Nahostkonflikt: EU baut Druck für Zweistaatenlösung auf
22. Januar 2024Die Priorität sei die humanitäre Situation im Gazastreifen, doch um Frieden zu erreichen, müssten die Ursachen des Konflikts beseitigt werden, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach dem EU-Außenministertreffen in Brüssel.
Dafür hatte der EU-Spitzendiplomat eine "umfassende Strategie", die auch eine Friedenskonferenz vorsieht, vorgelegt. Bereits am Morgen machte der Hohe Außenbeauftragte Josep Borrell deutlich, was er mit den EU-Außenministern besprechen wollte. "Wir müssen damit aufhören, über den Friedensprozess zu sprechen und damit beginnen, konkreter über die Zweistaatenlösung zu sprechen." Auch wenn es unter den Mitgliedstaaten schwierig sein werde, sich auf eine Position zu einigen, führte Borrell aus.
EU-Außenminister einig in einem Punkt
In den letzten Wochen und Monaten fiel es den EU-Mitgliedstaaten häufig schwer, sich auf eine gemeinsame Haltung im Israel-Hamas-Krieg zu einigen. Dies zeigte sich insbesondere darin, dass einige Staaten, wie etwa Belgien und Irland, einen sofortigen Waffenstillstand fordern, während sich andere Mitgliedsländer, wie Deutschland und Österreich, mit Blick auf das israelische Selbstverteidigungsrecht für humanitäre Pausen aussprechen.
Hinter der Forderung nach einer Zweistaatenlösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt scheinen sich die EU-Mitgliedstaaten jedoch sammeln zu können. Laut der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock sei es "die einzige Lösung" und auch der lettische Außenminister Krisjanis Karins meint, die EU müsse auf die Zweistaatenlösung drängen. Es sei der einzige Weg zum Frieden.
Die EU unterstützt die Zweistaatenlösung bereits seit geraumer Zeit, auch wenn es in den letzten Jahren wenig Bewegung gab. Unter dem Konzept wird die friedliche Koexistenz eines unabhängigen Palästinenserstaats neben dem israelischen Staat verstanden.
Kritik an Benjamin Netanjahus Aussagen
Laut der französischen Nachrichtenagentur AFP hatte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu nach dem Angriff am 7. Oktober durch die militant-palästinensische Organisation Hamas, die von Israel, den USA, der Europäischen Union und anderen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, erklärt, dass Israel eine längere Zeit eine Sicherheitsverantwortung für den Gazastreifen übernehmen würde. Erst jüngst hatte Netanjahu erneut deutlich gemacht, dass er eine Zweistaatenlösung nach dem Ende des Israel-Hamas-Krieges ablehnt. "Ich werde keine Kompromisse eingehen, wenn es um die volle israelische Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westlich des Jordans geht - und das steht im Widerspruch zu einem palästinensischen Staat", schrieb er auf X (früher Twitter).
Einige der Außenminister kritisierten Netanjahus jüngste Aussagen. Der frisch ins Amt gekommene französische Außenminister Stéphane Séjourné nannte sie "besorgniserregend". Sein irischer Amtskollege Micheal Martin hält sie für "inakzeptabel". Wohingegen die deutsche Außenministerin eher indirekt kritisierte und darauf hinwies, dass all diejenigen, die von einer Zweistaatenlösung nichts wissen wollen, "bisher keine andere Alternative auf den Weg gebracht" hätten.
Der luxemburgische Außenminister Xavier Bettel warnte, "wenn die Israelis glauben, dass die Zweistaatenlösung keine Lösung ist, dann sind sie ziemlich isoliert." Nicht nur die EU, sondern auch die USA halten an der Zweistaatenlösung fest.
Ob die Worte bei dem teilnehmendem israelischen Außenminister Israel Katz Wirkung zeigten, ist nicht bekannt, da er sich nicht öffentlich zu dem Thema äußerte. In einem gesonderten Treffen wurde der Außenminister der Palästinensischen Autonomiebehörde Riad Malki empfangen. Auch waren die Außenminister Jordaniens, Saudi-Arabiens, Ägyptens und der Generalsekretär der Arabischen Liga vor Ort.
Wie kann die Zweistaatenlösung umgesetzt werden?
Bei einer Rede im spanischen Valladolid letzte Woche sprach sich der EU-Top-Diplomat Borrell dafür aus, die Zweistaatenlösung "von außen aufzuerlegen." Beim heutigen Treffen zeigte Borrell sich etwas zurückhaltender und meinte, dass man noch nicht an diesem Punkt angelangt sei und erst einmal an einem konkreten Vorschlag arbeiten müsse.
Der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg begrüßt zwar grundsätzlich die Initiative, wies aber am Morgen darauf hin, dass man Frieden nicht aufzwingen könne und es ein Minimum an Willen in der Region bräuchte. Auch der tschechische Außenminister zeigt sich verhalten, ob der Vorschlag Borrells funktionieren wird. "Es braucht einen grundlegenden politischen Willen aller Akteure", erklärt Jan Lipavsky vor dem Treffen.
Nach dem Treffen hieß es aus diplomatischen Kreisen, dass Borrells Vorschlag von den EU-Mitgliedstaaten begrüßt und nun weiter diskutiert werde. Bei ihrem nächsten Treffen in knapp zwei Wochen werden sich die Außenminister voraussichtlich erneut mit dem Vorschlag befassen. Es werde noch daran gearbeitet, die USA für eine Friedenskonferenz an Bord zu holen, erklärte ein EU-Diplomat gegenüber der DW.
Mitarbeit: Rosie Birchard