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KonflikteNahost

Nahost: Erste Geiseln der Hamas wieder frei

27. November 2023

Die militant-islamistische Palästinenserorganisation Hamas hat die ersten Geiseln nach Verhandlungen mit Israel freigelassen. Zurzeit herrscht eine Feuerpause zwischen Israel und der Hamas. Ein Nachrichtenüberblick.

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Ein Auto des Roten Kreuzes
Die freigelassenen Geiseln wurden dem Roten Kreuz übergeben - mutmaßlich sind welche in diesem FahrzeugBild: Ibraheem Abu/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Hamas lässt erste Gruppe von Geiseln frei
  • Feuerpause zwischen Hamas und Israel
  • Israel bereitet sich auf nächste Etappe vor
  • Baerbock bekräftigt Zwei-Staaten-Lösung

 

Nach Beginn der Feuerpause in den Kämpfen zwischen der militant-islamistischen Hamas und Israel ist eine erste Gruppe israelischer Geiseln von der Hamas im Gazastreifen dem Roten Kreuz übergeben worden. Sie befinden sich inzwischen wieder auf israelischem Gebiet und werden dort medizinisch untersucht, wie die israelische Armee und der Inlandsgeheimdienst Schin Bet am Freitagabend gemeinsam mitteilten. Die Hamas wird von Israel, Deutschland, der EU, den USA und einigen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft.

Anschließend sollen die Freigelassenen in israelische Krankenhäuser gebracht werden und dort ihre Angehörigen treffen, hieß es weiter. Nach Angaben des Vermittlers Katar handelt es sich um 13 Personen, darunter mehrere ältere Frauen sowie Mütter und Kinder. Sie kamen nach einer Vereinbarung zwischen Israel und der islamistischen Terrororganisation Hamas frei. Zudem wurden nach den Angaben aus Katar auch zehn Thailänder und ein philippinischer Staatsbürger freigelassen. Im Gegenzug wurden 39 palästinensische Frauen und Teenager aus israelischen Gefängnissen entlassen, wie das Außenministerium Katars weiter mitteilte.

Fünf lächelnde Frauen, eine mit einem Kinderbild und der Aufschrift "Bring them home"
Freude und Erleichterung in Tel Aviv nach der Bestätigung der GeiselfreilassungBild: Ariel Schalit/AP/picture alliance

Auch Deutsche unter den Freigelassenen

Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu veröffentlichte eine Namensliste der 13 israelischen Freigelassenen. Darunter waren auch die Namen von vier Personen, die nach Angaben ihrer Familien auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Darunter waren eine 34-Jährige sowie ihre beiden Töchter im Alter von zwei und vier Jahren sowie eine 77-Jährige. 

"Ich bin unendlich erleichtert, dass soeben Geiseln aus Gaza freigekommen sind, darunter vier Deutsche, dass ein Vater nach 49 Tagen der Hölle, des unglaublichen Bangens, endlich seine zwei kleinen Töchter, seine Ehefrau wieder sicher in die Arme schließen kann", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Rande des Grünen-Parteitags in Karlsruhe.

"Mein persönlicher Dank gilt meinem katarischen Amtskollegen, dem internationalen Roten Kreuz und Ägypten", führte Baerbock aus. Dabei wies sie darauf hin, dass weiterhin über 200 Frauen und Männer und insbesondere auch Kinder in der Gewalt der Hamas seien. "Unsere Gedanken sind heute bei ihnen und auch bei den Familien. So sehr dieser Tag heute ein Tag der Hoffnung ist, so wenig ist es ein Tag des Aufatmens.“

Unklar, wie viele Geiseln noch leben

Die Menschen waren am 7. Oktober von der Hamas entführt worden. Damals waren hunderte Kämpfer der Hamas nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Nach Angaben der israelischen Regierung wurden etwa 1200 Menschen getötet, rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt, darunter auch Staatsangehörige anderer Länder wie Thailand, die USA, Nepal, Frankreich und die Ukraine.

Nach der Freilassung dürfte zunächst nur wenig über das weitere Schicksal der Geiseln bekannt werden. Das israelische Militär rief die Öffentlichkeit und die Medien zu Geduld und Sensibilität auf. Psychologen gehen davon aus, dass besonders die Kinder nach sieben Wochen Geiselhaft schwer traumatisiert sein könnten. Sie hatten am 7. Oktober schlimmste Gewalt miterlebt. Wie viele der rund 240 entführten Menschen noch am Leben sind und wo genau sie im Gazastreifen festgehalten werden, ist unklar. 

Im Gazastreifen gilt seit Freitagmorgen 07.00 Uhr Ortszeit (06.00 Uhr MEZ) eine viertägige Waffenruhe zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas. Das Golfemirat Katar, das maßgeblich in dem Krieg vermittelt, erklärte, sobald die Feuerpause greife, könnten humanitäre Hilfsgüter in das abgeriegelte Palästinensergebiet gebracht werden. Ziel Katars sei es, dass aus der Waffenruhe eine permanente Feuerpause werde. 

Nach Angaben eines Sprechers des katarischen Außenministeriums sollen dann am Freitagnachmittag gegen 16.00 Uhr Ortszeit (15.00 Uhr MEZ) die ersten Geiseln aus der Hand der Hamas freikommen. Es handele sich um 13 Frauen und Kinder. Das Büro des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu erklärte, "eine erste Liste" mit Namen von Geiseln erhalten zu haben und mit den Familien aller Verschleppten in Kontakt zu stehen. Zudem sollen an diesem Freitag auch palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen werden.

