Nahost: UN beklagen hohe Zahl getöteter Kinder
Veröffentlicht 25. Oktober 2023Zuletzt aktualisiert 25. Oktober 2023Das Wichtigste in Kürze:
- UNICEF: 2360 Kinder im Gazastreifen getötet
- Israelische Soldaten vereiteln weiteren Überfall von Hamas-Terroristen
- Keine Visa für UN-Mitarbeiter
- Der türkische Präsident Erdogan reist nicht nach Israel
- Macron sendet Marineschiff Richtung Gazastreifen
Dem Krieg zwischen Israel und terroristischen Hamas-Angreifern im palästinensischen Gazastreifen fallen immer mehr Zivilisten zum Opfer, wie Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen (UN) beklagen. Unter den Getöteten sind nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks UNICEF 2360 Kinder. 5364 weitere Kinder seien seit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober und den israelischen Gegenschlägen auf Ziele in dem Küstenstreifen verletzt worden, teilte UNICEF unter Berufung auf Berichte mit, ohne die Quellen zu nennen. Das Kinderhilfswerk sprach von "unerbittlichen Angriffen".
Außerdem wurden laut UNICEF mehr als 30 israelische Kinder in dem Krieg getötet. Dutzende Kinder würden zudem als Geiseln von Hamas-Terroristen im Gazastreifen gehalten.
Adele Khodr, UNICEF-Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika, sagte, die Tötung von Kindern, die Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen sowie die Verweigerung des Zugangs für humanitäre Hilfe stellten schwere Verletzungen der Kinderrechte dar. UNICEF appellierte eindringlich an alle Parteien, einer Waffenruhe zuzustimmen, humanitären Zugang zu gewähren und alle Geiseln freizulassen. Hamas-Terroristen halten noch immer mehr als 200 Menschen in ihrer Gewalt, die sie vor mehr als zwei Wochen aus Israel verschleppt haben.
UNICEF erklärte weiter, die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens - fast 2,3 Millionen Menschen - leide unter akutem Wassermangel, was schwerwiegende Folgen für die Kinder habe, die etwa 50 Prozent der Bevölkerung ausmachten. Auch im israelisch besetzten Westjordanland gibt es laut UNICEF einen alarmierenden Anstieg der Opferzahlen, darunter viele Kinder.
Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) berichtete im Onlinedienst X, ehemals Twitter, es gebe im Gazastreifen fast 600.000 Binnenvertriebene in 150 Einrichtungen des Flüchtlingswerks. Viele, viele Menschen schliefen auf der Straße, da die bestehenden Einrichtungen der UN-Agentur überfordert seien.
UN-Hilfswerk droht die Einstellung der Arbeit
Das palästinensische UN-Flüchtlingshilfswerk muss sämtliche Unterstützung für die Menschen im abgeriegelten Gazastreifen möglicherweise schon in der Nacht zum Donnerstag einstellen. Ohne neue Treibstoff-Lieferungen könnten die UNRWA-Aktivitäten nicht aufrechterhalten werden, teilte das UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfe in Genf mit.
Im Gazastreifen sei die normale Stromversorgung komplett ausgefallen, so dass Krankenhäuser und Wasserversorgungseinrichtungen auf mit Treibstoff betriebene Notstromaggregate angewiesen seien. Zudem gehe der Treibstoff für Fahrzeuge der UNRWA zur Neige, hieß es.
Israel vereitelt neuen Hamas-Angriff
Nach Angaben des israelischen Militärs hat die islamistische Hamas versucht, vom Gazastreifen aus erneut nach Israel einzudringen. Wie die Armee in der Nacht zum Mittwoch bekanntgab, wurde ein Versuch von Hamas-Terroristen vereitelt, vom Meer aus in den Süden Israels zu gelangen. Sie seien dabei gewesen, einen Tunnel an der Küste der abgeriegelten Enklave zu verlassen. Die Luftwaffe habe daraufhin den Tunnel sowie ein Waffenlager der Terroristen bombardiert, teilte das israelische Militär weiter mit.
Auch im Norden Israels gab es Armee-Einsätze: Israelische Kampfflugzeuge haben nach Angaben des Militärs als Reaktion auf den syrischen Beschuss vom Vortag wichtige Infrastruktureinrichtungen und Granatwerfer der syrischen Armee getroffen. Ein Armeesprecher sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Angriffe seien innerhalb Syriens erfolgt. Weitere Einzelheiten nannte das israelische Militär nicht.
Keine Visa für UN-Mitarbeiter
Nach den israelkritischen Äußerungen von UN-Generalsekretär António Guterres hat Israels UN-Botschafter Gilad Erdan angekündigt, Vertretern der Vereinten Nationen keine Visa mehr zu geben. Israel habe bereits Nothilfe-Koordinator Martin Griffith die Einreise verweigert, sagte Erdan einem israelischen Armeesender. "Es ist Zeit, dass wir ihnen eine Lektion erteilen." Israel hatte allerdings bereits in der Vergangenheit UN-Beobachtern die Einreise verweigert.
Guterres hatte die israelischen Gegenangriffe im Gazastreifen kritisiert und von "eindeutigen Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht" gesprochen. Er verurteilte den Hamas-Terroranschlag am 7. Oktober zwar, sagte aber, dieser habe "nicht im luftleeren Raum" stattgefunden. In diesem Zusammenhang sprach Guterres von der israelischen Besatzung palästinensischer Gebiete.
Erdogan wird nicht nach Israel reisen
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird Israel nicht besuchen. "Wir hatten einen Plan, nach Israel zu fahren. Aber das ist abgesagt, wir werden nicht fahren", sagte Erdogan im Parlament in Ankara. "Natürlich hatten wir gute Absichten, aber er (Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu) hat sie missbraucht", fuhr Erdogan fort, während Abgeordnete "Nieder mit Israel" und "Gott ist groß" riefen. Wann Erdogans Israel-Besuch hätte stattfinden sollen, war unklar.
