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Vorwürfe gegen Comedian Dave Chappelle

21. Oktober 2021

US-Komiker Dave Chappelle nimmt kein Blatt vor den Mund. Gegen seine Netflix-Show "The Closer" gehen jetzt Menschen auf die Straße.

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Dave Chapelle Bühne At Radio City Music Hall
Bild: Mike Coppola/Getty Images

Netflix sonnt sich zwar gerade in den tollen Zahlen, die seine Erfolgsproduktionen wie "Squid Game" hervorbringen. Nun aber bekommt der Streaming-Riese Gegenwind. Und das wegen einer Comedy-Show: Vor dem Netflix-Sitz in Los Angeles versammelten sich am Mittwoch Dutzende, um gegen die letzte Ausgabe von "The Closer" zu protestieren. Dem Stand up-Comedian Dave Chappelle wird vorgeworfen, er habe sich in seiner Show "transfeindlich" geäußert und sich über Transgender-Menschen lustig gemacht. 

Die Vorgeschichte: Der erfolgreiche US-Rapper DaBaby hatte sich während eines Konzertes im Juli in Florida auf übelste Weise über die LGBTQ-Community geäußert. Auf diese Äußerungen ist Dave Chappelle in der umstrittenen "The Closer"-Ausgabe eingegangen und hat die LGBTQ-Community darüber "aufgeklärt", dass DaBaby einmal einen Schwarzen erschossen habe, was seiner Karriere jedoch nicht geschadet habe. "In unserem Land kann man auf einen Schwarzen schießen und ihn töten", fährt Chappelle fort, "aber verletzen Sie bitte nicht die Gefühle einer schwulen Person." Zudem hatte er noch Trans-Frauen mit der als rassistisch verpönten Darstellungsmethode des Blackfacing verglichen.

Protest von Netflix-Mitarbeitern und Transgeder-Aktivisten gegen Dave Chappelle, Demsontranten mit bunten Fahnen und Schildern "Black Trans Lives Matter" und "Trans Rights"
Demonstranten vor dem Netflix-GebäudeBild: Damian Dovarganes/AP/picture alliance

Chappelle ist zu weit gegangen

Damit ist Dave Chappelle in den Augen vieler Menschen zu weit gegangen. Er würde mit seinen Äußerungen möglicher Gewalt gegen Transgender Vorschub leisten, hieß es. Netflix-Programmchef Ted Sarandos aber hielt an Chappelle fest.

Und sorgte dann mit einem publik gewordenen internen Schreiben für Kritik. In dem erklärte er, Inhalte auf dem Bildschirm "werden nicht direkt in Nachteile in der echten Welt umgesetzt" und hob die Bedeutung der "künstlerischen Freiheit" hervor.

Ted Sarandos Porträt
Netflix-Programmchef Ted SarandosBild: Vianney Le Caer/Invision/AP/picture alliance

Später relativierte Sarandos diese Äußerungen: Er habe einen Fehler gemacht, so der Netflix-Programmchef später. Er hätte es ernster nehmen müssen, dass Mitarbeiter "Schmerz" verspürt hätten. "Ich hätte in erster Linie viel menschlicher vorgehen müssen", sagte er der "Variety". Und natürlich habe das Geschichtenerzählen sehr wohl Auswirkungen in der realen Welt.

Dennoch haben Netflix-Angestellte gegen die Show protestiert, legten am Mittwoch die Arbeit nieder und demonstrierten mit. Auch mehrere Künstler schlugen sich auf die Seite der Transgender-Aktivisten. Auch die lesbische Komikerin Hannah Gadsby, die selbst Sendungen für Netflix macht, kritisierte den Umgang des Streamingsdienstes mit dem Vorfall. Die Netflix-Mitarbeiterin Terra Field, selbst Transgender, setzt sich dafür ein, "The Closer" mit einem Warnhinweis zu versehen und außerdem bei Netflix mehr "homosexuelle und transgender Komiker und Talente" zu fördern.

