicht: für sein Land, für Europa, die Welt", schrieb Scholz. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz erklärte auf X, Biden habe "mehr als fünf Jahrzehnte lang dem amerikanischen Volk gedient". Seine Entscheidung verdiene "größten Respekt".

kle/ehl (dpa, afp, rtr)