Der türkische Präsident warf den westlichen Ländern vor, diese seien unfähig, "Israel zu stoppen". "Dass diejenigen, die die Welt für die Ukraine mobilisiert haben, sich nicht gegen die Massaker in Gaza ausgesprochen haben, ist das deutlichste Zeichen ihrer Heuchelei", sagte der türkische Präsident. Erdogan fügte hinzu, die islamistische Palästinenserorganisation Hamas sei keine Terrororganisation, sondern sei als Gruppe von "Befreiern" zu sehen, die für ihr eigenes Land kämpften. Der türkische Präsident rief zur Gründung eines "unabhängigen Palästina" auf und erklärte, die Türkei könne in der Zukunft Garant entsprechender Abkommen sein.
Baerbock betont Israels Recht auf Selbstverteidigung
Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock unterstrichen, dass Israel ein Recht auf Selbstverteidigung habe. Das Land sei aber auch zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts angehalten. "Der Kampf richtet sich gegen die Hamas und nicht gegen Zivilisten. Deshalb ist es für uns von entscheidender Bedeutung, dass dieser Kampf im Einklang mit dem humanitären Recht und mit größtmöglicher Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung in Gaza geführt wird", sagte Baerbock bei einer hochrangig besetzten Sitzung im höchsten UN-Gremium in New York.
Das Leben aller Zivilisten sei in gleichem Maße wichtig. Den Unbeteiligten im palästinensischen Gazastreifen müsse mit Kampfpausen in "humanitären Fenstern" geholfen werden. Baerbock betonte, dass Israel wie jeder Staat der Welt das Recht habe, sich im Rahmen des Völkerrechts gegen Terrorismus zu verteidigen. Die Grünen-Politikerin bezog sich dabei auch auf die historische Verantwortung Deutschlands angesichts des Holocaust. Für die Bundesrepublik sei die Sicherheit Israels nicht verhandelbar.
Macron besucht Westjordanland
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat als erster westlicher Staatschef seit Beginn des Krieges Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Westjordanland getroffen. Der Großangriff der in Gaza herrschenden Terrororganisation Hamas auf Israel sei "auch eine Katastrophe für die Palästinenser", sagte Macron in Ramallah.
Die Zukunft der Palästinenser hänge von einem "eindeutigen" Kampf gegen den Terrorismus ab. Zugleich betonte er, dass nichts "das Leiden" der Zivilbevölkerung in Gaza "rechtfertigen" könne. Ein palästinensisches Leben sei genauso viel wert wie ein französisches und ein israelisches Leben, sagte Macron.
Abbas forderte den französischen Präsidenten auf, sich für ein Ende der "Aggression" in Gaza einzusetzen. "Wir fordern Sie, Präsident Macron, auf, diese Aggression zu beenden", sagte Abbas nach seinem Gespräch mit Frankreichs Staatschef. Zuvor hatte dieser in Israel für den Aufbau einer internationalen Allianz im Kampf gegen die Hamas geworben.
Macron sendet Schiff Richtung Gazastreifen
Auf seiner Nahostreise machte der französische Präsident auch in ÄgyptenStation. Dort kündigte er die Entsendung eines Marineschiffs an, das Krankenhäuser im Gazastreifen "unterstützen" soll. Das Schiff werde "in den nächsten 48 Stunden" den Hafen von Toulon verlassen, sagte Macron nach einem Treffen mit seinem ägyptischen Kollegen Abdel Fattah al-Sisi in Kairo. Zudem werde ein Flugzeug mit medizinischem Material für den Gazastreifen am Donnerstag in Ägypten eintreffen, dem "weitere folgen" sollen.
Macron wies den Vorwurf zurück, sein Land praktiziere im Nahostkonflikt Doppelmoral. "Das Völkerrecht gilt für alle, und Frankreich vertritt universelle humanistische Werte", sagte der französische Präsident.
Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi warnte vor einer Ausweitung des Gaza-Kriegs. "Wir sehen mit großer Sorge, dass der Kreislauf der Gewalt möglicherweise auf andere Parteien in der Region ausgeweitet wird", sagte der Staatschef. "Das erklärte Ziel des Krieges ist es, die Hamas und andere bewaffnete Gruppen im Gaza-Streifen zu liquidieren", sagte Al-Sisi. "Wir müssen versuchen, den Einmarsch in den Gazastreifen zu verhindern, denn der Einmarsch in den Gazastreifen kann sehr viele zivile Opfer zur Folge haben", sagte der Präsident weiter. Es sei wichtig, die Zeit zur Befreiung von Geiseln zu nutzen.
Medienbericht: Israel verschiebt Bodenoffensive
Einem Medienbericht zufolge verschiebt Israel seine geplante Bodenoffensive im Gazastreifen. Das berichtet das "Wall Street Journal" (WSJ) unter Berufung auf amerikanische und israelische Vertreter. Israel habe sich darauf mit den USA verständigt. Die USA könnten dadurch Raketenabwehrsysteme in die Region bringen.
EU-Innenkommissarin warnt vor Anschlägen
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat vor Anschlägen in Europa wegen des Konfliktes zwischen Israel und der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas gewarnt. "Es gibt ein gewaltiges Risiko einer höheren terroristischen Bedrohung in Europa in Verbindung mit der Lage in Nahost", sagte Johansson der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und weiteren europäischen Zeitungen. Das größte Risiko liege darin, "dass Leute, die schon hier sind, schon radikalisiert sind, Angriffe verüben könnten".
se/cwo/nob/haz/rb/AR/wa (rtr, dpa, afp, ap, unicef.org)