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NATO unterstützt Türkei

Bernd Riegert28. Juli 2015

Die Türkei fordert von den NATO-Partnern vorerst keine weitere Unterstützung im Kampf gegen den "Islamischer Staat". NATO-Generalsekretär Stoltenberg sicherte jedoch Solidarität zu. Aus Brüssel Bernd Riegert.

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NATO-Generalsekretär Stoltenberg (Foto: REUTERS)
NATO-Generalsekretär Stoltenberg: Wir beobachten scharfBild: Reuters/F. Lenoir

Es war erst das fünfte Mal seit Gründung der NATO im Jahr 1949, dass die Botschafter aller NATO-Staaten förmlich über die bedrohte Sicherheit eines Mitgliedslandes berieten. Die Türkei nutzt dieses Forum gerne, um auf ihre Lage hinzuweisen, denn vier der fünf Sitzungen, die es bislang nach dem Artikel IV des NATO-Vertrages gab, hat die Türkei beantragt.

2003 berief sich die Türkei auf Artikel IV wegen der Krise im benachbarten Irak. 2012 traten die NATO-Botschafter zweimal auf Antrag der Türkei zusammen, weil es Angriffe der syrischen Armee auf die Türkei gegeben hatte. Und heute waren es Terroranschläge in der vergangenen Woche durch die islamistische Terrorgruppe "Islamischer Staat" und die kurdische Terrorgruppe PKK, die die türkische Regierung eine förmliche Sitzung der NATO beantragen ließen. Neben der Türkei hatte im März 2013 als einziges Mitgliedsland Polen den Artikel IV des NATO-Vertrages bemüht, um über die Besetzung der ukrainischen Krimhalbinsel durch Russland zu beraten.

NATO verurteilt islamistischen und kurdischen Terror

An diesem Dienstag trug der türkische NATO-Botschafter Mehmet Fatih Ceylan in Brüssel lediglich vor, warum die Sicherheit seines Landes durch den "Islamischen Staat", den Bürgerkrieg in Syrien und die PKK im Norden des Irak bedroht sei. Konkrete Anträge, der Türkei militärisch zu helfen, stellte der Botschafter nicht. Die Allianz nahm den Lagebericht zur Kenntnis und versicherte der Türkei gegenüber ihre "starke Solidarität", sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach der Sitzung in Brüssel. "Alle Alliierten stehen solidarisch zur Türkei. Wir verurteilen terroristische Angriffe scharf." Damit meinte Stoltenberg nicht nur den Terroranschlag des "IS" mit 32 Toten in der südtürkischen Stadt Suruc, sondern auch die Ermordung von Polizeioffizieren durch die kurdische PKK.

Keine konkreten Hilfen von der NATO

Die NATO begrüße, so Stoltenberg weiter, die zusätzlichen Anstrengungen, die die Türkei im Kampf gegen die Terrorgruppe "Islamischer Staat" unternehmen wolle. Die türkische Luftwaffe fliegt jetzt Angriffe gegen den "IS" im Norden Syriens. Eine internationale Allianz unter Führung der USA greift seit letztem Jahr Stellungen des "IS" im Irak und in Syrien aus der Luft an. Die USA und die Türkei haben die Einrichtung einer noch nicht näher definierten Sicherheitszone im Norden Syriens vereinbart. Wichtig ist für den NATO-Partner USA vor allem, dass amerikanische Kampfjets jetzt die türkischen Luftwaffenbasis Incirlik nutzen dürfen.

Trauer nach dem Bombenanschlag in Suruc: Mann hat seinen Kopf in eine Hand gestützt (Foto: Ensar Ozdemir / Anadolu Agency)
Trauer in Suruc am Tag nach dem IS-Bombenanschlag (21.07.)Bild: picture-alliance/AA/E. Ozdemir

Die Sicherheitszone und die Luftangriffe seien aber "bilaterale Angelegenheiten" der USA und der Türkei betonte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. "Die Türkei hat nicht nach mehr militärischer Präsenz der NATO in der Türkei gefragt. Wir wissen alle, dass die Türkei ein starker Allierter mit einer sehr schlagkräftigen Armee ist. Die Türkei verfügt über die zweitgrößten Streitkräfte in der NATO.

Die Allianz als Institiution habe mit der internationalen Koalition gegen den "Islamischen Staat" nichts zu tun", so der Generalsekretär der Allianz. Allerdings beteiligen sich zahlreiche NATO-Mitgliedsstaaten mit Luftangriffen, Ausbildungseinsätzen oder Waffenlieferungen an kurdische Peschmerga oder gemäßigte syrische Rebellen an der Koalition. Die NATO plant keine eigenen Militäraktionen in der Region. Das hatten die NATO-Außenminister erst bei ihrem letzten Treffen im Mai im türkischen Badeort Belek bekräftigt.

Wer unterstützt wen im Kampf gegen wen?

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sagte in Ankara parallel zum Treffen der NATO in Brüssel, die Allianz müsse sich darauf vorbereiten, seinem Land im Kampf gegen den Terror beizustehen. NATO-Diplomaten in Brüssel kritisierten, dass die Türkei den Kampf gegen den islamistischen "IS" und die kurdische PKK vermische. Das sei schwer verständlich, da sich beide Gruppen ja auch gegenseitig bekämpften. Im Norden Syriens etwa kämpften kurdische Milizen, die mit der PKK verbunden seien, gegen den "Islamischen Staat". Die US-Streitkräfte wollen künftig stärker mit den kurdischen Gruppen in Syrien zusammenarbeiten, um den "IS" zu schwächen, heißt es von NATO-Diplomaten.

Der türkische Präsident Tayyip Erdogan (Foto: AFP/GettyImage)
Präsident Erdogan: Kein Schritt zurück im Kampf gegen TerrorBild: Getty Images/A. Altan

Bislang hatte die Türkei immer die Absetzung des syrischen Regimes von Machthaber Baschar al-Assad als oberstes Ziel angesehen. Gegen al-Assad kämpft ja auch der "Islamische Staat". Einige NATO-Verbündete hatten der Türkei sogar vorgeworfen, sie habe den "IS" in Syrien zu lange gewähren lassen und ihn zumindest passiv unterstützt, was die türkische Regierung stets bestritten hatte. Jetzt scheint der türkische Präsident Erdogan den Kurs zu wechseln. Er will massiv gegen den "IS" vorgehen, aber gleichzeitig auch die PKK wieder bekämpfen.

Wende in der Kurden-Politik

Den bislang geltenden Versuch, sich mit der PKK, die in Europa als Terrororganisation gilt, friedlich zu einigen, bricht die türkische Führung nun offenbar ab. Der seit drei Jahren andauernde Friedensprozess mit den Kurden könne nicht fortgesetzt werden, sagte Präsident Erdogan in Ankara.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ging auf diese Ankündigung aus Ankara in seiner kurzen Erklärung nach der Sitzung des NATO-Rates in Brüssel nicht ein. Stoltenberg hatte allerdings am Montag in einem Interview gesagt, die Türkei habe zwar das Recht auf Selbstverteidigung, müsse aber die Verhältnismäßigkeit bei der Antwort auf kurdische Terroranschläge wahren. Ähnlich hatte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußert.

Die Erklärung der NATO, die nach dem Treffen der Botschafter in Brüssel veröffentlicht wurde, ist vage formuliert. Sie enthält keine Zusagen an die Türkei und die NATO macht, was sie in diesen Fällen gerne macht: Sie beobachtet. "Wir werden die Entwicklung an der südöstlichen Grenze sehr genau verfolgen", sagte NATO-Generalsekretär Stoltenberg dazu lediglich.