Neonazis hatten offenbar mehrere Helfer
21. November 2011Bislang war von vier mutmaßlichen Tätern die Rede, die für die Serie von zehn rechtsextremistisch motivierten Morden zwischen 2000 und 2007 verantwortlich seien sollen. Inzwischen wird gegen neun weitere Personen ermittelt, bestätigte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich am Montag (21.11.2011) nach einer nichtöffentlichen Sondersitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages in Berlin. An dem Treffen hatten neben Friedrich unter anderem die Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Heinz Fromm, und des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, teilgenommen.
Im Innenausschuss sitzen Abgeordnete aller fünf im Bundestag vertretenen Fraktionen. Sie dringen auf eine rasche Aufklärung der Mordserie. Der christdemokratische Vorsitzende des Gremiums, Wolfgang Bosbach, sagte nach der mehrstündigen Sitzung, noch nie sei ihm eine "solche Fülle von Fehlern" begegnet. Der Vorschlag des Bundesinnenministers vom vergangenen Freitag, ein Abwehrzentrum gegen Rechtsterrorismus zu schaffen und eine zentrale Datei mit Erkenntnissen über rechtsextremistische Täter einzuführen, sei im Ausschuss auf Unterstützung gestoßen.
Strukturelle Mängel der Sicherheitsarchitektur
Strukturelle Mängel in der deutschen Sicherheitsarchitektur waren allem Anschein nach mitentscheidend dafür, dass die drei mutmaßlichen Haupttäter 1998 untertauchen konnten, obwohl sie jahrelang vom Verfassungsschutz des Landes Thüringen beobachtet worden waren. Diese Panne hatte zu Spekulationen geführt, staatlich bezahlte Verfassungsschützer und Spitzel, sogenannte V-Leute, könnten möglicherweise in die Morde und weitere Straftaten verstrickt sein.
Mehr Licht ins Dunkel bringen könnte die inhaftierte Beschuldigte Beate Zschäpe, die bislang jedoch die Aussage verweigert. Ihre beiden mutmaßlichen Komplizen, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, hatten sich das Leben genommen. Ihre Leichen wurden in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden. Ermittlern wie Politikern stellen sich noch eine "Unzahl ungeklärter Fragen", sagte der Innenexperte der Grünen, Wolfgang Wieland. Sollte es bei den Untersuchungen keine Fortschritte geben, hielte er einen Untersuchungsausschuss und einen Sonderermittler für denkbar.
Linken-Abgeordnete: Gefahr "verharmlost und verniedlicht"
Es wäre nicht das erste Mal, dass Parlamentarier sich mit Affären deutscher Sicherheitsdienste zu befassen hätten. Von 2006 bis 2009 ging es im Geheimdienst-Untersuchungsausschuss um die Frage, welche Rolle Behörden und Politiker im Kampf gegen den islamistischen Terror gespielt haben. Viele Fragen blieben trotz jahrlanger Arbeit unbeantwortet.
Ein grundlegendes Umdenken hält die Innenpolitikerin der Linken, Ulla Jelpke, für unausweichlich. Der Rechtsterrorismus sei seit Jahren "verharmlost und verniedlicht" worden. Dabei sei das Thema im Bundestag immer wieder zur Sprache gebracht worden. Bei vielen Anschlägen habe es Hinweise auf einen organisierten Rechtsterrorismus gegeben, sagte Jelpke unter Hinweis auf Anschläge in Rostock, Hoyerswerda und Mölln, bei denen es zum Teil Todesopfer gegeben hat.
Was ist auf der zweiten DVD zu sehen?
Viele offene Fragen beschäftigen weiterhin auch die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Ein Sprecher sagte am Montag, es gebe bislang keine Anhaltspunkte für eine Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit den Verdächtigen, die aufgrund ihres letzten bekannt gewordenen Aufenthaltsortes als "Zwickauer Zelle" bezeichnet werden. In den Trümmern ihrer ausgebrannten Wohnung in der sächsischen Stadt war ein Bekenner-Video gefunden worden. Eine zweite, den Angaben zufolge durch das Feuer stark beschädigte DVD, habe noch nicht ausgewertet werden können.
Muslime begrüßen zentrale Trauerfeier
Für die Opfer des Rechtsterrorismus soll es eine zuvor vielfach geforderte zentrale Gedenkfeier geben. Das hat Parlamentpräsident Norbert Lammert (CDU) am Wochenende bestätigt. Vorbereitet würde die Zeremonie gemeinsam vom Bundespräsidialamt, vom Deutschen Bundestag und der Bundesregierung. Schon zuvor hatte Bundespräsident Christian Wulff angekündigt, sich mit Familienangehörigen der Opfer treffen zu wollen. An dem Gespräch sollen auch Vertreter des Bundestages und der Bundesregierung teilnehmen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, begrüßte die geplante Trauerfeier als "richtiges Signal". Die Zeremonie könne einige religiöse Elemente enthalten, etwa eine Koran-Rezitation, sagte er in einem Presse-Interview.
Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Sabine Faber