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Schlaflos in Mainhatten

Monika Lohmüller3. April 2012

Nachtflüge bleiben am Frankfurter Flughafen verboten. Die Anwohner freuen sich auf ruhigere Nächte. Die Wirtschaft ist besorgt, dass sie den Interessen der Exportnation Deutschland nicht mehr nachkommen kann.

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ARCHIV - Ein Flugzeug schwebt am 8. Mai 2006 ueber das Dach eines Mehrfamilienhauses in Raunheim auf den Flughafen in Frankfurt am Main zu. Das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag, 11. Maerz 2010, den Entschaedigungsanspruch privater Hauseigentuemer gestaerkt, die wegen einer Flughafenerweiterung unzumutbarem Verkehrslaerm ausgesetzt sind. (ddp images/AP Photo/Michael Probst) --- FILE - A plane flies over houses in Raunheim near Frankfurt, central Germany, Monday, May 8, 2006, approaching the Frankfurt airport. (ddp images/AP Photo/Michael Probst)
FluglärmBild: AP/AP/dapd

Vier Kilometer weit entfernt von der Stadt Raunheim ist der Aufsetzpunkt der Maschinen, die auf dem Frankfurter Flughafen ankommen. 500.000 Starts und Landungen jährlich gibt es in Frankfurt, bis 2020 sollen es 700.000 sein. Raunheim ist die am stärksten von Fluglärm belastete Kommune in der Region.

Wenn nachts geflogen werde, so Bürgermeister Thomas Jühe - er ist zugleich Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Fluglärmkommission (ADF) - gehe in Raunheim so richtig "die Post" ab. Bei Ostwetterlage gebe es über dem Stadtgebiet innerhalb von 24 Stunden 700 Anflüge in 300 Metern Höhe. "Da ist jedes Einzelschallereignis so laut, dass man sich nicht mehr unterhalten kann. Das liegt nämlich bei knapp 80 Dezibel." Bei einem solchen Lärm schlafe in der Nacht niemand mehr.

Wirtschaftsfaktor Frankfurter Flughafen

Klar, dass die Raunheimer ein absolutes Nachtflugverbot begrüßen, denn auch dort ist die Zahl derjenigen größer geworden, die sich gegen den Düsenlärm über ihren Häusern seit Jahren wehren. Doch der Frankfurter Flughafen hat für das Rhein-Main-Gebiet eine große wirtschaftliche Bedeutung. Er ist die größte Drehscheibe für den Luftverkehr in Deutschland und eine der größten in Europa. 2010 wurden 2,3 Millionen Tonnen Luftfracht umgesetzt. Am Passagier- und Frachtdrehkreuz sind rund 71.000 Menschen in etwa 500 Unternehmen und Institutionen beschäftigt.

Das Nachtflugverbot in Frankfurt werde etwa 1000 Menschen in der Region den Job kosten, sagt Klaus-Heiner Röhl vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Werden die Frachtflüge dann an die Flughäfen Köln/Bonn und Leipzig/Halle verlagert, dann entstünden dort allerdings wieder neue Jobs.

Gravierender für die Wirtschaft werde es allerdings, wenn das Nachtflugverbot auf alle deutschen Flughäfen ausgedehnt werde. In diesem Fall entstünden den Unternehmen größere wirtschaftliche Schäden. Denn dann müssten nächtliche Frachtflüge ins benachbarte Ausland verlagert werden. "Dann könnte es auf eine globale Abkoppelung hinauslaufen und auf einen Schaden für die Exportnation Deutschland", sagt Röhl.

Lufthansa Cargo mit Gewinneinbußen

Die Folgen des bereits im Oktober 2011 überraschend verhängten Nachtflugverbots in Frankfurt hat bereits Deutschlands führender Luftfrachtanbieter Lufthansa Cargo zu spüren bekommen. Auf etwa 20 Millionen Euro im vergangenen Jahr und weitere 40 Millionen Euro im laufenden Geschäftsjahr taxiert Lufthansa Cargo die Gewinneinbußen, die aus dem Wegfall der Flugverbindungen zwischen 23 Uhr und 5 Uhr resultieren.

Kurz nachdem die Nachtflüge untersagt wurden, baute Lufthansa Cargo seine Logistikumläufe radikal um. Zwei ihrer bislang 69 Nachtflüge in der Woche wurden gestrichen, elf wurden vorübergehend zum Flughafen Köln/Bonn verlegt, und die restlichen Verbindungen schoben die Cargo-Manager auf die Tageszeit. Allerdings: Eine Verlagerung zum Fracht-Drehkreuz in Leipzig oder zum Flughafen Hahn im Hunsrück steht nach Angaben des Unternehmens nicht zur Debatte.

Fluglärm gefährdet die Gesundheit

Doch nicht nur wirtschaftlich werden die Rechnungen eines Nachtflugverbotes aufgemacht. Nach Ansicht des Umweltbundesamtes ist sogar ein allgemeines Verbot notwendig. Denn das gesundheitliche Risiko, das für die Menschen durch Lärm entstehe, werde unterschätzt. Herz-Kreislauf-Belastungen und Schlafstörungen seien die Folge, sagt Uwe Brendle vom Umweltbundesamt. Und so entstünden weitere wirtschaftliche Kosten, beispielsweise wenn Menschen erkrankten: "Die Kosten stehen im Zusammenhang mit höheren Krankheitszahlen oder gar vorzeitigen Todesfällen."

Nach Angaben des Umweltbundesamtes schätzt die EU-Kommission die Kosten durch Verkehrslärm in den Ländern der Europäischen Union auf rund 40 Milliarden Euro jährlich: "Unsere Berechnungen", so Uwe Brendle, "gehen beispielsweise davon aus, dass im Raum Frankfurt am Main durch Fluglärm in den nächsten zehn Jahren zusätzliche Gesundheitskosten von 400 Millionen Euro für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Patienten entstehen könnten."