Emotionales Gedenken in Yad Vashem
7. Juni 2022Vizekanzler Robert Habeck kniet neben dem Kranz, den er soeben im Namen Deutschlands niedergelegt hat. Habeck ist in der Erinnerungshalle der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und kämpft sichtbar mit seinen Emotionen; er geht um den Kranz herum, richtet die Schleifen. Später, beim Eintrag in das Gästebuch, gedenkt er der vielen Millionen von den Nationalsozialisten ermordeten Jüdinnen und Juden mit einem Gedicht von Paul Celan: Dessen Eltern waren in einem Lager in Transnistrien gestorben - die Mutter erschossen; der Vater dem Typhus erlegen.
Celans Gedichte mit ihrer auf das Wesentliche reduzierten Sprache hätten ihn immer schon fasziniert, sagt Habeck. "Vielen Dank, dass ich hier sein durfte", sagt er leise. Wieder stockt ihm die Stimme. Zwei Stunden Zeit nimmt sich der deutsche Wirtschafts- und Klimaschutzminister für seinen Besuch an dem Ort, der wie kein Zweiter den Zivilisationsbruch des Holocausts greifbar macht. Ganz weit weg erscheint in dem Moment der eigentliche Zweck der Reise des Grünen-Politikers: für den Umweltschutz zu werben, in einer der heißesten Weltregionen überhaupt - politisch wie klimatisch.
Überraschend viele israelische Gesprächspartner
Am Beginn des viertägigen Besuchs in Israel, in Jordanien und den palästinensischen Gebieten standen für Habeck Gespräche mit zahlreichen Vertretern Israels, auch mit Ministerpräsident Naftali Bennett. Es ist bemerkenswert, dass es zu diesen Treffen überhaupt kam. Bennetts Acht-Parteien-Koalition durchlebt just in diesen Tagen eine schwere Krise; der Regierungschef ist ständig gefordert. Im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten konnte Habeck dennoch alle aktuellen Themen zwischen Deutschland und Israel ansprechen.
Anders als Anfang März, als Habeck in Katar und in den Vereinigten Arabischen Emiraten für mehr Gas-Exporte nach Deutschland warb, um russisches Gas zu ersetzen, spielte das in Israel für den Vizekanzler kaum eine Rolle. Zwar überlegt Israel, Gas aus einem Feld vor der Mittelmeerküste über die Türkei nach Europa zu liefern und dafür eine Pipeline zu bauen. Aber Habeck hält davon wenig: "Eine Investition, die in sieben oder neun Jahren fertig ist, die ist dann eigentlich überflüssig. Denn wir wollen ja, und ich erwarte das auch, uns dann schon wieder von den fossilen Energieträgern loslösen. Langfristig wird die Kooperation mit den Staaten im Nahen Osten und in Nordafrika im Energiebereich auf den Erneuerbaren basieren."
Werbung für die Energiewende
Und da will Habeck vor allem israelisches High-Tech-Wissen mit europäischem Kapital verbinden. Und Überzeugungsarbeit leisten: die Region, so der Grünen-Politiker in Jerusalem, leide wie kaum eine andere schon jetzt unter den Folgen des Klimawandels. Jordanien etwa gilt als eine der wasserärmsten Regionen der Welt.
Aber trotz bester Bedingungen etwa für die Nutzung der Solarenergie haben die Länder im Nahen Osten beim Anzapfen der Kraft von Wind und Sonne noch großen Aufholbedarf. Israels Strom kommt nur zu sieben Prozent aus erneuerbaren Quellen. Zum Vergleich: In Deutschland betrug dieser Anteil zuletzt fast 50 Prozent. Aber jetzt plant die israelische Regierung, bis 2030 diesen Anteil auf 30 Prozent zu steigern. In diesem Kontext hat Israel eine Energiezusammenarbeit mit Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten begonnen. Bei der sieht Habeck auch Chancen für deutsche Firmen.
Auch ein Thema: Der Krieg in der Ukraine
Habeck ist nicht nur als Klimaschutzminister in der Region, sondern auch als Vizekanzler. Kurz kam er im Gespräch mit israelischen Vertretern deshalb auch auf den Krieg in der Ukraine zu sprechen - und auf die Frage, ob Israel zwischen Moskau und Kiew vermitteln könne. "Meine Gesprächspartner hier haben darauf hingewiesen, dass ihr Standpunkt ist, dass ein völkerrechtswidriger Krieg inakzeptabel ist. Sie haben aber auch darauf hingewiesen, dass Israel in verschiedenen diplomatischen Beziehungen zu Russland steht. Und dass sie versuchen, diplomatisch zu helfen." Allerdings müssten vorher die Waffen schweigen, fügte Habeck hinzu.
Robert Habeck traf auch den palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtajjeh. Bei dem Treffen ging es vor allem um Wirtschaftshilfen und anhaltende politische Spannungen. Ein Besuch in Jordanien bildet den Abschluss der Reise. Deutschland und Jordanien haben gemeinsam zu einer Konferenz zum Thema Klimaschutz und Energiesicherheit eingeladen. Auch einige europäische Staaten nehmen auf Drängen Habecks teil. Damit bleibt eine der großen Überschriften dieser Reise: Die Energiefragen der Zukunft zu lösen und einen schnellen Weg zu finden heraus aus Öl und Gas.