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Neue Angst vor der Séléka

Philipp Sandner17. Mai 2014

Die verstreute Séléka-Miliz organisiert sich neu. Sie wollen Ordnung in die vom Bürgerkrieg geplagte Zentralafrikanischen Republik bringen. Viele fürchten neue Offensiven von einer wieder erstarkenden Rebellenallianz.

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Seleka Rebellen in der Zentralafrikanische Republik
Bild: ISSOUF SANOGO/AFP/Getty Images

Eigentlich hatte der Anführer der Séléka schon vergangenen September die Auflösung der Allianz verkündet. Trotzdem machen die muslimisch dominierten Milizen in der Zentralafrikanischen Republik weiter mit immer neuen Gräueltaten von sich Reden. Erst am vergangenen Samstag (10.05.2014) überfielen Bewaffnete das überwiegend christliche Dorf Dissikou im Norden des Landes, nahe der Grenze zum Tschad. Nach Polizeiangaben pferchten sie 13 Menschen in einem Haus zusammen und verbrannten sie. Einer von vielen Vorfällen, hinter denen Augenzeugen Séléka-Kämpfer vermuten.

Die Allianz hatte im März 2013 die Macht in der Zentralafrikanischen Republik an sich gerissen und ihren Anführer Michel Djotodia zum Präsidenten ernannt. Bald darauf sagten christliche Bürgermilizen der Séléka-Herrschaft den Kampf an - eine Spirale der Gewalt begann sich zu drehen. Auf internationalen Druck hin machte Djotodia Anfang 2014 Platz für die jetzige Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza, die als neutral gilt. Afrikanische und französische Truppen versuchen seitdem, Teile des Landes zu sichern. Eine Überbrückungsmission der Europäischen Union befindet sich im Aufbau, im September soll eine UN-Mission folgen.

Französische Soldaten mit einem Panzer patroullieren in Bangui
Die ausländischen Soldaten können nicht die Sicherheit im ganzen Land herstellenBild: picture-alliance/dpa/ECPAD

Doch Séléka-Kämpfer sind weiter im ganzen Land aktiv. Sie fordern mehr Mitsprache für die muslimische Minderheit und für die Bevölkerungsgruppen des Nordens. De facto kontrollieren sie noch immer den Nordosten des Landes, aus der Region um die Hauptstadt Bangui im Süden des Landes sind sie weitgehend verdrängt. Nun hat die Bewegung einen neuen Anführer gewählt. Über 500 Vertreter der Séléka erklärten vergangenen Freitag (09.05.2014) den General Joseph Zindeko zu ihrem Armeechef. Dessen Ziel sei es, alle Kämpfer der Séléka zusammenzubringen und neu zu strukturieren, erklärte ein Sprecher der Bewegung gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Außerdem wolle man die Gebiete, die unter Séléka-Kontrolle stehen, besser schützen.

Mehr Ordnung oder neue Offensiven?

Für den Pariser Politikwissenschaftler Michel Galy kommt die Neu-Strukturierung der Rebellen nicht überraschend. "Es heißt, die französische Militärmission Sangaris und sogar die Übergangsregierung hätten die Séléka-Rebellen gedrängt, sich neu zu organisieren, mit klaren Strukturen und Hierarchien", sagt er im Interview mit der Deutschen Welle. Die bislang rund 8000 internationalen Soldaten haben das große Land nicht im Griff. Galy zufolge hätten diese eine Lösung gesucht, um die Gewalt durch Séléka-nahe Kräfte im Zaum zu halten. Die Hoffnung: Durch eine Neustrukturierung der Allianz bekommen die internationalen Truppen in Zukunft klare Ansprechpartner.

Die Gefahren indes kann auch Galy nicht von der Hand weisen: "Eine neu vereinigte Gruppe könnte sich in den Kopf setzen, gemeinsam in den Süden und auf die Hauptstadt Bangui zuzumarschieren." Um erneut erneut die Macht zu übernehmen und die dortige muslimische Bevölkerung vor Übergriffen zu schützen. Denn aus Angst vor der christlichen Anti-Balaka-Miliz und vor unkontrollierter Gewalt der dort mehrheitlichen Christen haben viele Muslime die Stadt verlassen. Inzwischen hat sich die Lage etwas beuhigt. Sylvain Groul, der für die humanitäre Organisation Ärzte ohne Grenzen (Médecins sans frontières, MSF) in Bangui arbeitet, sagte der DW: "Mit großen Auseinandersetzungen zwischen Gruppen haben wir es jetzt nicht mehr zu tun." Zwar höre man nachts noch Schüsse und Explosionen, doch die Täter seien Plünderer und Kriminelle, die von der allgemeinen Unsicherheit profitieren wollten.

Christliche Militzen in Nanga Boguila
Christliche Milizen liefern sich mit den Séléka nach wie vor GefechteBild: SIA KAMBOU/AFP/Getty Images

"Vielleicht verbünden sie sich mit Boko Haram"

Für Faustin Bambou, einen kritischen Journalisten, der nun in der Medienkommission der Übergangsregierung sitzt, verheißt die Reorganisation der Séléka-Miliz nichts Gutes. Er kann sich viele Szenarien vorstellen: "Entweder sie wollen eine Abspaltung des Gebiets unter ihrer Kontrolle. Oder sie wollen sich wieder die Macht in Bangui sichern." Bambou kann sich auch vorstellen, dass die Séléka sich Unterstützung von anderen muslimischen Gruppen in der Region sucht. Etwa mit der Terrororganisation Boko Haram, die seit Jahren Nigeria in Atem hält - und ihren Aktionsradius mittlerweile bis nach Kamerun ausgeweitet hat, das direkt an die Zentralafrikanische Republik grenzt. "Vielleicht verbünden sie sich mit Boko Haram, um hier die Macht zu ergreifen."

Die Séléka-Allianz habe sich nie damit abgefunden, die Macht in Bangui abzugeben, sagt Bambou der Deutschen Welle. Er hält auch politische Forderungen der Miliz für möglich - etwa, dass sie einige Ministerposten in der Regierung übernehmen können. Aber eine erzwungene Machtteilung sei nicht hilfreich. Sein Wunsch: "Dass sich Regierung und Zivilgesellschaft, wirklich alle an einen Tisch setzen und verhandeln." Und: "Dass sich Muslime und Christen auf den Straßen begegnen können - ohne Gefahr zu laufen, massakriert zu werden oder einander an die Gurgel zu gehen."

Überfüllter Lastwagen von flüchtenden Muslimen
Muslime verlassen die Zentralafrikanische Republik mit Sack und PackBild: Kriesch/Scholz/DW