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Politik

Tillerson verlangt konkrete Zusagen

31. März 2017

Die USA bestehen weiter auf höheren Verteidigungslasten für die Europäer. Bundesaußenminister Gabriel hält dagegen und relativiert die Forderungen. Das Zwei-Prozent-Ziel sei nur eine Richtung. Aus Brüssel Bernd Riegert.

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Belgien Rex Tillerson in Brüssel
Bild: picture-alliance/AP Images/V. Mayo

Bei seinem ersten Treffen mit den Außenminister-Kollegen in der NATO tat Rex Tillerson das, was man allgemein von ihm erwartet hatte. Der neue US-Außenminister versicherte nach Angaben von NATO-Diplomaten, dass auch die neue Regierung unter Präsident Trump zur transatlantischen Sicherheitsgemeinschaft und ihren Verpflichtungen stehe werde. Gleichzeitig verlangte Tillerson mehr finanzielles Engagement der Verbündeten. Das von ihm so beschriebene "Ungleichgewicht" der Verteidigungsausgaben könne so auf Dauer nicht weiterbestehen, erklärte Tillerson im Nord-Atlantikrat. Er verlangte "konkrete Ausgabenpläne", die bis Ende des Jahres vorgelegt werden sollten.

NATO-Diplomaten beschrieben den Auftritt des ehemaligen Industriemanagers als "mainstream". Die teilweise harschen Vorwürfe seines Chefs im Weißen Haus, dass die NATO überflüssig sei oder die europäischen Verbündeten säumige Schuldner seien, wiederholte Tillerson so nicht. Der deutschen Außenminister Sigmar Gabriel relativierte das Ziel der NATO-Staaten, zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. "Die Beschlüsse der NATO kennen kein apodiktisches Zwei-Prozent-Ziel." Beim NATO-Gipfel in Wales 2014 gab es "lediglich den Auftrag, sich in diese Richtung zu entwickeln", sagte Gabriel in Brüssel. Er kenne keinen Politiker in Deutschland, der die Verteidigungsausgaben auf 70 Milliarden Euro pro Jahr steigern wolle. "Das ist völlig unrealistisch." Deutschland wolle mehr tun, aber müsse auch das Engagement im humanitären Bereich oder bei der Aufnahme von Flüchtlingen sehen.

Belgien Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in Brüssel
Sigmar Gabriel: Es gibt keine unverrückbaren ZieleBild: DW/B. Riegert

Sind zwei Prozent wirklich zwei Prozent?

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg drückte die Vorbehalte der Alliierten gegenüber den amerikanischen Forderungen etwas diplomatischer aus. "Wir haben uns verpflichtet, das Ziel einzuhalten, uns bis 2024 in Richtung zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung zu bewegen. Dabei geht es nicht nur um Bargeld, sondern auch um Fähigkeiten, die aufgebaut werden und Verpflichtungen, die eingegangen werden", stellte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor der Presse klar. "Verteidigungsausgaben der Alliierten sind ja nicht dazu da, den USA zu gefallen." Stoltenberg stellte heraus, dass die Verbündeten in Europa und Kanada auf gutem Weg seien, die 2014 gemeinsam gesteckten Ziele zu erreichen.

Auf Druck der neuen amerikanischen Regierung überlegen die NATO-Staaten nationale "Aktionspläne" aufzustellen, die darlegen sollen, wie das Ziel von zwei Prozent erreicht werden kann. Dazu ist aber noch keine Entscheidung gefallen. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel, der wie Tillerson zum ersten Mal an einem NATO-Treffen teilnahm, regt die Aufstellung von "Aktivitätsplänen" an, die nicht nur die reinen Verteidigungsausgaben, sondern auch Beteiligung an anderen Militäraktionen, am Kampf gegen Terrorismus oder Ausbildungsvorhaben auflisten soll. Auch das seien, nach Ansicht von NATO-Diplomaten, Verteidigungsausgaben, die angerechnet werden könnten.

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Keine Schulden-Rechnungen auf dem Tisch

Nach dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Weißen Haus hatte Präsident Donald Trump behauptet, Deutschland schulde der NATO hohe Milliardensummen. "So funktioniert die NATO nicht", war dazu der lapidare Kommentar von NATO-Diplomaten in Brüssel. Die NATO hat kein gemeinsames Budget für Militärausgaben, sondern jeder Mitgliedsstaat trägt seine Kosten mehr oder weniger selbst. Die US-Delegation in Brüssel hat anders als der Präsident auch nie eine "Rechnung" aufgemacht, heißt es aus NATO-Kreisen.

Das Thema Lastenteilung, über das die NATO seit Jahrzehnten immer wieder streitet, wird auch beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der NATO am 25. Mai in Brüssel eine Rolle spielen. Dann wird Präsident Trump selbst seine Forderungen erheben. Unterdessen haben NATO-Diplomaten schon einmal damit begonnen, abzuschätzen, welcher Anteil des US-Verteidigungshaushaltes eigentlich für Ausgaben in der Allianz genutzt wird. Die USA wenden rund 3,6 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für militärische Aufgaben auf. Der Anteil ist den letzten Jahren gesunken. Präsident Trump hat eine Erhöhung des Verteidigungshaushalts angekündigt. Allerdings unterhält das Pentagon mit dem Geld nicht nur in Europa Militärbasen, sondern auch im Mittleren Osten, Asien und dem Pazifik.

Mehr zur Terrorbekämpfung tun

Die NATO-Staaten wollen auf amerikanischen Druck ihre Bemühungen Bekämpfung des Terrorismus verstärken, kündigte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg an. In welcher Form das allerdings geschehen soll, ist offen und wird wohl erst beim Gipfeltreffen im Mai konkret entschieden. Kampftruppen auf dem Boden hat von den NATO-Verbündeten niemand verlangt, bestätigten Diplomaten. Bislang ist die NATO als Organisation nicht direkt am Einsatz gegen die Terror-Organisation "Islamischer Staat" beteiligt. Einzelne NATO-Mitglieder sind jedoch in der "Internationalen Koalition" gegen den "IS" engagiert.

Die NATO stellt bislang Luftaufklärung zur Verfügung und trainiert Truppen im Irak, die gegen den "IS" kämpfen. Außerdem wird Ausrüstung für einige Milizengruppen geliefert. Die USA wollen kurdische Kämpfer bei der Rückeroberung von Rakka stärker unterstützten. Das lehnt die Türkei, ebenfalls NATO-Mitglied, allerdings an. Sie sieht die kurdischen Kämpfer selbst als Terroristen an, weil sie Verbindung zur verbotenen kurdischen PKK haben.

Die Frühjahrstagung der NATO war von der kommenden Woche auf diesen Freitag vorverlegt und verkürzt worden, um in den Terminplan des amerikanischen Außenministers zu passen. Rex Tillerson hatte angekündigt, das Treffen zu schwänzen, weil er am Gipfel der USA mit China in Florida teilnehmen wolle. Die NATO-Alliierten hatten das für ein schlechtes Signal gehalten und überzeugten Tillerson, eine Woche früher nach Brüssel zu kommen. Die NATO zeige ihre Einigkeit und Geschlossenheit, kommentierte NATO-Generalsekretär Stoltenberg den ungewöhnlichen Vorgang. "Wir müssen flexibel bleiben." Keiner der 27 anderen Außenminister habe den neuen Termin abgelehnt.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union