Schwierige Verhandlungen - Feuerpause in Gaza

Während der Waffenruhe sollen insgesamt 50 Geiseln - Frauen sowie Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren - von der Hamas freigelassen werden. Im Gegenzug will Israel 150 palästinensische Häftlinge auf freien Fuß setzen. An diesem Freitag sollen palästinensischen Angaben zufolge zunächst 39 Gefangene aus israelischer Haft freikommen. Dabei würde es sich um 24 Frauen und 15 männliche Jugendliche handeln, teilte ein Vertreter der Palästinenser mit.

Täglich 200 Lastwagen mit Hilfsgütern

Über den ägyptischen Grenzübergang Rafah sollen während der Waffenruhe täglich 130.000 Liter Diesel und vier Lastwagen-Ladungen mit Gasflaschen in den Gazastreifen gebracht werden. Insgesamt würden pro Tag 200 Lkw mit Hilfsgütern in das Palästinensergebiet fahren, teilten die ägyptischen Behörden in Kairo mit. Die ersten LKW mit Hilfslieferungen haben bereits die Grenze passiert.

Raketenalarm im israelischen Grenzgebiet auch nach Feuerpause

Auch nach Inkrafttreten einer Feuerpause hat es am Morgen im israelischen Grenzgebiet Raketenalarm gegeben. Die israelische Armee teilte mit, Warnsirenen hätten in Gemeinden entlang des Gazastreifens geheult. Bei früheren Gaza-Kriegen hatte es zu Beginn von Waffenruhen beider Seiten immer wieder Verstöße gegeben.

Armeesprecher: Bereiten uns auf die nächste Etappe vor

Die Kontrolle über die nördliche Hälfte des Gazastreifens ist nach Angaben des israelischen Militärs "nur die erste Etappe" auf dem Weg zur Zerstörung der militant-islamistischen Palästinenserorganisation. Die Hamas wird von Israel, Deutschland, der EU, den USA und einigen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Armeesprecher Daniel Hagari sprach bei einer Pressekonferenz von einem "langen Krieg". In den kommenden Tagen werde man sich auf die Planung und Ausführung der nächsten Etappen des Krieges konzentrieren.

Israels Verteidigungsminister Joav Galant erklärte, nach dem Ende der Waffenruhe werde die Armee ihre intensiven Kämpfe in Gaza für mindestens zwei Monate fortsetzen. Die Einsätze im Gazastreifen dauerten so lange an, bis von dort aus keine militärische Bedrohung mehr ausgehe.

Zuvor hatte ein Sprecher der Essedin-al-Kassam-Brigaden, des bewaffneten Arms der Hamas, in einer vom arabischen Fernsehsender Al-Dschasira ausgestrahlten Videoansprache zur Eskalation des Konflikts mit Israel an allen Fronten aufgerufen.

Baerbock wirbt für Zwei-Staaten-Lösung 

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat nochmals das Recht Israels auf Selbstverteidigung betont. Israel werde niemals in Sicherheit leben können, "wenn dieser Terror nicht bekämpft wird", sagte sie am Donnerstagabend beim Bundesparteitag der Grünen in Karlsruhe. Das Land kämpfe gegen die Hamas und nicht gegen die Palästinenserinnen und Palästinenser.

Es werde aber ebenso keine Sicherheit für Israel geben, wenn nicht auch die Palästinenserinnen und Palästinenser eine Zukunftsperspektive hätten. Es sei wichtig, "über morgen zu reden", auch wenn heute eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und die Palästinenser weit weg erscheine, mahnte die Außenministerin. Das Ringen um eine Friedenslösung dürfe nicht aufgegeben werden.

Baerbock kritisierte gleichzeitig jüdische Siedler, die im israelisch besetzten Westjordanland "Palästinenser vertreiben oder gar töten". Die Gewalt jüdischer Siedler sei nicht im Sicherheitsinteresse Israels, betonte die Außenministerin.

Neugeborene in Israel nach angegriffenen Orten benannt

In Israel haben Dutzende Eltern ihre neugeborenen Kinder nach Orten benannt, die am 7. Oktober bei dem Terrorüberfall der Hamas angegriffen worden waren. Wie das Innenministerium mitteilte, wurden mindestens 45 seither auf die Welt gekommene Babys nach dem nahe dem Gazastreifen gelegenen Kibbuz "Beeri" benannt. 49 Jungen und ein Mädchen bekamen demnach in Anlehnung an die angegriffenen Kibbuzim Nir Oz und Nahal Oz den Namen "Oz", der auf Hebräisch "Stärke" bedeutet.

Acht weitere Neugeborene erhielten den Namen Nir. Drei Mädchen heißen Nova - im Gedenken an das gleichnamige Musikfestival in der Wüste Negev, bei dem die Hamas ein Massaker verübt und mindestens 270 Menschen ermordet hatte.

Am 7. Oktober waren hunderte Hamas-Terroristen nach Israel eingedrungen und hatten dort Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Nach Angaben der israelischen Regierung wurden etwa 1200 Menschen getötet, rund 240 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion darauf begannen die israelischen Streitkräfte damit, Ziele im Gazastreifen aus der Luft und vom Boden aus massiv anzugreifen.

Laut dem von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium sollen seither mehr als 14.800 Menschen im Gazastreifen getötet worden sein, darunter mehr als 5800 Kinder. Diese Zahlen lassen sich unabhängig nicht überprüfen.

se/wa/sti/si/uh/fab (dpa, afp, rtr)