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Nach Tesla-Anschlag: Was will die Vulkangruppe?

6. März 2024

Ein mutmaßlicher Brandanschlag auf einen Strommast legt das Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin für Tage lahm. Zur Attacke bekennt sich eine Organisation, die sich selbst "Vulkangruppe" nennt. Was ist über sie bekannt?

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Fassade der Tesla-Fabrik in Grünheide
Leere Firmenparkplätze, dunkle Fensterscheiben: Nichts ging mehr im Tesla-Werk in GrünheideBild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Es ist ungefähr 4:50 Uhr in der Frühe, als am Dienstagmorgen auf einem Acker im brandenburgischen Steinfurt ein Strommast in Flammen aufgeht. Das Feuer ist absichtlich gelegt worden, um den Mast herumgeschichtete alte Autoreifen sollen es zusätzlich anfachen. Nach kurzer Zeit ist die Stromversorgung unterbrochen. Betroffen sind tausende Haushalte vor den Toren Berlins, vor allem aber die sogenannte "Gigafactory" des Autoherstellers Tesla im nahegelegenen Grünheide. Eigentlich sollen hier täglich rund 750 Elektrofahrzeuge vom Band rollen. Nun aber geht nichts mehr, 12.000 Mitarbeiter müssen nach Hause geschickt werden, der Schaden für Tesla wird mittlerweile auf "mehrere hundert Millionen Euro" beziffert.

Linksextreme "mit außerplanetarischen Verbündeten"

Kurz darauf postet die so genannte "Vulkangruppe Tesla abschalten!" ein Bekennerschreiben auf einer linksextremistischen Internetplattform. Die Polizei bestätigte mittlerweile dessen Echtheit. "Wir haben heute Tesla sabotiert", heißt es dort. Tesla-Chef Elon Musk sei ein "Technofaschist", dem Einhalt geboten werden müsse, weil er einen "totalitären technologischen Angriff" auf die Weltbevölkerung plane.

Es folgt eine wild gemischte Kritik an Kapitalismus, Ausbeutung, Umweltzerstörung und moderner Überwachungstechnologie, an der der Konzernchef laut der Gruppierung maßgeblich beteiligt sei. Ziel sei es daher, Tesla "in die Knie zu zwingen" und Musk in die Flucht zu schlagen - am liebsten bis auf den Mars. Aber auch dort sei der Multimilliardär nicht sicher, denn "unsere starken außerplanetarischen Verbündeten erwarten ihn schon." Die Verfasser des Schreibens sind sich sicher: "Wir werden also gewinnen."

Frankreich Elon Musk, CEO von SpaceX und Tesla und Eigentümer von X
Für die "Vulkangruppe" ist er so etwas wie der Inbegriff des Bösen: Tesla-Chef Elon MuskBild: Gonzalo Fuentes/REUTERS

Außer diesen Einblicken in ihre Weltsicht ist über die sogenannte "Vulkangruppe" bislang jedoch nicht viel bekannt. Sie wird dem linksextremen, anarchistischen Spektrum zugerechnet, also einer Strömung, die jede Art von Hierarchie oder Herrschaft von Menschen über andere prinzipiell ablehnt. Aus dem Bekennerschreiben wird darüber hinaus auch eine antipatriarchalische Haltung deutlich; den Anschlag bezeichnet die Gruppe als "Geschenk zum 8. März", dem Internationalen Frauentag.

Das jetzt veröffentlichte Pamphlet ähnele in Inhalt, Stil und Aufbau einer ganzen Reihe weiterer Bekennerschreiben der vergangenen Jahre sowie einem dem Verfassungsschutz vorliegenden "Strategiepapier" aus dem Jahr 2015. Daher gehen die Behörden von einem "(teil)-identischen Autorenkreis" aus, was wiederum darauf hindeuten soll, dass die Gruppe eine feste Struktur besitzt und aus langjährigen Mitgliedern besteht. Dabei, so der Berliner Verfassungsschutzbericht von 2019, "verwendeten die Tatausführenden wechselnde Namen, die sich zumeist auf isländische Vulkane beziehen".

Funkmasten und Stromleitungen als Ziel

Dem Berliner Landesamt für Verfassungsschutz zufolge gibt es die Gruppierung seit 2011. Aktiv war sie bislang vor allem im Raum Berlin-Brandenburg. Dort hat sie eine Reihe von Brandanschlägen verübt, vor allem auf Funk- und Strommasten, Datenleitungen oder Firmenfahrzeuge. Menschen sind dabei bislang nicht unmittelbar zu Schaden gekommen. Die Gruppe wolle aber "die Verwundbarkeit der urbanen Mobilitäts- und Kommunikationsinfrastruktur offenbaren, die öffentliche Ordnung stören und erheblichen Sachschaden anrichten", so der Berliner Verfassungsschutzbericht.

Ihren größten bisherigen Anschlag verübte eine "Vulkangruppe" 2018, als sie Starkstromleitungen in Berlin-Charlottenburg zerstörte und so mehr als 6500 Wohnungen und 400 Unternehmen stundenlang lahmlegte. Der Sachschaden betrug mehrere Millionen Euro. Und auch das Tesla-Werk in Grünheide war vor einigen Jahren schon einmal Ziel eines Angriffs. 2021, als die Fabrik noch in Bau war, waren Stromkabel in der Nähe in Brand gesetzt worden.   

Grünheide Proteste gegen Erweiterung Tesla-Fabrik
Seit Tagen besetzen Umweltaktivisten einen Wald, der für den Ausbau des Tesla-Werkes gerodet werden soll - von dem Anschlag distanzieren sie sichBild: Jochen Eckel/picture alliance

Musk: "Dümmste Ökoterroristen der Welt"

In der deutschen Politik wurde der mutmaßliche Brandanschlag scharf verurteilt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach von einer "schweren Straftat, die durch nichts zu rechtfertigen" sei. "Wenn sich ein linksextremistisches Motiv bestätigt, dann ist das ein weiterer Beleg, dass in der linksextremistischen Szene vor Angriffen auf kritische Energie-Infrastrukturen nicht zurückgeschreckt wird", erklärte sie. Bislang ermitteln die Behörden aber nicht wegen eines terroristischen Anschlags, sondern lediglich wegen vorsätzlicher Brandstiftung.

Auch Tesla-Chef Musk äußerte sich verärgert: "Das sind entweder die dümmsten Ökoterroristen der Welt oder sie sind Marionetten derer, die keine guten Umweltziele haben", schrieb er auf seiner eigenen Social Media-Plattform X. "Die Produktion von Elektrofahrzeugen anstelle von Fahrzeugen mit fossilen Brennstoffen zu stoppen, ist extrem dumm."

Umstrittene Fabrik

Die Tesla-Fabrik vor den Toren Berlins war von Anfang an umstritten. Dass die Fabrik in unmittelbarer Nähe eines Wasserschutzgebietes errichtet wurde, hatte zu zahlreichen Protesten von Anwohnern und Umweltaktivisten geführt. Sie wehren sich nun auch gegen Ausbaupläne, da diese womöglich das Grundwasser in der Region verknappen könnten. Tesla hatte den Bedenken bereits widersprochen. Umweltaktivisten der Initiative "Tesla stoppen!" halten seit Tagen mit Baumhäusern einen Teil des Waldes besetzt, der für die Erweiterung der Fabrik gerodet werden müsste. Von dem Brandanschlag auf den nahegelegenen Strommast haben sie sich allerdings distanziert. 

Thomas Latschan Bonn 9558
Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik