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Protest gegen belgische Atomkraft

Gero Rueter17. März 2015

Bürger und Politiker zeigen sich besorgt über Risse in belgischen Reaktoren. Die Angst vor Atomunfällen wächst. Der Protest gegen die alternde Atomtechnik kommt vor allem aus den Nachbarländern.

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Belgien Internationaler Protest gegen Atomkraft
Bild: DW/G. Rueter

"Auch wir könnten in die gleiche Situation kommen wie die Menschen in Fukushima. Das ist realistisch und bedrohlich", sagt Josie Bockholt. Vor dem belgischen Atomreaktor in Tihange zeigt sie ihre Sorge und ihren Protest. Aus der 60 Kilometer entfernten Grenzstadt Stadt Aachen reiste Bockholt zusammen mit über hundert Bürgern in Bussen an. "Es ist eine unverantwortliche Technologie. Ich habe die Hoffnung, dass der Protest ankommt und unsere Politiker Einfluss auf die belgische Regierung nehmen. Das kann nicht egal sein, dass eine Stadt wie Aachen plötzlich nicht mehr bewohnbar wäre."

Von einem Reaktorunfall in Tihange wären im dicht besiedelten Dreiländereck mehrere hunderttausend Menschen in Belgien, Deutschland und den Niederlanden betroffen. Die niederländische Universitätsstadt Maastricht liegt 50 Kilometer Luftlinie von Tihange entfernt. "Wir leben in einer Zone, die evakuiert werden müsste. Der alte Reaktor mit Rissen ist gefährlich und darf nicht wieder angeschaltet werden. Das wäre unverantwortlich", sagt Marit Rejk. Die 25-Jährige reiste aus Maastricht privat mit einer kleinen Gruppe an.

Belgien Internationaler Protest gegen Atomkraft
Bild: DW/G. Rueter

Unterstützung für belgischen Atomausstieg

Singend ziehen rund 1000 Demonstranten durch die Kleinstadt Tihange zum Kraftwerksgelände mit den drei Reaktoren. Aufgrund der entdeckten Risse ist Reaktor 2 vorläufig außer Betrieb. Es ist ungewiss, ob er wieder ans Netz geht. Zum vierten Jahrestag von Fukushima fordern die Demonstranten die endgültige Stilllegung dieses Reaktors und auch der anderen 30 bis 40 Jahre alte belgischen Reaktoren. "Tschernobyl 1986, Fukushima 2011, Tihange 20.. ?", steht mahnend auf einem Transparent.

Über die Hälfte der Demonstranten kommen aus Deutschland und den Niederlanden. "Im Moment ist die Mobilisierung in Belgien nicht so groß. Es ist schade, dass es wenigen bewusst ist, dass es hier eine Gefahr gibt", so Freddy Mockel, Fraktionsvorsitzender von ECOLO im belgischen Regionalparlament. Zumindest seine Partei, die belgischen Grünen, hat sichtbar mobilisiert.

Von dem grenzüberschreitenden Protest erhofft sich Mockel Rückenwind, damit sich auch in Belgien mehr Bürger für die Umsetzung des schon 2003 beschlossenen Atomausstiegs und des Energieumbaus engagieren. Er hält es für möglich, dass der mit Rissen beschädigte Reaktor Tihange 2 jetzt auch endgültig vom Netz geht. "Der politische Druck für die Abschaltung ist sehr groß."

Sorge aus den Nachbarregionen

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima schaltete Deutschland seine acht ältesten Atomreaktoren ab. Im Dreiländereck um Aachen wuchs zeitgleich "das Bewusstsein, dass aufgrund der Windrichtung das atomare Risiko aber vor allem aus Belgien kommt", erklärt Oliver Krischer, Grüner Bundestagsabgeordnete aus der Grenzregion. "Man erkennt es daran, dass alle Stadt- und Gemeinderäte hier einstimmig Resolutionen gegen den Betrieb von Thiange beschlossen haben."

Belgien Internationaler Protest gegen Atomkraft
Krischer fordert Konsequenzen von der deutschen RegierungBild: DW/G. Rueter

Enttäuscht zeigt sich der Energieexperte jedoch von der deutschen Regierung. Nach den nun bekanntgewordenen Rissen in den belgischen Reaktoren Tihange 2 und Doele 3 ließe sich die Bundesregierung zwar informieren, aber daraus folge nichts: "Die Gefahren aus den Nachbarländern nimmt man nicht zur Kenntnis. Eine klare Position zu den Risiken der belgischen Atomkraftwerke wäre hier wichtig."

Kritik an EU-Atompolitik

In dem Protestzug eingereiht hat sich auch Klaus Buchner. Er ist Europaabgeordneter, Mitglied der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), Professor und Kernphysiker. Buchner setzt auf die Vernunft der Verantwortlichen, dass die Reaktoren Tihange 2 und Doele 3 jetzt endgültig vom Netz genommen werden. "Die Gefahren sind zu groß. Diese zwei Reaktoren dürfen nicht wieder ans Netz. Durch die Neutronenbestrahlung wurde das Material in den Reaktoren und den Leitungen brüchig. Es besteht die Gefahr, dass eine Leitung platzt."

Sehr große Sorge macht ihm aber auch noch die EU-Politik, "die EU-Kommission treibt massiv den Neubau von Atomkraftwerken voran. Das ist gefährlich und auch wirtschaftlicher Wahnsinn. Der Grund ist für mich reiner Lobbyismus und das Abzocken von öffentlichen Geldern."