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Newzow-Bericht setzt Putin unter Druck

12. Mai 2015

Er war mit Spannung erwartet worden, der letzte Bericht des ermordeten russischen Oppositionspolitikers Nemzow. Jetzt liegt er vor. Er soll "Beweise" für Einsätze der russischen Armee in der Ukraine enthalten.

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Der russische Oppositionspolitiker Ilja Jaschin stellt den Bericht in Moskau vor (Foto:'Reuters)
Der russische Oppositionspolitiker Ilja Jaschin stellt den Bericht in Moskau vorBild: Reuters/M. Zmeyev

Auf 64 Seiten haben der Kremlkritiker Boris Nemzow und seine Mitstreiter zahlreiche Belege für die Präsenz russischer Militärs in der Ostukraine zusammengetragen. Aus dem Bericht "Putin - der Krieg" geht hervor, dass bei den Kämpfen in der Ostukraine mindestens 220 russische Soldaten getötet worden seien. Russland habe für die Unterstützung des Aufstands von Separatisten im Nachbarland umgerechnet mehr als eine Milliarde US-Dollar ausgegeben.

Einer der Autoren des Berichts, der Oppositionelle Ilja Jaschin, sagte bei der Vorstellung des Dokuments, alle entscheidenden militärischen Siege der prorussischen Separatisten in der Ostukraine seien von regulären russischen Truppen herbeigeführt worden. Der Bericht enthalte unter anderem Aussagen von "Schlüsselzeugen".

Bei den Kämpfen im Osten der Ukraine sind mehr als 6100 Menschen getötet worden. Der Westen und die Ukraine werfen Russland vor, die Aufständischen mit Soldaten, Waffen, Ausbildung und nachrichtendienstlichen Informationen zu unterstützen. Die russische Führung bestreitet, dass russische Soldaten aktiv in die Kämpfe verwickelt sind.

Angehörige Gefallener befragt

Der Report war das letzte Projekt, an dem Nemzow vor seiner Ermordung gearbeitet hatte. Er sammelte dafür Informationen aus öffentlichen Quellen und befragte Familien gefallener russischer Soldaten. Der 55-Jährige wurde in der Nacht zum 28. Februar in Moskau erschossen. Das Attentat löste weltweit Bestürzung aus. Die Tat ist bis heute nicht aufgeklärt. Parteifreunde und mehrere oppositionelle Journalisten halfen, den Bericht nach dem Tod Nemzows fertigzustellen. Die russische Regierung äußerte sich zunächst nicht zu dem Dokument.

Dem Bericht zufolge wurden allein in der Schlacht um das Dorf Ilowaisk und in der Umgebung im Sommer 2014 mindestens 150 russische Soldaten getötet. Ihre Angehörigen hätten drei Millionen Rubel (rund 50.000 Euro) Schmerzensgeld erhalten. Die Zahlung sei an die Bedingung geknüpft gewesen, dass sie öffentlich über den Tod ihrer Familienmitglieder schweigen. Bei den Kämpfen um Debalzewe Anfang 2015 seien mindestens 70 Russen umgekommen. Deren Angehörigen hätten allerdings kein Geld bekommen. In den meisten Fällen würden die russischen Soldaten formal zum Austritt aus der Armee gezwungen, ehe sie in die Ostukraine reisten, schreiben die Autoren. Russische Kämpfer erhielten dort umgerechnet bis zu 1600 Euro Sold im Monat.

Geschwächte Opposition

Vor kurzem hatte sich die Partei Nemzows mit der Fortschrittspartei des prominenten Kremlkritikers Alexej Nawalny und sechs weiteren russische Parteien und Gruppen zusammengeschlossen, darunter auch die Bewegung Offenes Russland des früheren Oligarchen Michail Chodorkowski. Nawalnys Fortschrittspartei und der Co-Vorsitzende der Nemzow-Partei RPR-Parnas, der ehemalige Ministerpräsident Michail Kassjanow, hatten das Bündnis für die Regionalwahlen in diesem und die Parlamentswahl im kommenden Jahr vereinbart. Man wollte gemeinsame Oppositionskandidaten aufstellen. Ende April entzog das Justizministerium jedoch der Nawalny-Partei die Registrierung.

Die liberale Opposition in Russland ist schwach und zersplittert. In den 15 Jahren, in denen Wladimir Putin als Ministerpräsident und Staatschef am Ruder ist, wurde sie zunehmend an den Rand gedrängt. Im russischen Parlament, der Duma, ist sie nicht vertreten.

Der russische Außenminister Sergej spricht in Sotschi mit seinem US-Kollegen John Kerry (Foto: Reuters)
Viel zu besprechen: der russische Außenminister Sergej (links) und sein US-Kollege John KerryBild: Reuters/J. Roberts

Kerry in Sotschi

Derweil hat sich US-Außenminister John Kerry bei seinem ersten Russland-Besuch seit zwei Jahren in der Schwarzmeer-Stadt Sotschi mit Kremlchef Wladimir Putin getroffen. Hauptthema der Begegnung dürfte - wie kurz zuvor in Gesprächen mit Kerrys Außenminister-Kollegen Sergej Lawrow - die Ukraine-Krise gewesen sein. Auch die Bürgerkriege in Syrien und im Jemen sowie der Atomstreit mit dem Iran sollten zur Sprache kommen.

Zu Beginn ihres Treffens hatten Lawrow und Kerry zu Ehren der Opfer des Zweiten Weltkrieges Kränze an einem Mahnmal niedergelegt. US-Präsident Barack Obama hatte an der pompösen Siegesfeier in Moskau zum 70. Jahrestag des Triumphs der Sowjetunion über Hitler-Deutschland nicht teilgenommen.

kle/rb (afp, rtr, dpa)