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Nationalkonservative können allein regieren

27. Oktober 2015

Nun ist es amtlich: Polens Nationalkonservative haben als erste Partei seit 1989 bei einer Parlamentswahl die absolute Mehrheit erhalten. Sie sind damit nicht auf einen Koalitionspartner angewiesen.

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Blick ins polnische Parlament (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/epa/J. Turczyk

Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat bei der Parlamentswahl in Polen die absolute Mehrheit gewonnen. Nach Angaben der Wahlkommission errang die PiS des früheren Regierungschefs Jaroslaw Kaczynski 235 von 460 Sitzen im Parlament, dem Sejm. Die bisher regierende liberale Bürgerplattform (PO) der scheidenden Ministerpräsidentin Ewa Kopacz kam dem amtlichen Endergebnis zufolge auf 138 Sitze.

Drittstärkste Kraft mit 42 Sitzen wurde die Partei des Rockmusikers Pawel Kukiz. Die liberale Nowoczesna erhielt 28 Sitze. Die Bauernpartei PSL, die bislang mit der PO regiert hatte, kam auf 16 Sitze. Ein Mandat ging an die deutsche Minderheit. Linke Parteien schafften es erstmals seit 25 Jahren nicht ins neue Parlament. Auch im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, erzielte die PiS eine klare Mehrheit von 61 der 100 Sitze.

Parteien beraten über Folgen

Die Führungsspitze der PiS kam inzwischen zusammen, um das Wahlergebnis und die weitere Entwicklung zu besprechen. Aussagen über den Zeitplan der Regierungsbildung werden zunächst nicht erwartet. Auch die PO-Spitze traf sich. Zuvor waren erneut Forderungen aufgekommen, Partei- und Regierungschefin Kopacz solle wegen der Niederlage zurücktreten.

Unter der neuen polnischen Regierung dürften vor allem in der Flüchtlingskrise Verhandlungen in der EU nun schwieriger werden. Wahlentscheidend war das Thema Experten zufolge aber nicht. Stattdessen war für die Bürger nach jahrelangem Wachstum offenbar die Kluft zwischen Arm und Reich wichtiger.

Moody's zeigt sich skeptisch

Der Wahlausgang in Polen könnte nach Ansicht der Ratingagentur Moody's den Status des EU-Landes als sicherer Hafen für Investoren infrage stellen. Denn der Sieg der PiS schränke die Berechenbarkeit der Politik ein, teilte die Agentur mit. Die PiS hatte angekündigt, die staatliche Kontrolle der Wirtschaft zu verstärken, Privatisierungen zu stoppen und der Finanzbranche eine Bankenabgabe aufzuerlegen. Zudem will die Partei das 2012 erhöhte Renteneintrittsalter wieder senken. Dies hätte kurzfristig negative Folgen für die Vorhersehbarkeit der Politik und mittelfristig erheblichen Einfluss auf die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen, sagte Moody's Polen-Experte Marco Zaninelli.

Zwei Tage nach dem Wahlsieg der Nationalkonservativen hat Präsident Andrzej Duda sein Veto gegen die geplante Novelle des Minderheitengesetzes eingelegt. In der Neufassung des Gesetzes sollte es Angehörigen der ethnischen Minderheiten auf Ämtern auf Landkreisebene ermöglicht werden, ihre Muttersprache als Hilfssprache zu gebrauchen. Bisher ist das nur auf Gemeindeebene möglich, bei allen anderen Behördenkontakten muss die Amtssprache Polnisch verwendet werden. In Polen leben unter anderem Deutsche, Ukrainer, Litauer und Roma als nationale und ethnische Minderheiten. Duda begründete den Einspruch mit Befürchtungen vor den Kosten, die die Neufassung des Gesetzes mit sich bringen werde.

Noch ein Veto

Mit einem zweiten Veto stoppte Duda die internationale Verpflichtung Polens zu mehr Klimaschutz. Der nationalkonservative Präsident verweigerte seine Unterschrift unter das Abkommen von Doha, das Polen als Fortschreibung des Kyoto-Protokolls von 1997 zu einer weiteren Reduzierung seiner Kohlendioxid-Emissionen verpflichten würde. Polen verfügt über große Kohlevorräte und bezieht seinen Strom bis heute zu 95 Prozent aus Kohlekraftwerken.

Polens Präsident Duda (Foto: AP)
Auch er ist ein Nationalkonservativer: Präsident DudaBild: picture-alliance/dpa/G. Breloer

"Bevor Polen in ein internationales Abkommen eingebunden wird, das die Wirtschaft betrifft und soziale Kosten nach sich zieht, müsste eine genaue Analyse der rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen geleistet werden", erklärte Duda. Derzeit laufen Bemühungen, bei der Ende November in Paris beginnenden Klimakonferenz ehrgeizige internationale Vereinbarungen zu treffen, um den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu senken.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace erklärte, das Veto Dudas sei ein "schlechtes Signal" vor der Pariser Konferenz. Polen genießt bei den internationalen Klima-Vereinbarungen einen Sonderstatus, da ihm ein erhöhter wirtschaftlicher Entwicklungsbedarf zugestanden wurde. Zu den Rechten Polens gehört auch der Verkauf sogenannter Verschmutzungsrechte.

kle/qu (afp, dpa, rtr)