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#NAFO: Info-Krieger gegen russische Trolle

Stuart Braun
18. September 2022

Die "North Atlantic Fellas Organization", kurz NAFO, kämpft als globale Internetarmee mit witzigen Hunde-Memes gegen russische Desinformation im Netz.

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NAFO Meme: Hunde Memes in Militäruniformen, dahinter die NATO-Flagge.
Die Hunde-Memes sind Wahrzeichen der "NAFO"Bild: NAFO/Discord.com

Eigentlich war es nur ein Meme - mit einem Hund, genauer einem Shiba Inu, in Kriegsuniform. Trotzdem ist die Bewegung, die nach diesem harmlosen Tweet entstanden ist, zu einem Feindbild pro-russischer Trolle geworden, die seit Jahren das Netz mit falschen Informationen fluten. "Seit vielen Jahren führt Russland weltweit einen regelrechten Informationskrieg", sagt Ivana Stradner, Mitglied der NAFO sowie der "Foundation for Defense of Democracies" (FDD) und Autorin der ukrainischen Wochenzeitung "Kyiv Post". Zu Beginn des Ukraine-Krieges im Februar habe der Westen wenig getan, um Russlands Fake News mit "offensiven Informationskampagnen" zu begegnen, so Stradner.

Dieses Missverhältnis im Informationskrieg möchte die NAFO korrigieren - und beginnt dabei mit ihrem Namen, der gewollt auf das Nordatlantische Bündnis NATO anspielt. Ihr "beliebtester" Gegner: Die Vatniks, eine Gruppe russischer Trolle und "Hurra-Patrioten". 

Die NAFO-"Fellas" - also die Mitglieder - kreieren humorvolle Memes, mit denen sie russische Behauptungen persiflieren oder lächerlich machen. Etwa, dass Russland durch seinen Einmarsch die Ukraine von Nazis befreien wollte - eine Ironie, wenn man bedenkt, dass die Ukraine einen jüdischen Präsidenten hat.

Die NAFO entstand spontan im Mai, als der Twitter-Account @Kama_Kamilia einem "Fella" (in Form eines Shiba-Inu-Hundeavatars) anbot, Spenden für das ukrainische Militär und andere Gruppen zu sammeln. Wer spendet, bekommt einen Shiba-Inu-Avatar und kann sich sofort selbst nützlich machen - inzwischen hat die NAFO an die 80.000 Unterstützerinnen und Unterstützer.

Kampf gegen den "Whataboutism"

Ein besonderes Augenmerk der Gruppe gilt dem "Whataboutism" - der Strategie, einen Fokus auf einen anderen Missstand zu richten, um vom eigentlichen Thema abzulenken. So rechtfertigen selbsterklärte Anti-Imperialisten die russischen Angriffe damit, dass die NATO dies ja auch schon praktiziert habe, mit ihren Kriegen auf dem Balkan oder im Irak.    

Einen Monat nach der Gründung der NAFO wurde der russische Botschafter Michail Uljanow in eine Debatte mit einigen "Fellas" verwickelt, die den Bekanntheitsgrad der Gruppe im Internet erheblich steigerte. Wie Stradner in einem Tweet schrieb: "#NAFOfellas benutzen die stärksten Waffen: (un)raffinierte Memes und Satire, um die Gefühle sensibler russischer Trolle zu verletzen. Und ja, wir werden den Infokrieg gewinnen."

Jordan Maris ist ebenfalls Mitglied der NAFO. Er sagt, dass frühere Versuche, die russische Propaganda nur mit der Wahrheit zu bekämpfen, selten erfolgreich waren. Und er fügt noch ein Zitat hinzu, das Winston Churchill zugeschrieben wird, dieser aber nie gesagt hat: "Eine Lüge kann die halbe Welt umrunden, bevor die Wahrheit überhaupt ihre Hose anziehen kann".

Spott statt Wahrheit

Warum also sind die Memes der NAFO, die sich über pro-russische Accounts lustig machen, so wirkungsvoll? "Wir versuchen nicht, ihre Propaganda zu widerlegen, denn es ist extrem einfach, Lügen zu erfinden und sehr schwer, sie zu widerlegen", erklärt Maris im DW-Gespräch. "Stattdessen machen wir uns offen über sie lustig."

