NATO-Armenien
13. September 2010Über die einwöchige Katastrophenschutz-Übung der NATO "Armenien 2010", die am Samstag (11.09.2010) begonnen hat, wurde in der armenischen Öffentlichkeit schon im Vorfeld monatelang diskutiert. Im Mittelpunkt stand vor allem die Frage, ob für die Dauer der Übung die türkisch-armenische Grenze geöffnet wird. Über sie soll laut Übungsplan Hilfe rollen, die Armenien im Falle eines starken Erdbebens und einer möglichen radioaktiven Verseuchung der Umwelt benötigen würde. Im armenischen Mezamor, etwa 30 Kilometer westlich der Hauptstadt Jerewan, befindet sich das einzige Atomkraftwerk im Kaukasus.
Zunächst hatte die Türkei angekündigt, im Rahmen der NATO-Übung einen kleinen Abschnitt der seit 17 Jahren geschlossenen armenisch-türkischen Grenze zu öffnen. Doch nur wenige Tage vor Beginn der Übung erklärten die türkischen Behörden, die Grenze unter keinen Umständen zu öffnen. Die von türkischer Seite benötigte Ausrüstung für die Übung werde Ankara über Georgien nach Armenien transportieren.
Kritik aus Jerewan
In der armenischen Hauptstadt hieß es daraufhin, man könnte die Übung auch absagen, da sie so keinen Sinn mache. Boris Nawasardjan, Leiter des Jerewaner Presseclubs, betonte gegenüber der Deutschen Welle, gemeinsam mit der NATO werde ein Szenario geübt, das tatsächlich eintreten könnte. Dann würde die Hilfe über Umwege viel zu spät eintreffen.
Die armenische Parlamentsabgeordnete Ara Nranjan von der oppositionellen Partei "Armenische Revolutionäre Föderation" zeigte gegenüber der Deutschen Welle kein Verständnis für die Entscheidung der Türkei, zumal Armenien schon bei vielen Übungen erfolgreich mit der NATO zusammenarbeitet habe. Das Land ist seit 1994 Mitglied des NATO-Programms "Partnerschaft für den Frieden".
Grenze seit 1993 geschlossen
Aus Protest gegen den Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um die selbsternannte Republik Berg-Karabach hatte die Türkei 1993 die Grenze zu Armenien geschlossen. Die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörende Region Berg-Karabach ist überwiegend von Armeniern bewohnt. Von dort besteht aber keine direkte Verbindung zu Armenien, das allerdings die Region seit einem 1994 erzielten Waffenstillstand mit eigenen Kräften kontrolliert.
Die Türkei fordert den Rückzug der armenischen Truppen aus Berg-Karabach und die Lösung des Konflikts zugunsten Aserbaidschans. Erst dann will Ankara einen vollwertigen Dialog mit Jerewan aufnehmen – über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Öffnung der Grenze. Armenien hingegen will ohne Vorbedingungen einen Dialog führen.
Autor: Aschot Gasasjan / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Gero Rueter