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Politik

Der angeschlagene Bürgermeister

Konstantin Klein
12. Juli 2017

Vor dem Treffen der G20 in Hamburg hatte Olaf Scholz für seine Stadt geworben und gesagt, man sei auf alles vorbereitet. Nach den Krawallnächten von Hamburg sind von Scholz andere Töne zu hören. Er geht in die Offensive.

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Olaf Scholz - Hamburger Bürgermeister
Bild: picture-alliance/dpa/D. Reinhardt

Ungefähr so sehr wie ein Hafengeburtstag würde der G20-Gipfel das Leben der Hamburger beeinträchtigen, hatte er gesagt. Dass die Sicherheit für Gipfelteilnehmer, Gipfelbeobachter und Anwohner gewährleistet sei, hatte er gesagt - vor dem Beginn des Gipfels, vor der ersten Demonstration und vor den ersten Krawallen. Jetzt tut ihm das alles leid, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit - die Geschehnisse und wahrscheinlich auch, was er vorher gesagt hatte. Der Illustrierten Stern sagte er: "Ich schäme mich für das, was geschehen ist." Und in seiner Regierungserklärung vor dem Hamburger Landesparlament, der Bürgerschaft, bat er seine Mitbürger am Mittwoch um Entschuldigung.

Er fühle sich als Bürgermeister für die Sicherheit der Hamburger verantwortlich. Im Nachhinein sei klar, dass die Sicherheitsbemühungen nicht gereicht hätten, um einer neuen Dimension der Gewalt Herr zu werden und Straftaten zu vereiteln. "Die Angst und der Terror, den die Gewalttäter verbreitet haben, steckt vielen noch in den Knochen - mir auch" - der Bürgermeister zeigt Betroffenheit.

G20 Gipfel in Hamburg | Plakat - Herr Scholz wir müssen reden
Auch Olaf Scholz sieht nach dem Gipfel GesprächsbedarfBild: Reuters/F. Bimmer

Ungewohnte Töne

Das sind ungewohnte Töne von Olaf Scholz. Er ist ein Pragmatiker mit einem gewissen Hang zu dröger Wortwahl. Aus seiner Zeit als Generalsekretär der SPD von 2002 bis 2004 hing ihm die Bezeichnung "Scholzomat" an - weil seine Antworten in Pressekonferenzen und Pressegesprächen immer ein wenig mechanisch und automatisiert wirkten. Scholz selbst empfand die Bezeichnung als "sehr treffend". Seine Stärke war nie sein Charisma - davon hat er eher wenig. Er galt bis zum vergangenen Wochenende vor allem als der Mann, der alles regelte - erfolgreich.

In der SPD war Scholz bisher ein vielseitig einsetzbarer Politiker. Von 1998 bis 2001 und von 2002 bis 2011 saß er für die SPD im Bundestag; in dieser Zeit war er auch Generalsekretär der Partei und Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Von 2007 an war er knapp zwei Jahre Bundesminister für Arbeit und Soziales - und trug in dieser Zeit zur Einführung der Rente mit 67 bei. Seit 2011 ist er Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg.

Vom Juso zum Schröderianer

Für einen ehemaligen stellvertretenden Juso-Vorsitzenden und Unterstützer des marxistischen Stamokap-Flügels der Juso-Hochschulgruppen hat Scholz einen langen Weg nach rechts hinter sich. Heute wird er dem konservativen Flügel der SPD zugerechnet; er gilt als Pragmatiker und - wegen seiner Zusammenarbeit mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder - als "Schröderianer". In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung bezeichnete Scholz 2002 die Überzeugungen seiner Jugendzeit freimütig als "fachlichen und sachlichen Schwachsinn".

Bevor sich die SPD im vergangenen Jahr für Martin Schulz als Kanzlerkandidaten entschied, war Olaf Scholz sogar als möglicher Kanzlerkandidat in der Diskussion. Die Krawalle um den Hamburger G20-Gipfel dürften an seinem Image als sachlichem Macher schlimme Kratzer hinterlassen; Kritiker vergleichen Scholz' Rolle rund um den Gipfel mit der des hamburgischen Innensenators während der großen Sturmflut 1962. Der Senator hieß Helmut Schmidt und hat sich durch sein beherztes Eingreifen in der Krise für höhere Ämter qualifiziert - 1974 wurde Schmidt Bundeskanzler. Verglichen mit ihm sieht Scholz einige Tage nach den Hamburger Krawallen nicht gut aus.

Deutschland Regierungserklärung nach G20-Krawallen vom Hamburgs OB Olaf Scholz
Olaf Scholz: Es gibt keinen Unterschied zwischen "guter" und "böser Gewalt"Bild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt

Dazu kommt, dass der Gipfel in seiner eigenen Partei nicht unumstritten war. Kanzlerkandidat Martin Schulz und Außenminister Sigmar Gabriel hatten sich vor dem Treffen dafür ausgesprochen, derartige Veranstaltungen künftig ausschließlich bei den Vereinten Nationen stattfinden zu lassen. Scholz, der als Bürgermeister auch für die Attraktivität seiner Stadt als Reiseziel und Veranstaltungsort zuständig ist, war darüber nicht erfreut. Unterstützung bekam Scholz dagegen vor dem Gipfel von CDU-Kanzlerin Angela Merkel und danach immerhin noch von deren Kanzleramtsminister Peter Altmaier, ebenfalls CDU. Der war für die Organisation des Gipfels mit verantwortlich und nimmt Scholz deshalb gegen Rücktrittsforderungen aus der Hamburger CDU in Schutz - auch, um die Berliner Koalition zwischen Union und SPD in den letzten Monaten vor der Bundestagswahl nicht zusätzlich zu belasten. Die Rücktrittsforderungen - auch aus der Bevölkerung - dauern jedoch an.

Die SPD hat ein Problem

Und so hat die SPD jetzt ein Problem. In seiner Regierungserklärung sagte Scholz: "Eine Mitverantwortung trifft auch jene, die - aus welchen Gründen auch immer - solche Taten verharmlosen, Verständnis für zerstörerisches Tun aufbringen und es sogar als politisches Handeln rechtfertigen." Und er erteilt einer Unterscheidung zwischen "guter" und "böser Gewalt", wie sie von der linken Seite des politischen Spektrums gelegentlich getroffen wird, eine eindeutige Absage. Die entschiedene und - nach dem Gipfel - nur noch entschiedener wiederholte Abgrenzung zu den Autonomen im Brenn- und Sammelpunkt Rote Flora wollen ihm und seiner Partei die politischen Gegner aber nicht abnehmen - schließlich ist Bundestagswahlkampf.

SPD-Politiker distanzieren sich jetzt bei jeder Gelegenheit von diesem Eindruck - der Ton verrät, dass sie die Gefahr im Wahlkampf durchaus sehen:

Allen lauten Tönen zum Trotz: Beim Thema G20 sitzen Union und SPD in einem Boot; letztendlich hatten beide den Gipfel gewollt, und beide waren an der Vorbereitung beteiligt. Dennoch: Für die SPD ist das politische Risiko nicht nur deshalb größer, weil Hamburgs Erster Bürgermeister einer der ihren ist. Den Sozialdemokraten trauen die Wähler beim Thema Innere Sicherheit traditionell weniger zu als der Union.