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NATO-Russland: Lange Pause überwinden

Roman Goncharenko20. April 2016

Nach einer fast zweijährigen Pause wegen der Ukrainekrise tagt der NATO-Russland-Rat wieder. Das Treffen soll Entspannung in das zuletzt immer konfrontativere Verhältnis bringen. Experten beurteilen die Aussichten dafür.

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NATO-Fahne (Foto: GEORGES GOBET/AFP/Getty Images)
Bild: Georges Gobet/AFP/Getty Images

Zwei russische Bomber flogen zwei Tage lang um den US-Zerstörer "Donald Cook" in der Ostsee. Sie kamen dem Kriegsschiff immer wieder sehr nah, bis auf knapp zehn Meter. Einen Tag später versuchte ein russischer Jagdflieger ebenfalls ein US-amerikanisches Aufklärungsflugzeug über der Ostsee abzufangen. Washington protestierte und sprach von "gefährlichen" Manövern. Beide Vorfälle ereigneten sich eine Woche vor dem Treffen des NATO-Russland-Rates an diesem Mittwoch in Brüssel. Das Gremium tagt auf Botschafterebene zum ersten Mal nach einer fast zweijährigen Pause wegen der Ukrainekrise.

Experten schlagen Krisenstab vor

Für Wolfgang Ischinger sind die jüngsten Ereignisse in der Ostsee ein Beispiel dafür, wie wichtig die Wiederaufnahme der Gespräche im NATO-Russland-Rat sei. Als erste Aufgabe schlug der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz ein "gemeinsames militärisches Krisenverhinderungsgremium" vor, das rund um die Uhr tagen soll. "Da müssen westliche und russische Offiziere gemeinsam dafür sorgen, dass solche Fast-Zusammenstöße, mögliche Missverständnisse vermieden werden", sagte Ischinger der DW. Ein falscher Knopfdruck könne ungeahnte Folgen haben.

Fast wortgleich formulierte es Dmitri Trenin, Direktor des Moskauer Carnegie-Zentrums. "Wenn es zwischen den Seiten sehr ernste Probleme gibt, muss man den Kontakt 24 Stunden, sieben Tage die Woche aufrechterhalten", so der Experte. Dafür müsse man den Brüsseler Rat "neu formatieren".

Längste Pause seit der Gründung

Den NATO-Russland-Rat gibt es seit 2002. Er wurde auf dem Gipfel in Rom ins Leben gerufen und basiert auf der Mitte der 1990er Jahre ausgehandelten NATO-Russland-Grundakte. Man habe ein "Krisenmanagement-Gremium" schaffen wollen, erinnert sich Ischinger, der an den Verhandlungen beteiligt war. Vor diesem Hintergrund sei die Suspendierung vor zwei Jahren "keine Sternstunde der Diplomatie" gewesen. Auch Trenin gibt zu, dass der Rat seine Aufgabe zweimal verfehlt habe: 2008 beim bewaffneten Konflikt zwischen Russland und Georgien und 2014 in der Ukrainekrise.

Nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim entschied die Allianz Anfang April 2014, jegliche praktische Zusammenarbeit mit Moskau einzufrieren. Der NATO-Russland-Rat tagte danach nur einmal, im Juni. Ähnlich wie im Fall Ukraine verhielt sich die Allianz zuvor bei der Georgienkrise. Damals war die Pause allerdings deutlich kürzer - rund acht Monate.

Kein business as usual

Nun will die NATO wieder mit Russland reden. Dabei geht es nur um das formelle Gremium, denn die direkten Gesprächskanäle waren nie geschossen. Die Vorbereitung der jetzigen Gespräche dauerten mehr als ein halbes Jahr. Vor allem der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier machte sich dafür stark. Doch es war keine einfache Aufgabe. Medienberichten zufolge waren vor allem osteuropäische NATO-Mitglieder bis zuletzt skeptisch, ob man jetzt schon den Rat mit Russland aktivieren solle.

Frank-Walter Steinmeier Porträt. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Vor allem der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier setzt sich für Gespräche mit Russland einBild: picture-alliance/dpa/B.v.Jutrczenka

Für die NATO steht wie vor zwei Jahren die Ukrainekrise oben auf der Agenda. Außerdem werde man über "militärische Aktivitäten mit dem besonderen Fokus auf Transparenz und Risikoreduzierung" sprechen, sagte der Generalsekretär der Allianz, Jens Stoltenberg, Anfang April. Eine Rückkehr zu business as usual schloss er so lange aus, "bis Russland wieder das Völkerrecht respektiert".

Dringender Gesprächsbedarf

In Russland sieht man die Wiederaufnahme der Gespräche im NATO-Russland-Rat als ein indirektes Fehlereingeständnis der Allianz. Die NATO habe begriffen, dass sich diese Praxis nicht bewährt hatte, zitierte die russische Nachrichtenagentur Interfax eine diplomatische Quelle. Moskau will in Brüssel seine Sorgen über die "Eindämmungspolitik" der NATO gegenüber Russland thematisieren, teilte eine Sprecherin des Außenministeriums in Moskau mit. Auf russischen Wunsch soll auch die Lage in Afghanistan besprochen werden.

Dabei gibt es auch andere Themen, die beide Seiten dringend besprechen müssten, sagen Beobachter. So kritisiert Russland die konkret gewordenen US-Pläne, ab 2017 eine Panzerbrigade in Osteuropa als Schutz vor Russland zu stationieren. Auch die geplante Aufnahme Montenegros in die Allianz löste in Moskau heftige Kritik aus. Vor einem halben Jahr standen NATO und Russland zum ersten Mal seit Jahrzehnten vor einer direkten Konfrontation, als das NATO-Mitglied Türkei einen russischen Kampfjet an der türkisch-syrischen Grenze abgeschossen hatte.

Experte: Russland will NATO abschrecken

Trotz dieser Herausforderungen erwarten viele Experten keinen Durchbruch vom Treffen in Brüssel. Stephen Blank von der US-Denkfabrik Foreign Policy Council sagte gegenüber der DW: "Es wird eher ein diplomatischer "Gedankenaustausch". Mehr solle man nicht erwarten. Auch Ischinger und Trenin warnen vor zu hohen Erwartungen. "Das ist eher Symbolik", meint Trenin vom Carnegie-Zentrum.

Bei der Bewertung der jüngsten Vorfälle in der Ostsee wird deutlich, wie unterschiedlich russische und amerikanische Experten sie wahrnehmen. "Sie (Russen) wollen ihre Stärke zeigen und zeigen, dass sie die Leute herumkommandieren können und keinen Preis dafür zahlen", sagt dazu Blank. Der US-Experte plädiert dafür, beim nächsten Mal Härte zu zeigen und zu handeln. Der Moskauer Experte Trenin erklärt das russische Vorgehen gegen das US-Militär in der Ostsee mit dem Versuch, die "asymmetrische Konfrontation mit dem Westen teilweise auszugleichen". Russland zeige, dass es zu höherem Risiko bereit sei und wolle die NATO "vor seinen Küsten oder wichtigen Objekten abschrecken." Einen direkten Zusammenhang zwischen den beiden Vorfällen und dem NATO-Russland-Rat sieht Trenin nicht.