Ivana Stradner sagt, dass die Konterkarierung offizieller russischer Narrative mit lächerlichen Hunde-Cartoons zum Teil deshalb so effektiv war, weil "Humor für die russische Gesellschaft enorm wichtig ist." Anstatt russische Behauptungen mühsam zu widerlegen, lanciert die NAFO Memes - etwa gegen russische Diplomaten - die "so absurd sind, dass sie nicht wirklich etwas dagegen unternehmen und darauf reagieren können", sagte sie. "Hier leistet die NAFO meiner Meinung nach eine ganz wunderbare Arbeit".

Vereint im Kampf für die Selbstbestimmung der Ukraine

Der Einfluss der NAFO hänge auch mit ihrer Entwicklung zu einer weltweiten Bewegung mit einem gemeinsamen Ziel zusammen - nämlich der ukrainischen Selbstbestimmung, sagt Jordan Maris. Von Vorteil sei auch, dass die NAFO keine bezahlten Trolle im Auftrag einer Regierung seien, sondern eine eigenständige, spontane Graswurzelbewegung. "Die Vielfalt der NAFO ist auch ein Beweis für die organische und diverse Natur unserer Bewegung", erklärt Maris. "Politiker, Botschafterinnen, ehemalige Premierminister, Akademikerinnen, Anarchisten, Rentnerinnen, ehemalige Armeeoffiziere, Landwirte und Ingenieurinnen, alt und jung, links und rechts und aller Hautfarben, Herkünfte, Geschlechter und Sexualitäten", so Maris.

Im Gegensatz zu den russischen Bots, die als vermeintliche Individuen mit ebenfalls vermeintlich unabhängigen Meinungen auftreten, bekennen sich die NAFO-Mitglieder zur Solidarität und zu einer gemeinsamen Sache. "Wir alle fühlten uns machtlos, als der Krieg ausbrach, und wir alle wollten etwas tun, um zu helfen. Das ist es, was uns zusammenbringt." So bieten laut Maris "sehr talentierte Leute" den russischen Tyrannen und Propagandisten im Internet die Stirn, nicht nur mit lustigen Memes, sondern auch mit ausführlichen Videos, die auf den Krieg aufmerksam machen.

Können Troll-Armeen im Netz einen Krieg gewinnen?

Lob für ihr Engagement gegen russische Trolle bekam die NAFO von höchster Stelle: Das ukrainische Verteidigungsministerium twitterte: "Normalerweise bedanken wir uns bei unseren internationalen Partnern für die Unterstützung. Aber heute wollen wir einer einzigartigen Organisation ein Lob aussprechen - der North Atlantic Fellas Organization #NAFO. Danke für euren erbitterten Kampf gegen die Propaganda und Trolle des Kreml. We salute you, fellas!"

Verteidigungsminister Oleksii Reznikov übernahm dann stolz seinen eigenen Hunde-Avatar, ein Zeichen seiner Anerkennung für die Info-Krieger. "Die NAFO ist für viele von uns auch deswegen so wichtig, weil sie die Spielregeln ausgleicht und uns die Möglichkeit gibt, uns tatsächlich zu wehren", so Maris.

Da nur drei Prozent der Russinnen und Russen Twitter, die Hauptplattform von NAFO, nutzen, wird der endgültige Erfolg der Bewegung laut Ivana Stradner davon abhängen, ob es gelingt, ihr Profil auf anderen Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Telegram zu etablieren.

Das Hauptaugenmerk solle weiterhin auf dem ukrainischen Volk liegen, wünscht sich Jordan Maris - seiner Meinung nach verteidigt es ganz Europa gegen eine mögliche russische Aggression. "Länder auf der ganzen Welt müssen der Ukraine alles zur Verfügung stellen, was sie für einen Sieg braucht, einschließlich moderner Panzer und Flugzeuge. Was den Propagandakrieg angeht - das können Sie uns überlassen!"

Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.