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Nepals Erdbebenopfer "komplett hilflos"

Alys Francis / sp12. Mai 2015

Gerade als Nepal begann, sich von dem verheerenden Erdbeben vor zwei Wochen zu erholen, erschüttert ein weiteres Beben das Land. 83 Tote und 1900 Verletzte wurden bislang gezählt. Alys Francis berichtet aus Kathmandu.

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Erdbeben-Opfer in Kathmandu (Foto: DW/Alys Francis)
Bild: DW/A. Francis

Rajesh Shibabhkti stand im vierten Stock eines Bürogebäudes in Nepals Hauptstadt Kathmandu, als die Erde wieder zu beben begann. Um nicht zu fallen, "musste ich mich am Raumteiler festhalten", sagt Shibabhkti. "Alle versuchten, nach draußen zu kommen."

Zu diesem Zeitpunkt erschüttert ein Erdbeben der Stärke 7,3 die Stadt. Sein Epizentrum liegt im Himalaya, in der Nähe des Mount Everest. Es trifft ein Land, das vor nur zwei Wochen durch ein verheerendes Erdbeben verwüstet wurde. Mehr als 8000 Menschen waren dabei gestorben, etwa 18.000 wurden verletzt. Rund acht Millionen Menschen hatte das erste Beben der Stärke 7,8 betroffen. Mehrere historische Stätten hatte es in dem Himalaya-Staat zerstört, dazu mehr als eine halbe Million Wohnungen.

"So etwas ein zweites Mal mitzuerleben, hat sich angefühlt, als würde man dem Tod direkt ins Auge blicken", sagt Shibabhkti aus der Fahrerkabine seines Allrad-Wagens. In dem Fahrzeug wird er die Nacht mit seiner Familie verbringen. Aus Angst vor einem weiteren Nachbeben schläft er wie viele Einwohner Kathmandus fern jeglicher Gebäude.

Rajesh Shibabhkti mit Familie (Foto: DW/Alys Francis)
Zuflucht Auto: Rajesh Shibabhkti mit FamilieBild: DW/A. Francis

Chaotische Zustände in der Hauptstadt

Die stärksten Erschütterungen des neuen Bebens werden Dienstagmittag in der Bergregion um die Stadt Namche Bazaar nordöstlich von Kathmandu gemessen. Fluchtartig verlassen Büroangestellte in der Hauptstadt die Gebäude und strömen auf die Straßen, die sich schnell mit panischen Menschen füllen. Viele suchen im Tundikhel-Park nach Zuflucht - die Grünfläche ist der größte offene Platz im Herzen der Hauptstadt - und ein provisorisches Camp für jene, deren Unterkünfte nach dem ersten Beben unbewohnbar geworden waren.

Auf der anderen Seite des Parks bringen Krankenschwestern und verängstigte Angehörige Patienten des "Bir government Hospital" ins Freie. Teile des Krankenhauses wurden vor zwei Wochen ebenfalls zerstört. Im Eingangsbereich treffen sie auf Verletzte, die gerade am Hospital ankommen: Zwei Männer auf einem Motorrad bringen eine Frau mittleren Alters, ihr Kopf hängt auf der Seite. Ein anderer stützt einen jungen Mann, der dringend Hilfe benötigt. Sein Gesicht ist blutverschmiert.

83 Tote und mindestens 1900 Verletzte lautet die jüngste Bilanz des zweiten Erdbebens. 32 von Nepals 75 Distrikten seien betroffen, teilte der Sprecher der nepalesischen Regierung, Minendra Rijal, mit. Es habe mehrere Nachbeben der Stärke 5 oder höher gegeben. Die Regierung ergriff direkt nach dem Beben erste Maßnahmen und entsandte Militärhubschrauber. Sie sollen das Ausmaß des Schadens begutachten, Nothilfe leisten und Such- und Rettungsteams mitnehmen.

Aus mehreren Regionen gibt es Berichte von Menschen, die unter den Trümmern begraben sind. Viele der Gebäude, die während des ersten Bebens beschädigt wurden, sind nach Angaben der Vereinten Nationen nun endgültig eingestürzt. Aus der Langtang-Region melden Nothelfer Erdrutsche.

Nepals Regierung versetzte die Krankenhäuser in den betroffenen Regionen in Alarmbereitschaft, um die Verwundeten zu behandeln. Die nepalesische Armee bat Hilfsorganisationen um mehr Notunterkünfte. Für jene, deren Wohnungen erneut beschädigt wurden oder die schlicht zu viel Angst haben, unter einem Dach zu schlafen.

Zerstörte Gebäude in Kathmandu (Foto: picture alliance)
Vollkommen zerstört: So sehen viele Häuser in Nepal ausBild: picture-alliance/epa/N. Shrestha

Schutz im Freien

"Nach dem letzten Erdbeben sind wir fünf Tage lang draußen geblieben", sagt Shibabhkti. "Ich weiß nicht, wie lange wir diesmal hier bleiben müssen." Nicht weit von Shibabhkti und seiner Familie ist Maju Shrestha dabei, Plastikplanen über zwei Bambusstangen zu spannen. Unter ihnen wird sie die Nacht mit ihrem Mann, ihrem Sohn und weiteren Verwandten verbringen. Als das Erdbeben kam, schlief sie in ihrem Appartement im vierten Stock. "Das Bett wackelte, alles hat gebebt. Es war fürchterlich", berichtet sie. Als die 51-Jährige das Haus in Panik verließ, verletzte sie sich am Knie. "Natürlich haben wir Angst, im Haus zu bleiben. Darum sind wir ja hier."

Die Unsicherheit halte die Menschen auf den Straßen, sagt auch Shibabhkti. "Die Menschen sind komplett hilflos. Wir können nie wissen, wann uns solche Naturkatastrophen erneut treffen."