NATO fordert Taten von Russland
25. Juni 2014Die offizielle Tagesordnung, wie zum Beispiel die Vorbereitung des NATO-Gipfels im September, hakten die Außenminister der Militärallianz schnell ab oder legten sie ganz beiseite. Die meiste Zeit ging für die Beratung der Ukraine-Krise und des Umgangs mit Russland drauf, bestätigte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. "Die Welt ist nicht mehr dieselbe. Business as usual haben wir nicht und werden wie auf kurze oder mittelfristige Sicht wahrscheinlich nicht mehr haben", sagte Frank-Walter Steinmeier mit Blick auf das Verhältnis zu Russland.
Ob Moskau Freund, Feind oder Partner der NATO sei, lasse sich heute genauso wenig beantworten wie bei Ausbruch der Krise im März. Der Konflikt trage immer noch die Möglichkeit in sich Europa erneut zu spalten. Man dürfe aber nicht in die Denkmuster des Kalten Krieges zurückfallen. "Denn die Welt ist seither noch komplizierter geworden", so Steinmeier vor Journalisten. Russland müsse wieder Vertrauen schaffen, wenn dem Kreml denn daran gelegen sei. "Wir sind rund um die Ukraine-Krise in einer Situation, in der Vertrauen verloren gegangen ist. Deshalb ist es jetzt an Russland, dieses Vertrauen wieder aufzubauen und der Aufbau einer neuen Basis, gegebenenfalls auch die Einberufung des NATO-Russland-Rates auf Ministerebene, stattfinden kann", so Steinmeier.
Wechselbad der Gefühle
Der deutsche Außenminister, der am Dienstag noch in der Ukraine unterwegs war, berichtete seinen Kollegen in Brüssel von seinen Eindrücken und dem Wechselbad der Gefühle, das er ständig durchlebe. Der Beschluss des russischen Parlaments, dem russischen Präsidenten die Vollmacht zum militärischen Einmarsch in der Ukraine wieder zu entziehen, begrüßten Steinmeier und andere Außenminister als erstes "belastbares" Signal für eine Deeskalation. Allerdings habe der neuerliche Angriff von Separatisten auf einen ukrainischen Armeehubschrauber, die zarte Hoffnung gleich wieder zunichte gemacht.
Der ukrainische Außenminister Pavlo Klimkin, der an den Beratungen der NATO in Brüssel zweitweise teilnahm, sagte seine Regierung wolle den Friedensplan von Präsident Petro Poroschenko weiter umsetzen. Die Angriffe der Separatisten setzten den Waffenstillstand aber auf Spiel, so Klimkin. "Solche Provokationen gefährden die Aushandlung eines dauerhaften Waffenstillstands. Sie gefährden extrem den Friedensplan. Wir fühlen uns weiter verpflichtet, alles Mögliche zu tun, um eine Deeskalation in der Ostukraine zu erreichen. Das ist entscheidend." Ob der Waffenstillstand, der bis Freitag gelten sollte, verlängert wird, müsse der ukrainische Präsident entscheiden, sagte Klimkin weiter.
Waffenstillstand verlängern?
Während des NATO-Treffens telefonierten der deutsche Außenminister und der ukrainische Außenminister mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow. Die deutsche Seite möchte eine Verlängerung des Waffenstillstands über Freitag hinaus erreichen, hieß es von NATO-Diplomaten. Es sei erstaunlich und mutig, dass Präsident Poroschenko bislang auf die Angriffe der Separatisten nicht mit neuer Gewalt reagiert habe, hieß es weiter. Die Außenminister der NATO begrüßten die Idee, die Beobachtermission der OSZE mit russischen Vertretern zu verstärken, um so Vertrauen bei den Separatisten zu schaffen. Eine praktische Umsetzung dieses russischen Vorschlags, wird aber wohl noch dauern, zumal die Separatisten immer noch acht OSZE-Beobachter als Geiseln festhalten.
NATO fordert Rückzug russischer Manöver-Truppen
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte die russische Seite zum wiederholten Male auf, zur Deeskalation beizutragen und die Separatisten in der Ostukraine zur Räson zu bringen. Außerdem stünden als Drohkulisse im Rücken der Separatisten immer noch 30 000 russische Soldaten in Manövern an der Grenze. Die Zahl variiere. Mal zögen Einheiten ab, mal kämen welche hinzu. Es gebe aber offenbar, Kontakte zwischen der regulären russischen Armee und den Separatisten, sagten militärische Kreise in Brüssel.
Generalsekretär Rasmussen fordert Russland deshalb weiterhin auf, den Abzug seiner Truppen an der Grenze zur Ukraine fortzusetzen: "Russland sollte das Einsickern von Waffen und Kämpfern über diese Grenze unterbinden und seinen Einfluss auf die bewaffneten Separatisten geltend machen, damit diese ihre Waffen niederlegen und der Gewalt abschwören." Außer Appellen hat die NATO als Militärallianz keine großen Möglichkeiten. Ein militärisches Eingreifen in den Ukraine-Konflikt liegt nach wie vor außerhalb des Denkbaren.
Das grundsätzliche Abkommen der NATO mit Russland über eine friedliche Zusammenarbeit, die sogenannte "NATO-Russland-Akte" soll nicht gekündigt werden. "Das sind wir uns überwiegend einig", so Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Dieses Abkommen müsste geändert werden, falls die NATO zur Abschreckung einer russischen Bedrohung dauerhaft Kampftruppen im Baltikum oder Polen stationieren wollte. Polen drängt auf einen solchen Schritt, konnte sich aber noch nicht durchsetzen. Das Thema soll nun der NATO-Gipfel im September beraten.
Von der Hand in den Mund: Wer weiß schon, was Freitag ist
Die Fragen von Reportern, ob am kommenden Freitag harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt werden müssten, konnte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nicht beantworten. Am Freitag tagt der EU-Gipfel in Brüssel und es läuft eine vage gesetzte Frist ab, zu der Russland deutliche Schritte zur Entspannung der Lage unternehmen sollte. Die Europäische Union sei auf jeden Fall auf die Verhängung von Sanktionen der sogenannten Stufe Drei vorbereitet, sagte Frank-Walter Steinmeier. "Wie sich die Situation bis zum Freitagmorgen entwickelt, weiß ich nicht. Mein Wunsch besteht nicht in erster Linie darin, dass wir Freitag oder Samstag eine Situation haben, in der wir über Sanktionen entscheiden müssen. Mein Wunsch ist es, dafür zu arbeiten, dass wir am Freitag oder Samstag eine Situation haben, in der man sich mindestens vorstellen kann, auf der Basis des Poroschenko-Friedensplans weiter zu machen."
Die NATO-Führungsmacht USA drängen auf mehr Härte gegenüber Russland. US-Außenminister John Kerry ließ sich in Brüssel aber überzeugen und sagte, heute werde es keine neuen Sanktionen mehr geben, aber "wir bereiten weiter alles vor." Der russische Präsident Vladimir Putin müsse jetzt beweisen, dass er die Separatisten in der Ukraine tatsächlich stoppen wolle.