Dave Chappelle, Porträt
Dave Chappelle sieht sich nicht als Transgender-FeindBild: Stacy Revere/Getty Images

Es ist Chappelles Job zu verletzen

Dave Chappelles Humor ist böse. Er ist Satiriker, er ist derb, anstößig, provokant und ironisch. Er überschreitet Grenzen und lässt in seiner One-Man-Show nichts aus. Jede und jeder bekommt sein Fett weg, alle Minderheiten und Volksgruppen, Schwarze, Asiaten, Homosexuelle, Juden. Diesmal hat es die LGBTQ-Gemeinde abbekommen, die er einerseits beneidet, auf die er andererseits wütend ist, weil sie den Freiheitskampf (im Vergleich mit Schwarzen in Amerika) seiner Meinung nach gewonnen haben - aber immer noch so täten, als wären sie die Opfer.

Die Debatte hat sich auch in den sozialen Netzwerken fortgesetzt. Fans von Dave Chappelle verweisen darauf, dass es sich bei Chappelles Äußerungen um Satire handelt, die der Gesellschaft einen Spiegel vorsetzt. Das müsse Comedy leisten, so ein User auf Twitter: 

Die Show, die Netflix als "Special" bezeichnet, ist im Übrigen etwa 80 Minuten lang. Am Ende sagt Chappelle zur LGBTQ-Community, es sei vorbei. "Ich mache keine Witze mehr über euch, bis wir beide sicher sind, dass wir gemeinsam lachen." Dann kommt der Abspann: Die schwarze Schwulen-Ikone Gloria Gaynor singt "I Will Survive", dazu gibt es Fotos aus Chappelles Leben: mit vielen Männern und Frauen, Schwarzen und Weißen, Promis und Freunden, Schilder mit den Aufschriften "Black Trans Lives Matter" und "Stop Killing Black People".

Dave Chappelle füllt mit seinen Programmen große Hallen, wurde bereits drei Mal für seine Comedy-Alben mit einem Grammy ausgezeichnet. Er ist Familienvater und 1998 zum Islam konvertiert.

Wenn Satire nicht mehr lustig ist

Auch in Deutschland bekommt Satire Gegenwind, wenn sich Menschen oder Minderheiten verletzt fühlen. Im vergangenen Jahr musste sich der Comedian Dieter Nuhr Kritik an seiner Corona-Satire gefallen lassen und fand sich mit seinen überzeichneten Corona-Witzen schnell in der Ecke von rechten Corona-Leugnern und Aluhut-Trägern wieder. Als Nuhr auch die junge Klimaaktivistin Greta Thunberg veräppelte, da verstanden viele Menschen in Deutschland keinen Spaß mehr.

Deutschland Dieter Hallervorden Kabarettist
Der deutsche Schauspieler und Komiker Dieter "Didi" HallervordenBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Kürzlich erst hat sich das erfahrene Komiker-Urgestein Dieter Hallervorden mit drastischen Worten in die Nesseln gesetzt: Er bezeichnete das Gendern als "Vergewaltigung der Sprache". Damit hat der 86-Jährige, der von vielen jüngeren Künstlern als Idol bezeichnet wurde, große Empörung ausgelöst: Dieses Wort, das ein schlimmes Verbrechen bezeichne, dürfe man nicht benutzen, wenn man eine Minderheit mithilfe einer gendergerechten Sprache sichtbar machen will.

Die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart ist bekannt für ihre süffisant und gleichzeitig ätzend vorgetragenen Tabubrüche, auch sie macht vor nichts und niemandem Halt: Eckhart wurde von Kritikern vorgeworfen, in einem Programm aus 2018 rassistische und antisemitische Klischees zu bedienen. Deswegen wurde sie 2020 von einer Veranstaltung ausgeladen. Aus Sicherheitsgründen, hieß es. 

 

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Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online