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KonflikteIsrael

Gazastreifen: Netanjahu sagt "sicheren Korridor" in Rafah zu

11. Februar 2024

In der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens haben mehr als eine Million Palästinenser Zuflucht gesucht. Dennoch bereitet die israelische Armee einen Angriff vor. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gibt eine Zusage.

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Ein zerstörtes Auto nach einem israelischen Luftangriff in der Stadt Rafah
Ein israelischer Luftangriff richtete am Samstag in Rafah schwere Schäden anBild: Abed Rahim Khatib/Anadolu/picture alliance

Vor der erwarteten Bodenoffensive auf die Stadt Rafah im Gazastreifen hat der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu den dort ausharrenden Zivilisten einen sicheren Korridor versprochen. "Wir werden der Zivilbevölkerung einen sicheren Weg aus der Stadt ermöglichen", sagte Netanjahu dem US-Fernsehsender ABC News. "Wir arbeiten einen detaillierten Plan dafür aus. Wir sind in dieser Sache nicht leichtfertig", betonte Netanjahu. Gebiete nördlich von Rafah seien bereits geräumt worden und könnten als sichere Zonen für die Zivilbevölkerung genutzt werden.

In Rafah sind infolge des Israel-Hamas-Krieges mehr als eine Million Flüchtlinge aus anderen Teilen des Palästinensergebietes gestrandet. Netanjahu hatte die Armee am Freitag angewiesen, eine Offensive auf Rafah vorzubereiten. Die Stadt nahe der Grenze zu Ägypten ist der einzige Ort in dem Küstengebiet, in dem die militant-islamistische Hamas noch die Kontrolle ausübt. "Es ist unmöglich, das Kriegsziel der Eliminierung der Hamas zu erreichen, wenn vier Hamas-Bataillone in Rafah verbleiben", erklärte Netanjahu nach Angaben seines Büros. Die Pläne der Militärführung müssten auch beinhalten, Zivilisten in Sicherheit zu bringen. Die Hamas ist eine militant-islamistische Palästinenserorganisation - Israel, die Europäische Union, die USA, Deutschland und weitere Länder stufen sie als Terrororganisation ein.

Leben im Zelt an der Grenze zwischen Gaza und Ägypten

Auch am Samstag geriet Rafah unter Beschuss. Von palästinensischer Seite hieß es aus der Stadt, dabei seien unter anderen fünf Polizisten getötet worden. Israels Militär gab an, bei einem Angriff zwei hochrangige Mitglieder der Hamas getötet zu haben.

Immer mehr Warnungen vor der Offensive

Angesichts der israelischen Pläne mehren sich die Warnungen vor dramatischen Folgen für die palästinensischen Flüchtlinge. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sprach angesichts der drohenden Angriffe im Onlinedienst X von einer "humanitäre Katastrophe mit Ansage". Die Not in der Stadt sei "schon jetzt unfassbar". 1,3 Millionen Menschen hätten dort auf engsten Raum Schutz vor den Kämpfen gesucht und könnten sich "nicht in Luft auflösen", so Baerbock.

Improvisierte Notunterkünfte von palästinensischen Flüchtlingen bei Rafah
Eine unübersehbare Zahl von Zelten der palästinensischen Flüchtlinge bei RafahBild: Abed Zagout/Anadolu(picture alliance

"Wir glauben, dass eine Militäroperation zum jetzigen Zeitpunkt eine Katastrophe für diese Menschen wäre", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, am Donnerstag. "Wir würden das nicht unterstützen." Auch Großbritannien reihte sich in die Liste der Staaten ein, die vor einem militärischen Vorgehen Israels in Rafah warnen. Er sei "zutiefst besorgt über die Aussicht einer Militäroffensive in Rafah", betonte Außenminister David Cameron. "Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Gazas sucht in der Gegend Zuflucht". Die Priorität müsse auf einer sofortigen Feuerpause liegen, um Hilfslieferungen zu ermöglichen und Geiseln herauszubekommen.

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell gab auf X zu bedenken: "Eine israelische Offensive auf Rafah würde eine unbeschreibliche humanitäre Katastrophe bedeuten." Außerdem würde es "zu starken Spannungen mit Ägypten kommen", das an Rafah grenzt. Ägypten befürchtet, dass ein massiver Militäreinsatz in Rafah zu einem Ansturm verzweifelter Palästinenser auf die ägyptische Halbinsel Sinai führen könnte. Die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas wiederum warnte vor einer "Katastrophe und einem Massaker", das zum Tod von zehntausenden Menschen führen könnte.

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell bei einer Rede in Beirut
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell (Archivbild)Bild: MOHAMED AZAKIR/REUTERS

Weiterer Tunnel entdeckt

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben einen Tunnel der Hamas-Miliz entdeckt, der unter dem Hauptquartier des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA in der Stadt Gaza verlaufen soll. Der unterirdische Gang sei 700 Meter lang, liege in 18 Metern Tiefe und habe als wichtige Einrichtung des Militärgeheimdienstes der Hamas gedient, teilte die Armee mit. In dem - von der UNRWA in der Anfangsphase des Krieges verlassenen - Hauptquartiers der UN-Organisation will das Militär binnen zwei Wochen große Mengen von Waffen und Sprengstoff gefunden haben. Weiter würden Indizien darauf hindeuten, dass Büros und Räumlichkeiten der UNRWA-Zentrale von Hamas-Terroristen genutzt worden seien. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. 

In Israel demonstrierten am Samstagabend abermals Tausende Menschen für die Freilassung der von der Hamas verschleppten Geiseln. Angehörige der Geiseln warfen Netanjahu vor, die internationalen Verhandlungen mit der Hamas zu torpedieren. Teilnehmer einer Kundgebung in Tel Aviv verlangten den Rücktritt der Regierung und Neuwahlen. Hunderte Demonstranten blockierten Hauptverkehrsadern der Küstenmetropole. Die Polizei nahm mindestens sieben von ihnen fest. Demonstrationen für eine Geiselfreilassung gab es auch in Jerusalem und in Haifa. 

Warum eine Lösung des Nahostkonflikts so kompliziert ist

Beim Überfall der militanten Palästinensergruppe Hamas auf Israel im Oktober waren israelischen Angaben zufolge rund 1160 Menschen ermordet und 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. Israel kündigte daraufhin die Vernichtung der Hamas an und startete einen massiven Militäreinsatz im Gazastreifen. Nach jüngsten Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dort seitdem mehr als 28.000 Menschen getötet.

kle/se/AR (afp, dpa, rtr)

Redaktionsschluss: 18 Uhr MEZ. Dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.